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Was macht ein Panzer auf dem Truppenübungsplatz in Münsingen?

Bundeswehreinsatz Das Gelände bei Münsingen wurde zu einem Rückzugsgebiet für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Durch die Befahrung mit einem Bergepanzer entstehen neue Mulden, Pfützen und Tümpel. Von Joachim Lenk

Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, der Truppenübungsplatz Münsingen wird nicht reaktiviert. Auch wenn ein Bergepanzer vom Typ Büffel der Bundeswehr von Montag bis Donnerstag durchs Herzstück des Biosphärengebietes gebrettert ist. Er war dort nicht aus militärischen Gründen, sondern zum Wohl der Natur unterwegs.

Es ist 14 Uhr. Der Schnee funkelt im Licht der Sonne. Das Thermometer zeigt zwei Grad plus. Ein paar Vögel zwitschern im Gewann Kalksbuch auf dem rund 6700 Hektar großen Areal. Nicht weit entfernt sind die ehemaligen Schießbahnen 12 und 13 des Ende 2005 ausgemusterten Truppenübungsplatzes.

 

„Was Panzer geschaffen haben, können Panzer am besten pflegen.
Marco Reeck von der Bundesforststelle Heuberg

 

Plötzlich ist in der Ferne Kettenrasseln zu hören. Mit lautem Getöse nähert sich ein olivgrüner „Büffel“. Schneestaub wirbelt durch die Luft, in einer Senke spritzt das Wasser in alle Richtungen. Wenige Meter später bremst der 40-Tonner, der mit 860 Pferdestärken unterwegs ist, abrupt ab. Zwei Soldaten, Stabsunteroffizier Marek Hauck und Oberstabsgefreiter Jeremias Vogt, Angehörige der ersten Batterie des Artilleriebataillons 295 aus Stetten am kalten Markt, steigen aus.

„Was Panzer geschaffen haben, können Panzer am besten pflegen“, freut sich Marco Reeck von der Bundesforst-Dienststelle Heuberg, der Hausherrin des einstigen Schießplatzes. „Natur und Militär sind eine gute Verbindung.“ Durch den tonnenschweren Panzer entstehen auf dem sonst gesperrten Gelände neue Fahrspuren, Mulden, Pfützen und Tümpel. Dort kann sich nun Regenwasser sammeln.

Außerdem wird der Boden zusammengedrückt. „Um die für einige spezialisierte Amphibien-, Libellen- und Kräuterarten wichtigen Kleingewässer zu erhalten, muss der Boden weiterhin regelmäßig verdichtet werden“, erklärt Lydia Nittel, Leiterin des Funktionsbereichs Naturschutz.

„Was auf den ersten Blick zerstörerisch wirkt, hat einen positiven Effekt auf das Vorkommen seltener Tier- und Pflanzenarten“, fügt sie hinzu. Als Beispiele nennt die Biologin die Kreuzkröte, die Torf-Mosaikjungfer und das Alpen-Laichkraut. Sie weiß, dass ohne Panzer-Einsatz „wertvolle Lebensräume verschwinden würden“, die über Jahrzehnte hinweg ein sicheres Dasein auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz hatten.

Ein Bergepanzer oder ein Kampfpanzer vom Typ Leopard 2, der vor 13 Jahren dort schon einmal unterwegs war, als Naturschutz-Vehikel? Ja, so paradox es klingt: Der jahrzehntelange militärische Übungsbetrieb auf dem Truppenübungsplatz Münsingen von 1895 bis 2005 war ein Gewinn für den Artenschutz.

Gewinn für den Artenschutz

Die natürlichen Prozesse wurden durch die intensive militärische Übungstätigkeit kaum gestört. Das machte das Münsinger Gelände zu einem Rückzugsgebiet für bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Ohne die Amtshilfe des Artilleriebataillons 295 müsste man „die Verschlechterung der Biotopstrukturen“ in Kauf nehmen, weiß Marco Reeck. Zwar stehe dem Bundesforst in Münsingen ein gepanzertes Mannschaftsfahrzeug zur Verfügung, dies sei aber nur sieben Tonnen schwer. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Kampfmittelbelastung kann die Bodenverdichtung nur mit einem stark gepanzerten Fahrzeug erledigt werden, erklärt Stabsfeldwebel außer Dienst Berni Dieter. Der 70-Jährige war 29 Jahre lang in Bundeswehruniform in Ulm und in Münsingen als Feuerwerker tätig und begleitet die Maßnahme mit seinen Fachkenntnissen.

Diese außergewöhnliche Biotop-Pflege mit dem „Büffel“ sei deshalb auch kein mediales und auch kein publikumswirksames Spektakel. Vielmehr ein naturschutzfachlich wichtiger Beitrag zum Erhalt der ökologischen Wertigkeit des ehemaligen Militärgeländes, freut sich Rebekka Schranz, Amtsleiterin des Kreisbauamts, das auch für den Naturschutz im Landkreis Reutlingen zuständig ist.

Auch Christoph Gayer von der Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb ist begeistert von diesem Projekt und will ein Monitoring der befahrenen Flächen auf den Weg bringen. Er weiß, dass vor allem die Kreuzkrötenpopulation durch die Wiederherstellung und den Erhalt geeigneter Laichgewässer gefördert werde.

Die Chance, dass dieser ungewöhnliche Bundeswehreinsatz für den Artenschutz keine Eintagsfliege war, ist groß, sagt der Kommandeur des Artilleriebataillons 295, Oberstleutnant Kevin Freudenberger. Für seine Soldaten stelle der ehemalige Truppenübungsplatz ein ausgezeichnetes Gelände für die militärische Fahrausbildung dar. Er erinnerte daran, dass sein Bataillon im kommenden März eine Patenschaft mit der ehemaligen Garnisonsgemeinde Münsingen eingehen werde. Da verstehe es sich von selbst, dass man gerne wiederkommt.