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Vorwärts, auf ein Licht zu, denn „die Nacht ist hin“

Ostern Die Kirchen haben ganz verschiedene Osterfeiern angeboten, so konnten sich die Besucher verteilen. Gefeiert wurde schon ganz früh am Ostermorgen. Von Peter Dietrich

Die Vögel singen schon, aber noch leuchtet am Himmel nur der Mond, und das Außenthermometer zeigt zwei Grad Celsius. Wo wollen so früh die ganzen Leute hin? Knapp 50 Teilnehmer haben sich zur Ostermorgenfeier um sechs Uhr in der Kirchheimer Martinskirche angemeldet. „Karfreitag ist Dunkelheit, aber am Ostermorgen erscheint das Licht“, begrüßt Pfarrer Jochen Maier die Gläubigen in der nur von ein paar Kerzen erhellten Kirche. Thematisch ging es in der gesamten Feier um Dunkelheit und Licht.

Margret Ellwanger, Christine Fischer, Dorothee Fries und Willi Kamphausen haben zu beiden Begriffen jeweils drei zugleich persönliche und politische Kommentartexte vorbereitet. Sie lesen diese zuerst als Schattenfigur vor einer weißen Leinwand, dann in einem Lichtkegel stehend. Erschreckend ist die lange Aufzählung der vielen neuen aktuellen Begriffe: Lockdown, Hotspot, Aerosole, Herdenimmunität … „Was soll ich glauben, was stimmt wirklich? Ich kann nicht mehr.“ Verwirrung, Einsamkeit: „Verschlossene Türen, Grenzen, eingefrorenes Leben.“ Doch es bleibt nicht dabei: Dorothee Fries ruft Menschen an, mit denen sie früher zusammen war. „Welche Freude und Überraschung, wieder einmal voneinander zu hören.“ Christine Fischer bittet Gott um Ermutigung und nimmt sich vor, auch andere Menschen zu ermutigen. Willi Kamphausen versteht die Osterbotschaft als „Weckruf für Leben und Aufforderung zur Solidarität“. Warum überlagere Corona alles andere, zum Beispiel den Blick für Menschen auf der Flucht?

„Es wird nicht finster bleiben“

Der Leittext der Feier ist gleich mehrmals zu hören, er stammt vom Theologen Helmut Gollwitzer und wird jedem als gedruckte Karte mitgegeben: „Die Nacht wird nicht ewig dauern. Es wird nicht finster bleiben. Die Tage, von denen wir sagen, sie gefallen uns nicht, werden nicht die letzten sein. Wir schauen durch sie hindurch vorwärts auf ein Licht, zu dem wir jetzt schon gehören und das uns nicht loslassen wird.“ Während der Feier wird die große neue Osterkerze entzündet, von ihr das Licht zu vier Stationen auf dem Martinskirchplatz getragen, dort entzünden die Gläubigen ihre eigenen Osterkerzen.

Um acht Uhr beginnt die Auferstehungsfeier auf dem Alten Friedhof. Pfarrer Axel Rickelt, Pfarrer an der Auferstehungskirche, spricht mit lauter Stimme ohne Mikrofon - ein Anklang an einen feurigen Straßenprediger: „Heute feiern wir, dass alle Friedhöfe Auferstehungskirchen sind. Chris­tus ist auferstanden und nimmt die mit, die zu ihm gehören.“ Ein Vorteil des Ortes: maskiert ist im Freien das Singen erlaubt. Die Gemeinde war davon so entwöhnt, dass sie bei „Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin“ erst bei der zweiten Strophe mit dem CVJM-Posaunenchor einstimmt. Deshalb bittet Axel Rickelt die Bläser schmunzelnd um eine Extrastrophe, die prompt ertönt. Danach erklingt die Predigt: „Chris­tus ist auferstanden, die Toten werden leben und die Lebenden keine Angst mehr haben.“

Wer noch Angst hatte, aus anderen Gründen nicht zur Kirche gehen konnte oder wem es einfach lieber war, der konnte den Gottesdienst um 10.30 Uhr in der Martinskirche mit Dekanin Renate Kath und dem Kammerchor im Livestream verfolgen: rund 60 Teilnehmer. „Trotzdem und erst recht feiern wir Ostern, feiern wir das Leben“, sagt die Dekanin. Sie predigt über einen Bibeltext, der zuerst gar nicht als Ostertext zu erkennen ist, den Durchzug der Israeliten durchs Schilfmeer. Sie entflohen dem Joch Ägyptens, unter einem Joch leiden auch heute viele Menschen: Die Dekanin nennt unter anderem Myanmar und den Libanon. Sie erinnert aber auch an Ostergeschichten wie den Fall der innerdeutschen Mauer - und an persönliche Ostergeschichten, die nicht für Schlagzeilen taugen. „Es gibt mehr Ostergeschichten unter uns, als wir wissen, und mehr, als in einer Zeitung gedruckt werden können.“ Die Abendmahlsfeier, bei der jeder Gläubige einzeln nach vorne tritt und Brot und Wein oder Traubensaft aus zwei Einzelkelchen nimmt, wird dann nicht mehr übertragen.

Diese drei - alles evangelische - Feiern sind nur eine Auswahl. Den Ostersonntag über folgen viele weitere, natürlich auch bei den Katholiken und den evangelischen Freikirchen. Die zentrale Botschaft ist überall gleich, aber gefeiert wird sie dezentral.