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Trost spenden und Liebespost überbringen

Trost Ustja-Elisabeth Clauß arbeitet seit 2004 in der katholischen Seelsorge und ist seit 2016 für die Medius-Kliniken in Kirchheim und Nürtingen tätig. Von Thomas Zapp

Trost spenden stellt in Zeiten von Corona-Verordnungen und Hygienemaßnahmen eine besondere Herausforderung dar. Die erfahrene Seelsorgerin Ustja-Elisabeth Clauß erzählt, wie sie sich der neuen Situation anpasst, was die größten Probleme sind und wie man mit ihnen umgehen kann.

Was sind die größten Nachteile der Beschränkungen für Ihre Arbeit?

Ustja-Elisabeth Clauß: Ich kann momentan nicht einfach durch die Stationen gehen und ein kurzes Gespräch mit den Patienten suchen, um zu schauen, wie es ihnen geht. Die aufsuchende Seelsorge gibt es gerade nicht in der gewohnten Form. Aber wenn ich konkret vom Patienten, von Angehörigen oder Personal gewünscht werde, komme ich gerne. Manchmal fordern uns auch die behandelnden Mediziner an. Anders als bei der ersten Welle sind wir im System Krankenhaus mehr drin und können seelsorglich arbeiten. Dafür sind wir dankbar und froh. Das zeigt uns auch, dass wir eine hohe Wertschätzung erfahren.

Wie gehen Sie damit um, dass die Patientinnen und Patienten Ihre Mimik nicht sehen können und Sie Abstand halten?

Clauß: Wir müssen Maske und Schutzkleidung tragen. Deshalb ist Nähe spenden jetzt anders. Ich achte jetzt zum Beispiel noch stärker auf meine Körpersprache. Statt einem Händedruck drücke ich zum Beispiel beide Hände auf meine Brust. Auch damit kann man Nähe und Empathie vermitteln. Wichtig ist auch der Augenkontakt, und ich muss mehr als früher auf meine Tonlage achten, damit man mich hinter der Maske versteht.

Wie sehr hat sich durch Corona die Seelsorge sonst geändert?

Wir Seelsorger sind noch mehr zum Bindeglied geworden zwischen Angehörigen und Patienten. Denn die dürfen in der Regel ja nicht zu ihren Familienmitgliedern im Krankenhaus, und wir bieten ihnen eine wertvolle Kontaktmöglichkeit. So oft habe ich noch nie Liebesbotschaften übermittelt. Ich bekomme auch mehr Mails und Briefe von Menschen mit dem Wunsch, ihren Angehörigen in der psychiatrischen Abteilung zu besuchen. Die Beziehungsarbeit ist noch wichtiger geworden.

Wie spenden Sie trotz der aktuellen Einschränkungen Trost?

Ich bringe Zeit mit, das ist ein großer Reichtum. Dazu gehört auch, dass man nicht unbedingt reden muss, sondern auch gemeinsam Schweigen kann, wo Worte fehlen.

Mit welchen Problemen sind Sie am häufigsten konfrontiert?

Das hängt davon ab, ob ich physisch oder psychisch kranken Menschen begegne. Wenn ich Menschen mit rein körperlichen Erkrankungen vor Ort besuche, dann hat die Sorge um die Erkrankung die Oberhand. Wer eine schwere Diagnose hat und keinen Besuch empfangen darf, hat Sehnsucht nach Begleitung, Gespräch und einem Menschen an seiner Seite. Dafür nehmen wir uns Zeit. Im psychischen Bereich ist auch die Nachsorge wichtig, da telefoniere ich häufig mit ehemaligen Patienten. Dabei geht es häufig um die Themen Angst und Isolation.

Was raten Sie den Menschen, die unter der Isolation leiden?

Menschen mit einem geringerem sozialen Netz lassen sich eher von Ängsten leiten. Angst ist auf jeden Fall ein schlechter Berater und behindert das Handeln. Ich kann immer nur raten, aktiv aus der Angst herauszugehen und sich das Telefon zu schnappen. In den Gemeinden haben sich die Menschen viel überlegt, um zu helfen, bieten zum Beispiel Gespräche am Telefon und Einkaufsdienste an. Für mich selbst habe ich erkannt, wie wertvoll es sein kann, an Dinge anzuknüpfen, die verloren gegangen waren. Erinnerungen bewahren, etwa alte Fotos beschriften, das tut mir gut. Es kann auch bereichernd sein, einen Brief zu schreiben. Ich war selbst fasziniert, als mir eine Patientin einen handgeschriebenen Brief geschickt hat.

Wie geht es Ihnen persönlich in der Corona-Krise?

Da ich meine eigene Mutter pflege, habe ich ein Schutzkonzept entwickelt, bei dem ich meine Kontakte auf ein Minimum reduziert habe. Auch meine eigenen Kinder, die schon ausgezogen sind, treffe ich seit Monaten so gut wie gar nicht. Ich musste einen klaren Weg finden, den ich nicht jeden Tag hinterfragen muss, da ich niemanden gefährden möchte.

Haben Sie selbst eigentlich auch mal Trost nötig?

Es gibt schon Tage, wo ich denke: Ist es die Maske oder warum bin ich so erschöpft? Aber ich hinterfrage mich selbst schon häufig, wie ich mit der Krise umgehen möchte und wo ich mich festmache. Achtung und Vorsicht sind richtig, Zuversicht und Hoffnung sind wichtig. So versuche ich, wie alle anderen mit der Krise klar zu kommen. Wir müssen uns nur immer wieder klar machen, dass wir Lernende sind und Unsicherheit in dieser Zeit dazu gehört. So etwas hatten wir schließlich noch nie. Wenn ich mit alten Menschen rede, die den Krieg erlebt haben, erzählen die mir, wie sie damals die schwere Zeit gemeistert haben: Schritt für Schritt gehen, aber auch den Mut haben, einen Schritt zurückzugehen, wenn man Neues erkennt.

 

Was ist denn ihr größter Wunsch für die Zeit „nach Corona“?

Ich freue mich schon jetzt auf den Augenblick, in dem ich Menschen einfach wieder die Hand reichen und sie in den Arm nehmen kann.