Kirchheim. „Es ist eine Katastrophe. So wenig Wasser hatten wir noch nie“, klagt Helmut Kapp. Der ehemalige Kirchheimer Stadtrat betreibt seit elf Jahren ein Wasserkraftwerk an der Lauter. Es produziert zu Spitzenzeiten schon mal 140 Kilowatt pro Stunde. Von solchen Werten ist Helmut Kapp derzeit aber meilenweit entfernt: „Dieses Jahr wird es wohl einen Minusrekord bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft geben“, prophezeit er. Gerade mal zwei bis drei Kilowatt pro Stunde gebe das Kraftwerk her. Grund dafür sind außerordentlich niedrige Niederschlagsmengen, wie Kapp mit einem Blick auf seine privaten Messungen belegt: „Im November sind in Nabern bisher zwei Liter Regen gefallen“, sagt er. Normal sind Werte zwischen 60 und 70 Liter im Monat.
„Der Herbst ist bis jetzt viel zu trocken“, sagt Clemens Steiner vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart. Gerade mal 36 Prozent der durchschnittlichen Niederschlagsmenge sei gefallen. „Aber auch der Rest des Jahres war zu trocken“, sagt er. Das Ganze ausschließlich mit einer Klimaverschiebung zu begründen, sei unwissenschaftlich. Aber: „Die Trockenheit und Hitze der vergangenen Jahre ist mehr als nur verdächtig.“
Wie trocken es ist, kann jeder selbst sehen. Viele kleinere Bäche in und um Kirchheim sind ausgetrocknet. Auch Lauter und Lindach plätschern nur noch vor sich hin. An offiziellen Messstellen in Kirchheim und Unterlenningen liegen die Pegel jedoch immer noch über den Niedrigstwerten. Die Lauter bei Wendlingen dagegen schreibt Rekorde. „Da sind wir schon im Bereich der Extreme“, sagt Dr. Bernhard Fischer vom Wasserwirtschaftsamt des Landkreises Esslingen. Größere Probleme bereitet die Trockenheit aus seiner Sicht allerdings nicht. „Das System wird zwar labiler“, weiß er. „Glück ist aber, dass die Temperaturen nicht so hoch sind.“ Dadurch halte sich der Sauerstoff recht gut im Wasser und der Algenwuchs bleibe im Rahmen.
Noch nicht versiegt sind die Kalkgrabenquelle und die Rotlehenquelle, die zu Lenningens Wasserversorgung beitragen. „Die Schüttung hat abgenommen“, weiß Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht. Bis jetzt reiche die Wassermenge jedoch noch aus. Und wenn einmal zu wenig Wasser komme, springe die Landeswasserversorgung als zweite Quelle ein.
Kein Geheimnis ist es, dass in vielen Wasserläufen rund um Kirchheim im Moment große Teile Klärwasser fließen. „Der Bodensee speist sozusagen unsere Bäche“, sagt Dr. Bernhard Fischer. Bedenklich ist das aus seiner Sicht nicht. „Früher hätten wir Güteprobleme bekommen, aber heute sind die meisten Kläranlagen so gut, dass das unproblematisch ist.“
Auch die Diplom-Landschaftsökologin Sarah Löber vom Büro am Fluss, der Geschäftsstelle der Aktion Lebendiger Necker, fürchtet keine dramatischen Folgen. „Durch den großen Anteil an Klärwasser kann es zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Wassers kommen, aber zu schwerwiegenden Schädigungen nicht“, sagt sie.
Aufmerksam, aber nicht allzu beunruhigt beobachten die Angler die Trockenheit. „Gefährdet sind die Fische in der Lauter noch nicht“, sagt Wasserwerksbesitzer Helmut Kapp, der auch Mitglied der Kirchheimer Fischer ist. Allerdings hätten es Fischräuber wie Graureiher und Kormorane leichter, an ihre Beute zu gelangen. „Wir setzen aber sowieso immer wieder Fische ein“, betont Kapp.
„Die Fische leben noch“, meldet Jochen Stüber, einer der Vorsitzenden des Angelvereins Kirchheim: „Aber sie könnten es schöner haben.“ An den Bürgerseen seien die Wasserstände ausgesprochen niedrig. „Das war zu dieser Jahreszeit noch nie so“, sagt er. Auch wenn bis jetzt alles glimpflich abgegangen sei: „Der See und die Fische brauchen frisches Wasser.“
Das ist jetzt in Sicht: Der Deutsche Wetterdienst meldet einen Wetterumschwung mit kalter Luft und kräftigen Niederschlägen ab Freitag.