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„Uns brennt der Kittel“

Planung Plochingen wollte mit einer Bürgerwerkstatt in diesem Jahr „MOVE 2035“ besprechen und ein Verkehrskonzept entwickeln. Durch Corona verzögert sich alles, doch die Stadt braucht schnell Ergebnisse. Von Claudia Bitzer

Bislang quält sich der Durchgangsverkehr im innerstädtischen Bereich durch die Esslinger Straße, in der auch viele Fußgänger und
Bislang quält sich der Durchgangsverkehr im innerstädtischen Bereich durch die Esslinger Straße, in der auch viele Fußgänger und Radler unterwegs sind. Foto: Ines Rudel

Ob es um die marode Marquardtstraße im Unteren Schulzentrum, um das Bahnhofsumfeld oder um die Frage der künftigen Verkehrsführung durch die Innenstadt geht: Plochingen braucht so schnell wie möglich die Ergebnisse des Verkehrsentwicklungskonzepts „MOVE 2035“, das Lösungen für die Mobilität von morgen geben soll. Aber die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass die eigentlich schon fürs Frühjahr geplante und dann auf den Herbst verschobene Bürgerwerkstatt nun wieder abgesagt werden musste.

Das Projekt ist ein halbes Jahr im Verzug. Doch die Zeit drängt. „Uns brennt der Kittel“, sagt Bürgermeister Frank Buß. Am meisten eilt es am Bahnhof. Bis Herbst 2021 muss die Stadt einen Antrag stellen, wenn sie in das neue Bahnhofsmodernisierungsprogramm des Landes aufgenommen werden will. Und das wäre aus Plochinger Sicht sehr sinnvoll. Schließlich will die Stadt den Bahnhofsvorplatz neu ordnen, den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) aufwerten und alles dafür tun, dass aus diesem Bereich eine Mobilitätsdrehscheibe wird. Vom Land gäbe es dafür satte Zuschüsse.

Zuerst muss der Gemeinderat aber klären, wie er sich die künftige Verkehrsführung dort vorstellt. Bleibt es bei den Gedankenspielen, den Durchgangsverkehr künftig auch östlich des Bahnhofs in beiden Fahrtrichtungen durch die Eisenbahnstraße zu führen? Platz dafür wäre da. Damit könnte die Esslinger Straße entlastet werden. Aber nicht alle Fraktionen halten das für die beste Lösung - denn sie belastet die Anwohner der Eisenbahnstraße noch mehr.

Um grundsätzliche Fragen wie diese besser bewerten zu können, hat der Gemeinderat vor eineinhalb Jahren das Mobilitäts- und Verkehrsentwicklungskonzept „MOVE 2035“ in Auftrag gegeben. Seit April hat die international aufgestellte Bernard Gruppe ZT mit Verkehrszählungen und einer Haushaltsbefragung untersucht, wer auf den Plochinger Straßen unterwegs ist. Zudem sind die Auslastung des Nahverkehrs und eine Parkraumerhebung in die Untersuchungen eingegangen. Auch ein Defizitkatalog wurde erstellt. Damit steht jetzt ein Verkehrsmodell, das zeigt, wie die Verkehrsstärken in Plochingen heute aussehen.

Bei den Untersuchungen stellte sich heraus: Betrachtet man nur die Verkehrsbewegungen innerhalb Plochingens, sind zwar 43 Prozent der Verkehrsteilnehmer zu Fuß unterwegs - aber 46 Prozent steigen ins Auto, aufs Moped oder Motorrad. Das Fahrrad spielt bislang kaum eine Rolle. Hier sieht man seitens der Stadt noch viel Potenzial. 23 Prozent des gesamten Plochinger Verkehrsaufkommens macht aber der Durchgangsverkehr aus, der vor allem die Ulmer und die Esslinger Straße massiv belastet, erklärt Bürgermeister Buß. 17 Prozent bewegen sich innerhalb der Stadt, 60 Prozent kommen aus Plochingen und haben ein Ziel außerhalb oder umgekehrt. „Umso wichtiger ist es, die unterschiedlichen Verkehrsmittel besser zu verknüpfen“, folgert Projektbetreuer Oliver Bausch vom Verbandsbauamt, „sodass man von seiner Wohnung aus mit dem Bus zum Bahnhof und dann mit der S-Bahn zu seiner Arbeitsstelle fah­ren kann - und nicht mit dem Auto.“

Meinung der Bürger ist wichtig

So sollte es bei der Bürgerwerkstatt erst einmal darum gehen, sich auf die großen Grundlinien zu verständigen. Denn das soll noch in diesem Jahr vom Gemeinderat verabschiedet werden. Stoßrichtung ist die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs zugunsten umweltfreundlicherer Verkehrsmittel, ein verbessertes Radwegenetz und die Stärkung des ÖPNV. „Weil uns die Meinung der Bürger wichtig ist, sollen sie jetzt online oder über das Amtsblatt die Möglichkeit bekommen, sich dazu zu äußern“, sagt der Bürgermeister.

Die Planer arbeiten derweil schon an dem Basisszenario 2035, in das auch sämtliche Erkenntnisse über die Einwohnerentwicklung sowie künftige neue Wohn- und Gewerbegebiete einfließen. Ziel ist ein Rechenmodell, das Aufschluss darüber gibt, was passiert, wenn man die verschiedenen Stellschrauben verändert. Das bildet dann die Grundlage für die Bewertung einzelner konkreter Maßnahmen, um die es letztlich gehen wird. Am Ende steht ein integriertes Handlungskonzept mit einer Grobkostenschätzung und einem Stufenplan, wie die einzelnen Abschnitte verwirklicht werden können.