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Vor der Bescherung heißt es „Tischlein, deck dich“

Heiligabend  Klassisch-schwäbisch gibt es vor der Bescherung Saitenwürstchen mit Kartoffelsalat. Doch die kulinarischen Traditionen sind von Familie zu Familie ganz unterschiedlich. Von Katja Eisenhardt

Für den evangelischen Pfarrer Luca Bähne aus Notzingen beginnt jeder 24. Dezember wie ein normaler Arbeitstag: „Es gilt, letzte Details für die Gottesdienste zu organisieren und an den Predigten zu feilen. Mittags gibt es daher meistens Maultaschen, das geht schnell, und ich kann dann direkt los zur Vorbereitung der Gottesdienste", erzählt der Pfarrer. Später kommt zum Abendessen bei Familie Bähne an Heiligabend ein Klassiker auf den Tisch, der sich ebenfalls gut und schnell zubereiten lässt: „Es gibt ganz traditionell Saiten mit Kartoffel- und Feldsalat mit Walnüssen, dazu machen wir einen guten Rotwein auf. Normalerweise kochen wir gern gemeinsam, aber kurz vor Weihnachten macht den Kartoffelsalat auf jeden Fall meine Frau. Wenn ich zuständig wäre, wäre auch der Salat vom Metzger", so Luca Bähne.

Johannes Züfle ist Bürgermeister in Weilheim und Vater von vier Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren. An Weihnachten gibt es bei der sechsköpfigen Familie Raclette. Das habe seit einigen Jahren Tradition: „Das ist ein Essen, dass uns allen schmeckt, keiner großen Vorbereitung bedarf und auch nicht schon nach fünf Minuten von unserer Rasselbande verschlungen ist. Man sitzt etwas länger zusammen, als das bei anderen Essen mit kleinen Kindern der Fall ist, das ist kurzweilig", erklärt Johannes Züfle die Essenswahl. Dazu wurde an Weihnachten eine besondere Tradition ins Leben gerufen: Familie Züfle feiert zuhause einen eigenen Gottesdienst. „Wir haben vor einigen Jahren festgestellt, dass das Drumherum, das Gedränge und der Stress uns vom Kern der Weihnachtsbotschaft wegziehen. Jetzt planen wir am Weihnachtstag unsere eigene Liturgie. Jeder in der Familie hat seine Aufgabe: Gebet, Bibellese, Musik, Nachspielen der Weihnachtsgeschichte mit unserer Ostheimer Weihnachtskrippe. Die drei großen Kinder spielen alle Klavier und eines zusätzlich Gitarre."

Frauke Bauer, Stationsleitern im Asklepia Seniorenzentrum in Notzingen, schildert, wie Heiligabend für die Bewohner abläuft, von denen die meisten Weihnachten in der Seniorenresidenz verbringen. „Die Weihnachtszeit löst bei vielen Emotionen aus, umso wichtiger ist es, Geborgenheit und Heimat zu vermitteln. Zu jeder Zeit im Jahr, besonders aber an Weihnachten", weiß Frauke Bauer. So werden die Wohnbereiche und die zu einer langen Tafel zusammengestellten Tische festlich geschmückt. Außerdem wird gemeinsam gekocht: „Dieses Jahr gibt es in Notzingen Ofenkartoffeln mit Putengeschnetzeltem und Möhren-Kohlrabi-Gemüse und im Kirchheimer Asklepia Leberkäse. Das waren Wünsche der Bewohner, denn es sind Gerichte, die es früher auch oft gab." Die Jahre zuvor sei meist der Klassiker Würstchen und Kartoffelsalat auf den Tisch gekommen. „Das gemeinsame Kochen tut gut, die Gerüche wecken Erinnerungen. Ebenso wie die erlebten Weihnachtsgeschichten, die man sich erzählt", meint Bauer. Nachmittags spielt der Musikverein bei Glühwein und Pusch, auch die Angehörigen sind dabei. Nach dem Abendessen werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die als Weihnachtsfrauen und -männer verkleidet sind, Geschenke verteilt. „Ich arbeite sehr gerne an Weihnachten, gerade auch im Spätdienst. Ich liebe die Stimmung im Haus und das Familiäre", sagt die Stationsleiterin.

Koch Uli Hokenmaier steht beruflich in der Küche des Schlierbacher Bürgerkellers am Herd,die heimische Küche ist bewusst das Refugium seiner Frau Gabriele. Das ist an Weihnachten nicht anders, wie die Wirtin erzählt. „In meiner Küche will ich ihn gar nicht haben. Würde er da als Profi kochen, wäre wohl sämtliches Geschirr im Einsatz und dazu richtig action", sagt Gabriele Hokenmaier und lacht. An Heiligabend gebe es traditionell Fondue: „Das ist etwas Besonderes. Für mich gäbe es nichts Schlimmeres als Saiten und Kartoffelsalat, das kann ich das ganze Jahr über essen." Beim Fondue sitzt die Familie gemütlich zusammen, jeder bringt ein bisschen was dafür mit. „An Heiligabend sind meine Schwester und ihre Familie zu Besuch", erzählt die Wirtin. An diesem Abend bleibe das Restaurant geschlossen, an den beiden Feiertagen ist der Bürgerkeller mittags geöffnet. Nach 27 Jahren der Selbständigkeit wünsche sie sich schon auch mal ein etwas besinnlicheres Weihnachten, "einfach etwas mehr Zeit, auch um schön zu dekorieren", so Gabriele Hokenmaier.

Bei der Dettinger Büchereileiterin Christine Hahnund ihrer Familie gibt es an Heilig Abend verschiedene Traditionen. „Das fängt damit an, dass wir und die Kinder, die zwischen 10 und 13 Jahre alt sind, uns alle schick anziehen, denn Heiligabend ist etwas Besonderes. Auch beim Essen geben wir uns Mühe, da gibt es traditionell ein gutes Stück Rinderfilet und verschiedene Beilagen. Es gibt drei Gänge, mein Mann und ich wechseln uns mit der Zubereitung des Hauptgangs ab, unsere Tochter ist für den Nachtisch zuständig." In den Tagen vor Weihnachten werde gemeinsam vorbereitet und geschmückt, Freunde kommen seit vielen Jahren zum traditionellen Christbaumloben vorbei. Der Baum stehe bereits ab dem ersten Advent: „Wir haben zwei Jahre in den USA gelebt und das frühe Aufstellen übernommen." Die Weihnachtstage seien zudem die Zeit den Zusammenkommens und der guten Gespräche, für die im hektischen Alltag oft die Zeit fehle.