Driving home for christmas“ säuselt es auch in diesem Jahr wieder im Radio rauf und runter. Doch mit der Leichtigkeit des Chris Rea Songs hat die Heimkehr zu Weihnachten auch im zweiten Coronawinter oft nicht viel gemein. Geht der Flieger überhaupt, und wie sieht es mit der Einreise oder einer Quarantäne aus? Das alles ist bei einer Familie in Notzingen, die sich an den Teckboten gewandt hat, geklärt, doch stellt sich ein anderes Problem: „Wie bekommt die japanische Freundin meines Sohnes einen QR-Code?“, fragt sich die Mutter. Die Freundin hat ein japanisches Impfzertifikat in Papierform, das auch in Englisch geschrieben ist. Geimpft wurde sie mit Moderna. „Digitale Impfnachweise gibt es in Japan nicht. Und wenn, würden sie hier ja auch nichts nützen, weil sie nicht ausgelesen werden können“, so die Notzingerin. Wer gegen Corona geimpft ist, muss das in Baden-Württemberg mit einem digitalen Covid-Zertifikat der EU in Form eines QR-Codes belegen. Das braucht es für eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, für das Betreten von Läden oder den Restaurantbesuch. Das mulmige Gefühl, ohne QR-Code unterwegs zu sein, hätte die Leserin der Freundin ihres Sohnes gerne erspart. Eine Nachfrage des Teckboten bei der Pressestelle des Sozialministeriums bringt Licht ins Dunkel: Personen aus Nicht-EU-Ländern benötigen demnach keinen digitalen Impfnachweis. „Das wurde in der Corona-Verordnung klar berücksichtigt“, betont der Pressesprecher. Ob das allerdings jedem, der die Nachweise kontrolliert, klar ist, steht auf einem anderen Blatt.
Während des Telefonats mit Adrian Goedeckemeyer bei dessen Zwischenstopp in München ertönte mehrfach die Durchsage, sich zum Flieger zu begeben. Für ein paar Tage ging es noch nach Berlin, bevor er an Weihnachten zu seinen Eltern nach Lenningen reist. Der 25-Jährige, der in San Francisco bei Google als Softwareentwickler arbeitet, rechnete damit, dass er als deutscher Staatsbürger problemlos einen QR-Code bekommt. Anders bei seiner ebenfalls in den USA geimpften und geboosterten chinesischen Freundin Qiqi: „Da machen wir uns noch Sorgen.“ Tags drauf erzählte er: In den ersten beiden Apotheken in Berlin bekam sie eine Absage. „Dort war Voraussetzung, dass sie EU-Bürgerin ist.“ Nach dem dritten Anlauf hielt sie das Papier mit dem QR-Code schließlich in den Händen. Einem Besuch im Humboldt Forum stand damit nichts mehr im Weg.
Das Problem, sich in Deutschland das digitale EU-Zertifikat zu besorgen, hatte Heike Schänzel nicht: Seit 32 Jahren lebt die Owenerin in Neuseeland. Sie besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. „Kurz vor der Ausreise habe ich einen QR-Code bekommen“, sagt sie. Bereits Mitte November ist die 55-Jährige in ihrem Elternhaus im Städtle unter der Teck angekommen. Mancher wird das einstige Ski-Ass, das bei Rennen des Schwäbischen Skiverbands von sich reden machte, unter ihrem Mädchennamen Heike Schmid kennen.
Wegen der Pandemie hat sie ihre 86-jährige Mutter zweieinhalb Jahre nicht gesehen. Das Aufatmen ist spürbar, dass es jetzt endlich wieder geklappt hat. Vor Corona konnte die Akademikerin, die an der „University of Technology“ in Auckland Tourismus lehrt, beruflich fast jedes Jahr nach Deutschland fliegen. Doch ausgerechnet jetzt, wo sie ein sechsmonatiges Sabbatical eingelegt hat, durchkreuzte die Pandemie ihre eigentlichen Reisepläne. „Das ist schon frustrierend“, sagt die 55-Jährige. Ihre drei Kinder sind erwachsen. Erstmals hatte sie einen großen Trip in die Skigebiete der Südinsel Neuseelands geplant. Stattdessen ist sie nun von Owen nach Oberjoch gereist, um ein paar Skitage im Allgäu zu verbringen.
Die Grenzen sind dicht
„Bei uns sind seit März 2020 die Grenzen zu“, erzählt Heike Schänzel. Was sie anfangs begrüßte, ziehe sich inzwischen viel zu lange hin. Nach vier Monaten sei diese Woche wenigstens der wegen der Delta-Variante verhängte Lockdown in Auckland aufgehoben worden. Vereitelt „Omikron“ die Pläne nicht, stehen in dem Pazifikstaat im neuen Jahr auch bei Reisen Lockerungen ins Haus.
Ausnahmen gibt es schon jetzt etwa für neuseeländische Staatsbürger. „Die Uni hat mir den Flug nach Deutschland aber nur zugestanden, wenn ich bei meiner Rückkehr einen Platz in einem Quarantänehotel habe“, erklärt die einstige Schülerin des Schlossgymnasiums. Der Aufenthalt in dem Hotel ist nicht nur kostenpflichtig, für sie schließt sich auch eine dreitägige Quarantäne zu Hause an. Von fünf Millionen Neuseeländern leben fast eine Million außerhalb des Landes. Andere haben wie sie ihre Familien überall auf der Welt. In den Quarantänehotels gibt es lediglich 3000 Plätze. Einen davon zu ergattern gleicht einem Lotteriespiel. „Als ich mich das erste Mal eingecheckt habe, war ich auf Platz 25 000“, sagt sie. Nach weiteren Versuchen war es plötzlich Platz 223. „Da durfte ich das Land verlassen.“ Teils hätten Leute ihre Partner zwei Jahre nicht gesehen. „Es spielen sich richtige Dramen ab.“
Die Impfkampagne wurde in Neuseeland spät gestartet, doch sind jetzt 90 Prozent der über Zwölfjährigen doppelt geimpft. Erreicht worden sei das mit dem Druck des Staates, das Land andernfalls nicht wieder zu öffnen. „Man lässt sich für die Gesellschaft impfen“, so Heike Schänzel. Sie startet am 27. Dezember wieder gen Heimat. Doch zuvor feiert die 55-Jährige erstmals seit zehn Jahren Weihnachten im Kreis ihrer Familie in Deutschland.
Apotheker auch in Kirchheim werden mit Anfragen von Menschen aus Nicht-EU-Ländern konfrontiert. Gertrud Specker von der Kirchheimer Adler-Apotheke, in der täglich rund 100 bis 150 digitale Covid-Impfzertifikate ausgestellt werden, hatte etwa den Fall eines Au-pair-Mädchens aus Osteuropa und die Anfrage eines US-Bürgers.
Die Ausstellung des Zertifikats ist nicht verpflichtend
Eine Verpflichtung zur Ausstellung eines digitalen Impfzertifikats für Personen, die in Nicht-EU-Mitgliedstaaten geimpft wurden, gibt es für Apotheker nicht. Das teilt die Pressestelle der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg auf Anfrage mit.
Das Ausstellen sei möglich nach besonders sorgfältiger Prüfung der Echtheit der Dokumente und der Plausibilität des Antrags, wenn ein vollständiger und authentischer Impfnachweis vorgelegt wird, die Person in Deutschland krankenversichert ist, beziehungsweise ihren Wohnsitz in Deutschland hat oder dauerhaft hier lebt und der Covid-19-Impfstoff in der EU zugelassen oder aber einem solchen gleichgestellt ist. ank