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Was treibt Landwirte auf die Straße?

Protest Nicht nur in der Region, sondern in ganz Deutschland machen Bauern auf ihre Situation aufmerksam. Es hapere nicht nur an der Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch an anderen Stellen. Von Debora Schreiber

Mit verschiedenen Protestaktionen machen Landwirte derzeit auf ihre Lage und Unzufriedenheit aufmerksam. Ein Teilerfolg ist bereits zu verzeichnen: Vergangenen Donnerstag gab die Bundesregierung bekannt, auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für Forst- und Landwirtschaft zu verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel werde nicht auf einmal vollzogen, stattdessen soll eine schrittweise Reduzierung erfolgen. Ist damit das Problem der Landwirte gelöst? „Nein, ist es nicht. Die Bundesregierung geht diesen Schritt trotzdem, die Konsequenzen treffen uns genauso – eben erst später“, sagt Siegfried Nägele, der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Esslingen.

Den Umstieg auf E-Mobilität, um den steigenden Kosten für den Agrardiesel zu entgehen, hält sein Bruder, Karl Nägele, der seinen Hof in Bissingen betreibt, nicht für möglich. „Die Maschinen, mit denen es funktionieren würde, gibt es einfach nicht.“ Das bestätigt auch Siegfried Nägele: „Man hätte gar nicht die Zeit, um seinen Mähdrescher während der Ernte mal eben für ein paar Stunden an die Wallbox zum Laden zu bringen.“ Die Leistung sei für die schwere Feldarbeit schlicht zu gering. 

 

Ideologische Vorstellungen und Auflagen ohne Ende nehmen jede Perspektive.
Siegfried Nägele
Landwirt

 

„Wir Bauern sind von der Natur, dem Wetter, den Tieren und Pflanzen, dem Fuhrpark und dann noch von Auflagen über Auflagen über Auflagen abhängig.“ Da könnten sie die Woche nicht etwa wie Fabrikarbeiter stundenmäßig takten. Man müsse warten, bis die Ernte reif ist – ist es aber so weit, müsse es schnell gehen, sonst könnten große Schäden entstehen. „Wir sind ja nicht zum Spaß nachts auf dem Feld, sondern weil die Zeitfenster, die man in der Landwirtschaft hat, sehr eng bemessen sind“, sagt Siegfried Nägele. 

„Bis in zwei, drei Jahren, wenn die Subventionen nach der neuen Erklärung der Regierung auslaufen, kann sich in der E-Mobilität nicht so viel geändert haben, dass die nötige Leistungsfähigkeit abrufbar ist“, sagt Karl Nägele. 

Nicht zu vergessen: Der neue Fuhrparkt muss auch bezahlt werden. „Das sind Investitionssummen, die erst mal aufgebracht werden müssen.“ Die Politik sagt uns, was sie gerne hätte, zieht sich dann aber raus: Unterstützung gibt es nicht“, sagt Siegfried Nägele. Ganz im Gegenteil: Immer wenn etwas gut umgesetzt würde – zack –, bekämen sie noch eins drauf. Die Landwirtschaft sei einer der wenigen Bereiche, denen es gelinge, die Klimaschutzziele zu erreichen, aber es kämen immer weitere Auflagen dazu, die für die Praxis nicht geeignet wären. „Es darf nur bis zum 30. September begrünt werden, wenn es davor das Wetter nicht zulässt und am 29. September eine Kuh den ganzen Tag kalbt, kann diese Frist nicht eingehalten werden“, mit diesem Beispiel verdeutlicht Siegried Nägele das Problem. „Wir Landwirte, wir stehen hinter der Natur, hinter den Tieren, hinter unseren Höfen. Wir engagieren uns für den Tier-, Natur- und Umweltschutz, aber das muss praktikabel sein. Ideologische, träumerische Vorstellungen und Auflagen ohne Ende nehmen den jungen Leuten jede Perspektive.“

Höhere Preise nicht durchsetzbar

Siegfried Nägele ist noch ein anderer Punkt wichtig: „Wenn wir die Preise um zehn Prozent erhöhen wollen, lachen uns Aldi, Lidl und Co. aus, dann besorgen sie ihre Produkte eben von anderen. Es gibt hier einen globalen Preis, das darf man nicht außer Acht lassen.“ Und auch die Bereitschaft der Gesellschaft, einen höheren Preis zu zahlen, sei in der aktuellen Situation nicht wirklich gegeben. „Wenn man durch die Fußgängerzone läuft und die Menschen fragt, wer dazu bereit ist, mehr Geld für hochwertige Produkte zu bezahlen, dann sagen 90 Prozent Ja, an der Kasse im Supermarkt sieht das dann aber völlig anders aus.“

Von der Politik wünschen sich die Landwirte praktikable und durchdachte Vorschriften, sodass der Beruf zukunftsfähig bleibt. „Uns ist es sehr wichtig, die Bürgerinnen und Bürger nicht zu verärgern. Wir protes­tieren friedlich und in demokratischer Form“, sagt Siegfried Nägele. Von jeglichen radikalen und extremistischen Gruppierungen, die die Aktionen unter Umständen kapern wollen, distanziert sich der Kreisbauernverband.