Weilheim · Lenningen · Umland

Unersetzbar

Laut dem Deutschen Hebammenverband findet längst nicht mehr jede Schwangere eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung. Auch in Kirchheim und Umgebung gibt es immer weniger Freiberuflerinnen, die sich nach der Geburt um Mutter und Kind kümmern. Bei der Erstellung der neuen Hebammen-Liste im Kreis Esslingen haben sich 13 Kolleginnen weniger für die Wochenbettbetreuung gemeldet als im Vorjahr. Das ist dramatisch. Schwangere, die nicht extrem früh eine Hebamme anrufen, stehen nach der Geburt alleine da.

Den Hebammen kann man keinen Vorwurf machen. Die Pauschale, die sie pro Hausbesuch von den Krankenkassen bekommen, ist eine Lachnummer. Frischgebackene Eltern haben meist so viele Fragen, dass 20 Minuten nie und nimmer ausreichen. Wenn Hebammen sich mehr Zeit nehmen wollen, ist das quasi ihr Privatvergnügen. Gleichzeitig steigen die Versicherungsbeiträge immer weiter an. Wie es 2016 mit der Haftpflichtversicherung weitergeht, steht in den Sternen. Bei solchen Rahmenbedingungen ist es kein Wunder, dass vielen freiberuflichen Hebammen –gerade auch solchen mit kleinen Kindern – die Lust auf ihren Job vergeht. Für ihre harte Arbeit haben sie viel mehr verdient. Es ist höchste Zeit, dass die Gesundheitspolitik daran etwas ändert.

Eine Hebamme ist durch nichts und niemanden zu ersetzen. Während es in der Schwangerenvorsorge und in der Geburtshilfe immer technischer zugeht, helfen sie den Frauen, auf dem Boden zu bleiben. In den Geburtsvorbereitungskursen ebnen sie den Weg für Beziehungen, die den Müttern helfen, das turbulente erste Babyjahr gut – weil nicht allein – zu überstehen. In den Wochen nach der Geburt sind sie Ansprechpartnerinnen für alle Fragen, die junge Eltern umtreiben. Sie können Probleme rechtzeitig erkennen und Hilfe vermitteln, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Ohne Wochenbettbetreuung ist auch das Stillen in Gefahr, denn viele Frauen, die ihrem Kind die Brust geben wollen, brauchen in den ersten Wochen Unterstützung. In Deutschland ist die Stilldauer schon heute rückläufig: Sechs Monate nach der Geburt erhalten nur noch weniger als 20 Prozent der Kinder Muttermilch – entgegen den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).ANTJE DÖRR