Weilheim · Lenningen · Umland
Viel mehr als der „schwäbische Warhol“

Kunst Rainer Hoffelner aus Lenningen ist eine der tragenden Säulen der Pop-Art-Ausstellung in der Nürtinger Kreuzkirche. Die bunte, teils schrille Schau, ist noch bis 19. Februar zu sehen. Von Anke Kirsammer

Die Pop-Art-Ausstellung in der Nürtinger Kreuzkirche entpuppt sich als Straßenfeger: „Am Sonntag war Nürtingen wie ausgestorben – ich mache die Tür auf, und drinnen war es bumms voll“, erzählt Rainer Hoffelner überwältigt. Der Lenninger Künstler liefert mit seinem knallbunten, kraftstrotzenden Bild „Pop Art“ nicht nur den Eyecatcher auf Plakaten und Handzetteln für die Ausstellung, er bespielt mit 45 Werken fast das gesamte Erdgeschoss der zur Galerie umgewandelten Kirche. Noch bis Sonntag, 19. Februar, ist die moderne und imposante Show zu sehen.

 

Bei diesem Mund bin ich fast verrückt geworden.
Rainer Hoffelner
Der Künstler über die Herausforderung, den Ausdruck der Lippen von Amy Winehouse genau zu treffen. 

 

„Wenn mir früher jemand gesagt hätte, dass ich mal mit Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Rizzi ausgestellt bin, hätte ich ihn gefragt, ob er abgelaufene Tabletten eingeworfen hat“, sagt Hoffelner noch immer fast ungläubig. Neben „den Jungs“ zu hängen, bezeichnet er schlicht als „Ritterschlag“. Der gemeinsame Gang durch die Ausstellung beginnt mit Warhol, seinem „absoluten Helden“. Über ihn führte der Weg zur Kunst, und er zieht viele Parallelen: Der bedeutendste Vertreter der amerikanischen Pop Art war wie er selbst Illustrator, Grafiker und Dekorateur und kam wie viele Pop-Art-Künstler aus der Werbung. Rainer Hoffelners Porträts etwa von Keith Richards oder Mick Jagger kommen ähnlich intensiv daher wie die seines Idols. Er gibt Einblick in die Arbeit im Atelier: „Ich fange im Zentrum an“, erklärt er. Meist sind es die Augen, bei Amy Winehouse die ausdrucksstarken vollen Lippen. „Bei diesem Mund bin ich fast verrückt geworden.“

Doch was wären die Bilder ohne sein Markenzeichen – schwarze Männchen, die am Kirchheimer Gaiserplatz etwa genauso turnen wie an der Grundschulfassade seiner Wahlheimat? Natürlich fehlen die umtriebigen „Männle“ – einst innerhalb von Minuten als Logo entwickelt – auch in Nürtingen nicht. Mal rücken sie ins Zentrum, wie bei dem in ruhigem Rosa und Grau gehaltenen „The sky is rose“ oder bei dem Bild, das beim Betrachten aus ein paar Metern Entfernung unglaublich bewegt wirkt: Aus einem schwarzen Loch werden unzählige Männchen auf einem grauen Band geradezu herausgespült. Auf anderen Bildern sind die gelenkigen Männchen erst auf den zweiten Blick erkennbar: So gut fügen sie sich in das an Wimmelbilder erinnernde Treiben in seinen neuesten Werken ein. Bei den an Rizzi angelehnten Bildern „Pop Art“, „Art zone“ und „Bäm“ muss man schon ganz genau hingucken, um sie in der wilden Linienführung und dicht an dicht versammelten grellbunten Motiven nicht zu übersehen.

„Zwei bis drei Wochen sitze ich an so einem Bild“, verrät Rainer Hoffelner. Gelegenheit, ihm beim Malen zuzuschauen, gibt es immer wieder: Als Farbenbotschafter der in Tamm bei Ludwigsburg ansässigen Firma Marabu bietet er Workshops an. Morgen demonstriert er auf der Showbühne der „Creativeworld“ in Frankfurt, der weltweit wichtigsten Fachmesse für die Hobby-, Bastel- und Künstlerbedarfsbranche, mit Produkten des Farbenherstellers, wie unter seinen Händen ein Bild entsteht. Anders als an den nächsten beiden Sonntagen ist er deswegen nicht in der Kreuzkirche anwesend.

 

Hier am Schillerplatz habe ich meine Kindheit zugebracht.
Rainer Hoffelner
Der Künstler ist in Nürtingen aufgewachsen.

  

Der gebürtige Nürtinger verbindet mit der Stadt am Neckar viel: Seine erste Ausstellung hatte er bei den dortigen Kunsttagen. Obwohl er mit seinen Bildern im Museum of Contemporary Art in Peking und bei der internationalen Kunstmesse Art Palm Beach in Florida bereits vertreten war – seine Werke dort zeigen zu dürfen, wo er aufgewachsen ist, lässt seine Emotionen überschäumen. „Mein Vater war Hausmeister bei der Volksbank direkt neben der Kreuzkirche“, erzählt er. „Hier am Schillerplatz habe ich meine Kindheit zugebracht.“

Wie im Ausstellungsort, so steckt selbstverständlich auch in den Bildern viel Persönliches, das sich dem Betrachter nicht immer sofort erschließt. Klar, dass Hoffelner Leute porträtiert, die er „cool“ findet. Offenkundig auch, dass sein Selbstporträt eine Kombi aus „schwäbischem Rizzi“ und „schwäbischem Warhol“ ist. Die an dessen Suppendosen erinnernden Werke auf der gegenüberliegenden Seite des Kirchenschiffs aber haben einen Hintergrund, der sich erst durch die Erzählung des 59-Jährigen erschließt: Ihr Ursprung liegt in seinem Geburtsjahr: Anzeigen, die aus „Ratgebern für die moderne Hausfrau“ von 1964 stammen. Gleichmäßig auf Leinwand tapeziert und mit einem Lack versehen, bilden sie den Boden für Kultobjekte wie eine Erdal-Büchse, eine 4711-Flasche und eine Bären-Marke-Dose. Angestrahlt, bringt Glasgranulat die Oberfläche zum Leuchten. „Mehr Pop Art als das geht nicht“, so bringt Rainer Hoffelner es auf den Punkt.

 

Die Ausstellung läuft bis 19. Februar 

Geöffnet  ist die von der Stadt Nürtingen und der Galerie „Die Treppe“ veranstaltete Ausstellung Pop Art – Klassik & Moderne in der Nürtinger Kreuzkirche noch bis Sonntag, 19. Februar, dienstags bis sonntags jeweils von 12 bis 18 Uhr.

Rainer Hoffelner ist samstags von 13 Uhr an als Ansprechpartner vor Ort, außerdem am Sonntag, 12. Februar und am 19. Februar.

Nähere Infos gibt es unter www.nuertingen.de.