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Vom Rettich zum Wohnaccessoire

Ein Familienbetrieb entwickelt sich über acht Jahrzehnte vom Gemüseerzeuger zum Blumengeschäft mit Besonderheiten

Seit 80 Jahren gibt es die Gärtnerei Deuschle in Schlierbach. Über die Jahrzehnte haben sich die Schwerpunkte des heute in dritter Generation geführten Familienbetriebs gewandelt.

Der leidenschaftliche Gärtner Helmut Deuschle zieht Geranien und arbeitet im Betrieb mit, den seine Tochter Ursula führt.Fotos:
Der leidenschaftliche Gärtner Helmut Deuschle zieht Geranien und arbeitet im Betrieb mit, den seine Tochter Ursula führt.Fotos: Katja Eisenhardt/privat

Schlierbach. Im Jahr 1936 eröffnete Wilhelm Deuschle gemeinsam mit seiner Frau Friederike eine Gärtnerei in der Schlierbacher Dorfwiesenstraße. „Damals wurde vorwiegend Gemüse angebaut und verkauft, denn für Blumen hatten die Kunden in dieser Zeit kaum Geld übrig“, erinnert sich der 82-jährige Sohn des Gründers, Helmut Deuschle. In Frühbeetkästen hätten seine Eltern zunächst Gemüse und Salatpflanzen angebaut, die direkt vor Ort für die heimischen Gemüsegärten verkauft wurden. „Die Nachfrage nach Gemüse wurde dann während der Kriegsjahre immer größer, daher haben meine Eltern schließlich ihr erstes Gewächshaus – damals noch eine Holzkonstruktion – gebaut. Das hatte immerhin schon eine Länge von 20 Metern und neun Meter im Durchmesser, war aber wesentlich niedriger als unsere heutigen Gewächshäuser aus Stahl. Die Leute kamen dann mit ihren Lebensmittelmarken und haben die darauf vorgesehene Menge an Gemüse – wie Salat, Rettich oder Kohl – abgeholt“, erinnert sich Helmut ­Deuschle.

Er selbst absolvierte seine Gärtnerlehre in den Jahren 1948 bis 1951, arbeitete anschließend im elterlichen Betrieb und übernahm diesen 1965 zusammen mit seiner Frau Erika. Durch zusätzlich gepachtete Flächen wurde der Gemüseanbau weiter ausgedehnt, zweimal wöchentlich fuhr Helmut Deuschle mit der Ernte auf den Stuttgarter Großmarkt. „Da begann der Arbeitstag um 4 Uhr früh, ansonsten war man in der Regel von 7 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit beschäftigt“, erzählt der 82-Jährige. 1962 wurden zum ersten Mal Weihnachtssterne mit Lizenzgebühr gezüchtet und auf den restlichen Flächen bis zu 3 000 holländische Blumenzwiebeln angepflanzt. Die Gewächshausfläche wurde von anfangs rund 200 Quadratmeter auf später 1 000 Quadratmeter erweitert. Heute sind es noch gut 600 Quadratmeter. Ende der 60er-Jahre wurde der Betrieb schließlich auf Schnittblumen und Topfpflanzen umgestellt, da die Nachfrage nach Gemüse sank. Zusätzlich zu den Blumen habe man als Kurz- oder Zwischenkultur Kresse angebaut, „jede Woche wurden gut 50  Kilo geerntet“, so Helmut ­Deuschle, „alles musste früher von Hand gegossen werden, die automatischen Anlagen kamen erst in den 80er-Jahren, ebenso wie elektrische Lüftungen für die Gewächshäuser.“ Noch heute arbeitet der 82-Jährige im Betrieb mit, sein Reich ist das Gewächshaus mit den selbst gezogenen Blumen – hier finden sich je nach Blütezeit etwa kräftig leuchtende Geranien, Petunien, Fuchsien oder Lobelien. „Mir macht die Arbeit immer noch Freude. Ich habe wieder damit angefangen, als meine Frau starb. Alleine zu Hause wäre es mir sonst zu langweilig“, sagt Helmut Deuschle.

1986 übernahm Tochter Ursula Deuschle den Familienbetrieb in dritter Generation. „Eigentlich wollte ich Reiseverkehrskauffrau werden, dann habe ich aber doch in einen großen Ausbildungsbetrieb in Geislingen reingeschnuppert und war sehr beeindruckt – gerade auch was die kreative Arbeit anging. Dort spielte beispielsweise der Dekobereich schon eine größere Rolle als in den kleineren Landgärtnereien“, erzählt die heutige Chefin. Sie blieb, absolvierte die Ausbildung und die Meisterschule, bis sie den Betrieb in Schlierbach übernahm. Sie erweiterte das Sortiment des Blumengeschäfts nach und nach um Wohnaccessoires. „Damals war das etwas Neues, gerade in kleineren Geschäften auf dem Land. Die Kunden kamen auch aus Göppingen, Stuttgart oder Pforzheim – das ist bis heute so geblieben“, erzählt Ursula Deuschle. Als großer Italienfan startete sie kurz nach der Geschäftsübernahme zudem den Einkauf von italienischem Impruneta-Terracotta. Passend zum Thema wurden Zitruspflanzen ins Sortiment aufgenommen. Heute greifen die Kunden dagegen eher auf das günstigere Angebot im Baumarkt zurück, weiß Ursula Deuschle. „Auch der toskanische Terracotta-Stil passt nicht mehr so recht zur modernen Architektur. Es ist alles eher geradlinig, ohne Schnörkel, dafür dürfen es aber kräftige Farben sein.

Vom Rettich zum Wohnaccessoire
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