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War es Totschlag mit Ansage?

Justiz Im Eifersuchtsdrama, bei dem in Wernau ein junger Mann niedergestochen wurde, bleibt das Motiv im Unklaren.

Wernau. Was waren die wirklichen Gründe der Stiche mit einem Schraubendreher gegen den neuen Lebensgefährten der Freundin? Im Prozess gegen zwei Brüder, 23 und 28 Jahre alt, vor dem Stuttgarter Landgericht hat jetzt die 23-jährige Ex-Freundin des Hauptangeklagten ausgesagt. Ihr hatte der 28-Jährige aus der Haft einen Brief geschrieben.

Darin beteuert der syrische Flüchtling, der zuvor mit seinem Bruder in einer Unterkunft in Wernau lebte, dass die Tat mit dem Schraubendreher keine Eifersuchtstat gewesen sei. Es hätten vielmehr andere Gründe für die Stiche gegen den neuen Freund der Frau vorgelegen. Den Brief hatte allerdings die Briefzensur beschlagnahmt und der Schwurgerichtskammer, vor der der Prozess läuft, weitergeleitet. In dem Schreiben, das am gestrigen Verhandlungstag verlesen wurde, kündigt der Angeklagte an, er werde nach seiner Haftzeit der Frau erklären, warum er die Tat begangen habe. Hingegen geht der Staatsanwalt in der Anklage davon aus, dass die beiden syrischen Männer versucht hätten, den 25-jährigen neuen Freund der Frau zu töten. Vor Gericht schweigen die Beiden dazu allerdings.

Immer viel Alkohol im Spiel

In ihrer Aussage vor Gericht erwähnte die Frau gestern noch, dass der 28-jährige Beschuldigte während ihrer gemeinsamen Beziehung reichlich viel Alkohol konsumiert habe und dann immer aggressiv geworden sei. So habe er einmal grundlos mit der Faust auf die Motorhaube eines geparkten Autos eingeschlagen. Er fühle sich zudem vom syrischen Geheimdienst verfolgt und wisse, dass andere Menschen seine Gedanken lesen könnten. Das könnten Hinweise auf eine schwere psychische Krankheit sein, die das Gericht mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen klären möchte.

Von der Zeugin erfuhren die Richter gestern auch, dass die Schraubendreher-Attacke im März dieses Jahres vor einem Mehrfamilienhaus in der Martinstraße in Wernau offenbar vom Hauptangeklagten angekündigt war. Die Zeugin bekundet, er habe nach der Beendigung der Beziehung zu ihr über eine Textnachricht per Handy mitgeteilt, dass er kommen werde, „um ihn zu töten“. Ob diese Äußerung so gefallen ist, bezweifeln die Richter, nachdem die Zeugin bei ihrer polizeilichen Vernehmung diese Passage mit dem Begriff „um ihn zu erziehen“ bezeichnet hatte. Jedoch habe sie gesehen, wie die beiden Brüder an jenem Märzmittag plötzlich erschienen sind, einer mit dem Schraubendreher in der Hand habe dann wohl zugestochen, wobei dessen Bruder das Opfer festhielt. Während sie die Polizei alarmierte, hätten die Beiden auch noch ihre 61-jährige Mutter attackiert und mit Fausthieben verletzt. Der neue Freund habe sich in das Haus retten können, sei aber von den Tätern verfolgt und dabei nochmals verletzt worden. Danach, so die Zeugin, habe sie das viele Blut gesehen.

So sieht es auch der Staatsanwalt, der die zwei Zentimeter tiefen Verletzungen als versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung bewertet und das „öffentliche Interesse an der Verfolgung dieser Tat“ ausdrücklich bejaht. Die Richter der Schwurgerichtskammer haben zur weiteren Klärung noch fünf weitere Verhandlungstermine angesetzt. Auch der psychiatrische Sachverständige wird an einem der nächsten Prozesstage zum Thema „Schuldfähigkeit“ zu Wort kommen. Nächster Verhandlungstermin ist der 20. September. Bernd Winckler