Ohne Elektrizität geht nichts: Züge bleiben stehen, kühlungsbedürftige Arznei- und Lebensmittel verderben, Geldautomaten, Heizungen, Lampen und Kochplatten fallen aus. „Die Abhängigkeit vom Strom wächst stetig. Das verbessert zwar unsere Lebensqualität“, sagt Jürgen Holder. „Es macht uns aber auch verwundbarer.“ Deshalb hat der Elektriker und Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Dettingen mit seinen Kameraden ein Notfallkonzept für einen sogenannten Blackout entwickelt. Manche lachen darüber, aber Erfahrungen aus der Praxis geben ihm Recht. 2005 knickten im Münsterland bei einem plötzlichen Wintereinbruch Strommasten ein. Die Folge: 250 000 Menschen in 25 Kommunen waren tagelang ohne Strom.
Wenn extreme Wettersituationen zunehmen, können sich Unterbrechungen der Stromversorgung möglicherweise mehren und länger als nur ein paar Stunden dauern, wie der Präsident des Landesfeuerwehrverbandes, Dr. Frank Knödler, betont. Gleichzeitig wird die Energieinfrastruktur aus Sicht von Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich immer sensibler: „Nicht nur, weil mit der Digitalisierung die Gefahr von Cyberattacken steigt, sondern weil die Stromversorgung europaweit vernetzt ist.“ Ein gravierender Zwischenfall in einem EU-Land könne deshalb dazu führen, dass andere EU-Staaten betroffen seien.
Schadensanfällgie Solaranlagen
Hinzu komme, so Jürgen Holder, dass bei extremem Sturm oder Hagel die Schadensanfälligkeit von Solar- und Photovoltaikanlagen steigt. Laut Bernhard Dittrich wächst mit der Zahl kleiner Stromproduzenten wie Privathaushalten das Risiko von Netzüberlastungen und Störungen der Systembilanz. Wegen erhöhter Lastflüsse im liberalisierten Energiemarkt steige die Gefahr der Instabilität. „Die Frage ist also nicht, ob ein Blackout kommt, sondern wann, wo er auftritt und wie lange er dauert“, sagt Dittrich, der damit zur Vorsorge rät. Ihm zufolge kann im Ernstfall das Gros der Mobilfunkmasten mangels Notstromversorgung bereits nach einigen Minuten ausfallen. Das habe der dreistündige Stromausfall in Nürtingen 2017 gezeigt. Das Festnetz war sofort tot.
In Notfällen können Bürger also nicht den Notruf wählen und müssen zum Feuerwehrhaus kommen. Das ist in Dettingen nach 60 Minuten ohne Elektrizität mit fünf Kräften besetzt, die Hilfe leisten. „Über richtiges Verhalten im Blackout-Fall wird im Amtsblatt regelmäßig informiert“, so Kommandant Jürgen Holder. Die Basisstationen für den behördlichen Digitalfunk können zum Teil nach wenigen Stunden ausfallen. Ziel ist laut Bernhard Dittrich technisch aufzurüsten, um eine Standzeit von 72 Stunden zu erreichen. Dettingen sorgt hier mit einem Satellitentelefon vor.
Bei Stromausfall lässt sich das Pumpwerk, das den Hochbehälter auf dem Käppele mit Trinkwasser füllt, nach Angaben des Wasserversorgers mit einem 100-Kilovoltampere-Stromgenerator betreiben. Ein solches Gerät wurde beschafft. Da im Ernstfall Kühlsysteme versagen, stellt der lokale Supermarkt Lebensmittel bereit, die sonst verderben würden. Die Feuerwehr lagert sie dann in Kühlanhänger, die Getränkehändler bereitstellen. Auch für Treibstoff ist beim Blackout gesorgt. „An den örtlichen Tankstellen dürfen wir Kraftstoff holen. Ein Gespräch mit den Betreibern hat gezeigt, dass eine Tankstelle nicht notstromversorgt ist“, so Holder. „Also haben wir eine Handpumpe besorgt.“
Personen die durch Unwetter obdachlos geworden sind, finden in der Gemeindehalle Zuflucht. Dort sorgt eine Hackschnitzelanlage für Strom und Wärme. Die Hallenküche wurde wegen der Blackout-Gefahr so geplant, dass sie sich mit Gasflaschen betreiben lässt. Jürgen Holder jedenfalls rät zur frühzeitigen Soll-Ist-Analyse, um technische und organisatorische Lücken zu schließen. So lassen sich ihm zufolge auch teure Anschaffungen zum Schutz der Bevölkerung von langer Hand planen.
Siehe auch Interview: "Der Dieselvorrat reicht für sieben Tage"