Weilheim · Lenningen · Umland
Wenn der Rettungseinsatz zur Belastung wird

Psyche Feuerwehrleute können bei ihrer Arbeit mit schrecklichen Situationen konfrontiert werden. Ein engmaschiges Betreuungsnetz hilft den Einsatzkräften, die Erlebnisse besser zu verarbeiten. Von Daniela Haußmann

Der Alarm geht los. Jochen Mendl von der Lenninger Feuerwehr eilt zum Einsatz. Mit dem Löschfahrzeug geht es zu einem brennenden Haus mitten im Ortsteil Hochwang. Als die Rettungskräfte eintreffen, steigt schon eine dichte, von den Flammen erleuchtete Rauchwolke über dem Dach auf. Mendl ist einer der Ersten, die unter Hochdruck in Fluren und Räumen nach Vermissten suchen. Doch erst als der Brand gelöscht ist und sich der Qualm verzogen hat, entdeckt der Helfer eine vom Feuer völlig entstellte Leiche. Ein Mann, der schon vor Eintreffen der Feuerwehr tot war. Ein Bild, das Jochen Mendl seit fast 35 Jahren begleitet, denn damals stand er noch ganz am Anfang seines Feuerwehrlebens. Mit einer solchen Situation war er bis dahin noch nie konfrontiert gewesen.

Schuldfragen tauchen auf 

Heute ist der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Lenningen um viele Erfahrungen reicher. Das hilft ihm, mit psychologisch belastenden Ereignissen wie Sterben, Tod und Leid umzugehen. „Nach Einsätzen kann es passieren, dass Fragen nach einer potenziellen Schuld auftauchen und man zweifelt, alles richtig gemacht zu haben.“ Deswegen findet er es wichtig, dass Führungskräfte nach der Rückkehr ins Gerätehaus ein Feedback geben. Sich erst einmal zu vergegenwärtigen, was alles funktioniert hat, kann zur psychologischen Entlastung beitragen. Sind bei Löscharbeiten oder technischen Hilfeleistungen Dinge suboptimal gelaufen, muss auch das laut Jochen Mendl thematisiert werden. Das helfe, aus einer Situation zu lernen und etwa Versagensängsten oder Selbstzweifeln vorzubeugen. Jeder Einsatz führe zu mehr Kompetenz und Sicherheit.

Offen mit nahestehenden und vertrauenswürdigen Personen über Belastungen zu reden ist deshalb das A und O, wie Lucy Bender von der Jesinger Feuerwehr-Abteilung berichtet. Nach dem Einsatz Gespräche zu führen, ist aus ihrer Sicht eine Methode um beispielsweise Stress abzubauen, Emotio-nen zuzulassen, Erlebtes zu reflektieren und in Worte zu fassen. Das helfe, Gedanken und Bilder einzuordnen und zu verarbeiten. Laut dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe treten psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder eine Posttraumatische Belastungsstörung unter Feuerwehrleuten selten auf. Das liegt laut Bender auch daran, dass heutzutage eine generelle Prävention Teil der Ausbildung, aber auch des normalen Einsatz- und Übungsalltages ist und nicht erst bei Extremereignissen greift.

Jeder verarbeitet Erlebnisse anders

Die Rettungskräfte sind sensibilisiert, auf ihre physische und psychische Gesundheit zu achten, im Bedarfsfall Kollegen oder speziell geschulte Einsatznachsorge-Teams vom DRK um Unterstützung zu bitten, wie Sören Schäfer betont. Der Jesinger Kommandant sagt aber auch: „Jeder empfindet Stress und Belastungen anders. Ein traumatisches Ereignis führt deshalb nicht automatisch zu einer Traumatisierung.“ Weder in Lenningen noch in Jesingen sind bislang Feuerwehrleute aus psychischen Gründen aus dem Ehrenamt ausgeschieden. Und das, obwohl in Lenningen bei etwa 70 Prozent der Alarmierungen Menschen betroffen sind, zu denen die Hilfskräfte einen persönlichen Bezug haben. „Bis auf die Führungskräfte können sich betroffene Einsatzkräfte in solchen Fällen aus dem direkten Einsatzgeschehen auch herausnehmen“, sagt Jochen Mendl. Bei Bedarf sucht er das Gespräch mit betroffenen Familien, um über das Geschehene zu sprechen. Auch sie haben laut dem Kommandanten die Möglichkeit sich an die Einsatznachsorge-Teams zu wenden.