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Warum Schwaben nicht unter ihrem Dialekt leiden sollen

Vortrag Wolf-Henning Petershagen erklärt in Kirchheim humorvoll die Vorzüge des Schwäbischen.

Kirchheim. Schwaben leiden unter ihrem Dialekt und belegen Hochdeutsch-Kurse, um ihre Herkunft zu verbergen und im Beruf keine Nachteile zu erleiden. Der Journalist Wolf-Henning Petershagen hat die Mission, die Schwaben von ihren Minderwertigkeitskomplexen zu befreien und Missverständnisse zu beseitigen. Wie Schwaben vom Verteidigungs- in den Angriffsmodus kommen können, zeigte er anschaulich und überzeugend bei seinem Vortrag im Kornhaus auf Einladung des Literaturbeirats der Stadt Kirchheim.

Humorvoll und abwechslungsreich zitierte der gelernte Historiker aus seinem neuen Buch „Schwäbisch offensiv“. „Schwäbisch ist das eigentliche Hochdeutsch“, so der promovierte Kulturwissenschaftler. Es handelt sich beim „Hochdeutschen“ zunächst nur um eine topografische Bezeichnung, die mit der „Hochsprache“ nichts zu tun hat. Dieser hochdeutschen Sprachfamilie gehören neben den Schwaben und Alemannen auch andere Dialekt sprechende Oberdeutsche an: Bayern, Österreicher und Franken sowie die „Mitteldeutschen“, nämlich Sachsen, Thüringer, Hessen, Pfälzer, Moselfranken, Luxemburger und Kölner. Hingegen seien die Hannoveraner, denen man das reinste und akzentfreie Hochdeutsch nachsagt, keine „Hochdeutschen“ sondern Niederdeutsche.

Die literarische Größe in Deutschland schlechthin - Johann Wolfgang von Goethe - habe sein „Frankfoddärisch“ ebenso wenig verleugnet wie die gesamte geistige Elite Schwabens: der Schelling, der Hegel, der Schiller oder der Hauff. Manche Reimpaare in Schillers Gedichten funktionieren nur, wenn sie schwäbisch ausgesprochen werden, wie Sänger und Finger, das im Schwäbischen „Senger“ und „Fenger“ gesprochen wird. Manche Zeitgenossen, die das Schwäbische nachmachen oder nachäffen wollten, bedienten sich eines inflationären „sch“. Dabei ersetze der Schwabe mitnichten jedes „s“ durch ein „sch“. „Er isst gerne Schwein, aber er ischt keins“, erklärt Petershagen.

Um auszuschließen, dass ein möglicher Partner den falschen Glauben hat, könne die Schwäbin an drei Schlüsselwörtern zielsicher die Konfession ihres Gegenübers erkennen: Lehrer, Ehre und Seele. Die Geistlichen hätten dafür gesorgt, dass ihre evangelischen Schäfchen „Läärer“, „Ääre“ und „Sääle“, wohingegen die katholischen „Leerer“, „Eere“, und „Seele“ sagten.

Dass Schwaben zu Unrecht belächelt würden, weil sie das vermeintlich falsche grammatische Geschlecht verwendeten, belegt Petershagen mit einem Blick in die Fremdsprachen: Das Wort Butter stamme vom lateinischen „butyrum“. Wie die Franzosen „le beurre“ oder die Italiener „il burro“ sage der Schwabe zu Recht „der Butter“ und nicht „die Butter“.

Selbst das Ende der Veranstaltung wird mit einer passenden Erklärung versehen: Das schwäbische „Ade“, das wie das französische „Adieu“ und auch das norddeutsche „Tschüss“ gehen auf die lateinische Formel „dominus tecum“ - Gott sei mit dir - zurück. Nach einer Fragerunde wird der Autor mit langem Applaus verabschiedet. Hans-Joachim Brenner