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Warum Frauen stolz darauf sind, eine „Hermine“ zu sein

Studium generale seit 15 Jahren an der Kirchheimer Familienbildungsstätte

Seit 15 Jahren bietet die Familien-Bildungsstätte Kirchheim einen ganz besonderen Studiengang an: ein sogenanntes „Studium generale“. Die Keimzelle des dreijährigen Bildungsangebots liegt in Kirchheim und erstreckt sich mittlerweile auf den gesamten Großraum Stuttgart.

Kirchheim. Eine Rückblende ins Jahr 2000 gab Christoph Tangl, Leiter der FBS. Seinerzeit sei der bekannte Fernsehautor und Dozent Dr. Hans-Volkmar Findeisen, ein gebürtiger Kirchheimer, auf ihn zugekommen mit einem interessanten Projekt: der Gründung eines Instituts für interkulturelle und interdisziplinäre Kommunikation. Das klingt jetzt komplizierter als es ist, es geht um den berühmten Blick über den Tellerrand, es geht um ein fächerübergreifendes Studium verschiedenster Kulturen, Lebensweisen und ihrer Entwicklungsgeschichte. Findeisen und seine Frau Ulrike dachten an einen sechssemestrigen Studiengang insbesondere für Frauen, die sich weiterbilden wollen. 20 wissbegierige Ladys ganz unterschiedlichen Alters und verschiedener beruflicher Herkunft machten den Anfang im „Studium generale“. Und weil jedes Kind einen Namen braucht, nannten sie sich „Hermine“. Hermes, der Götterbote, der Überbringer göttlicher und anderer Weisheiten, der Grenzgänger zwischen den Welten, stand Pate für die weibliche Entsprechung seines Namens.

Songard Dohrn, eine „Hermine“ der ersten Stunde, freute sich vor 15 Jahren über die Gründung einer Art „Volksuniversität“ in Kirchheim und startete seinerzeit ihre persönliche „Bildungsreise quer durch die Kultur und Geschichte“. Die „First Ladys“, die sich bei Institutsleiterin Dr. Ulrike Zubal-Findeisen mit Rosen bedankten, stellten nach vier Semestern schon fest, dass die angedachte Studienzeit von drei Jahren wahrscheinlich zu wenig ist, um all die Zusammenhänge und Entwicklungen der unterschiedlichsten Kulturen zu begreifen. „Hermine plus“ ist nun unter Leitung von Songard Dohrn ein gefragtes Erweiterungsstudium. „Die Hälfte der Ur-Herminen ist heute noch dabei, es gibt so viel Neues und so viele interessante Aspekte für uns. Und schließlich bleiben wir bis ins Alter lehr- und lernfähig!“

„Spinnerte Ideen“ attestierte Dr. Ulrike Zubal-Findeisen der ganzen Mannschaft vom Kulturinstitut „Koiné – cross culture past and present“, das von ihr und ihrem Mann gegründet und von der Familien-Bildungsstätte Kirchheim seit 15 Jahren getragen und erweitert wurde. Sie meinte damit die ausgefallensten Themen und Gedankenansätze im Studienplan. Es sei immer wieder ein Vergnügen, „mit interessierten Leuten zu arbeiten, die sich darauf einlassen“. Vom Stammhaus Kirchheim ist der Koiné-Gedanke ausgegangen, heute gibt es ähnliche Studiengänge in Herrenberg, Leonberg, Filderstadt und Göppingen. Hunderte von Menschen haben bereits daran teilgenommen, 300 allein in Kirchheim. Die „gute Seele“ an der FBS ist Andrea Bürker, die sich um Abläufe und Organisation im Studiengang kümmert und dabei gelegentlich sogar das Unmögliche möglich macht. „In Kirchheim ist Feng-Shui nicht nötig“, so Findeisen in ihrem kurzen Rückblick auf 15 Jahre Studium generale unter der Teck. „Hier laufen die Wasseradern nämlich richtig . . .“

Das war die perfekte Überleitung zum Festvortrag, denn natürlich tagen „Herminen“ und ihre Gäste nicht, ohne sich weiterzubilden und in neue Wissensgebiete einzutauchen. Dr. Susanne Knödel, Wissenschaftlerin am Völkerkundemuseum Hamburg, gab unterhaltsame Einblicke in die Kunst des Platzierens von Gegenständen und Gebäuden in Zeit und Raum. Feng-Shui bedeutet „nahe am Wasser und windgeschützt“, in Asien gilt es als umfassende Lebensphilosophie. Magie oder Wissenschaft, das ist hier die Frage – auf die es offenbar Antworten gibt, die dem Europäer viele Rätsel aufgeben. Feng-Shui ist vielleicht ein Paradebeispiel für das, was das Hermine-Studium vermitteln will: über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, eröffnet nicht nur neue Perspektiven, sondern kann auch Laune machen.