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Vier Jahre Haft im „Bewährungsrucksack“

33-jährige Betrügerin erhält die letzte Chance, in Freiheit ihre Spielsucht in den Griff zu kriegen

Ihre Spielsucht ist ihr zum Verhängnis geworden: Mehr als einmal schon stand eine ­33-Jährige deswegen vor ­Gericht. Diese Woche gab es für sie in Kirchheim wieder einmal eine Bewährungsstrafe. Es ­dürfte die letzte gewesen sein.

Kirchheim. Bewährung – ja oder nein? Das war im Kirchheimer Amtsgericht die große Frage. „Eigentlich“ sei die Sache angesichts der zehn einzelnen Delikte und der gebrochenen Bewährung klar, stellte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft fest. „Eigentlich“ dürfe es in der aktuellen Verhandlung keine erneute Bewährung mehr geben. Aber der Fall lag eben doch ein bisschen anders, obwohl selbst der Verteidiger einräumen musste: „Wir haben hier den klassischen Schulbuchfall, wo man über eine Bewährung gar nicht sprechen muss.“ Aber auch er setzte dabei das Wörtchen „eigentlich“ voran.

Worum ging es? Die Frau hatte als selbstständige Reiseverkehrskauffrau für ihre Kunden Reisen gebucht – mal in die Nähe, ins Allgäu, mal weiter weg, nach Mexiko oder auf die Malediven. Diese Reisen kosteten bis zu 7 600 Euro. Die Kunden bezahlten bei ihr, und sie buchte die Reisen bei diversen Anbietern, meistens über das Internet. Die Kunden traten die Reise an, aber die Vermittlerin dachte nicht daran, das Geld auch wirklich an die Anbieter weiterzuleiten. Anstatt sich auf eine Vermittlungsgebühr zu beschränken, behielt sie lieber die gesamte Summe für sich. Vier einzelne Betrugsfälle nach dieser Masche listete die Anklage auf, begangen zwischen Juni und November 2014.

Hinzu kamen sechs Fälle von Computer-Betrug: Die Angeklagte hatte Kreditkartendaten ihrer Kunden genutzt, um damit Reisen zu bezahlen, die sie ebenfalls über das Internet buchte. Der Kreditkartenbesitzer holte sich das abgebuchte Geld zurück. Der Schaden entstand somit also den Reiseanbietern, die die Leistung erbracht hatten. Nachträglich muss die Betrügerin jetzt versuchen, den Schaden zu begleichen.

Das wird ihr aber nicht so schnell gelingen. Von dem Geld ist nichts geblieben. Sie hat alles ausgegeben, um ihre Spielsucht zu befriedigen. Insgesamt hat sie rund 40 000 Euro an Schulden angehäuft, wobei es sich streng genommen nicht um Schulden im eigentlichen Sinn handelt, sondern eben um Schaden, den sie wiedergutmachen sollte. Ihren Gläubigern hat sie angeboten, die Schulden in Monatsraten zu je 100 Euro abzustottern. Sollte es dabei bleiben, wäre sie in 33 Jahren schuldenfrei. Bis dahin hätte sie das Rentenalter erreicht, das derzeit für sie gültig ist.

Immerhin aber kann sie in den nächsten zwei bis drei Jahren ihre Zweitausbildung in einem Pflegeberuf abschließen, anstatt im Gefängnis die Freiheitsstrafe zu verbüßen, zu der sie „eigentlich“ hätte verurteilt werden müssen. Dass sie wieder mit einer Bewährungsstrafe davongekommen ist, hat sie ihrem umfassenden Geständnis zu verdanken sowie der Tatsache, dass sie sich glaubhaft darum bemüht hat und weiterhin darum bemüht, von der Spielsucht loszukommen – mittels Selbsthilfegruppe, Reha und Therapie.

Die Prognosen dafür, dass sie nicht ein weiteres Mal rückfällig wird, sind günstig: So sah es ihr Bewährungshelfer, und so sahen es auch die Staatsanwältin, der Verteidiger und das Schöffengericht. Die Einzelstrafen, die für weit mehr als zwei Jahre ausgereicht hätten, wurden deshalb straff zusammengezogen: zu einer Gesamtstrafe, die gerade noch die zwei Jahre einhält, die als Höchstmaß für eine Bewährungsstrafe gelten. Dafür wurde die Bewährungszeit auf lange vier Jahre ausgedehnt. Als Auflage hat die 33-Jährige Reha und Therapie so lange fortzusetzen, wie es die zuständigen Fachleute, die sie da betreuen, für nötig erachten.

Strafrichterin Franziska Hermle-Buchele ging in der Urteilsbegründung auf die einschlägigen Vorstrafen ein und redete der Verurteilten noch einmal kräftig ins Gewissen: „Sie bekommen noch einmal die Chance zur Bewährung. Aber Sie schleppen da einen großen Rucksack mit sich he­rum. Da stecken insgesamt vier Jahre Freiheitsstrafe für Sie drin.“ Wenn jetzt auch nur noch eine einzige Kleinigkeit dazukäme, könne das eine Domino-Reaktion auslösen, bei der alle gültigen Bewährungen mit angestoßen werden. Einer Haftstrafe dürfte die 33-Jährige dann nicht mehr entgehen – und das nicht mehr „eigentlich“, sondern tatsächlich.