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Wenn der Schulabschluss immer näher rückt

Bewerbungsgespräch In der Raunerschule lernen die Schüler der Kooperationsklassen, worauf es wirklich bei der Vorstellung in einem Betrieb ankommt. Von Melissa Seitz

Bei Karols erstem Bewerbungsgespräch heißt es gerade sitzen, freundlich sein und den Arbeitgeber überzeugen.Foto: Carsten Riedl
Bei Karols erstem Bewerbungsgespräch heißt es gerade sitzen, freundlich sein und den Arbeitgeber überzeugen.Foto: Carsten Riedl

Izras Bewerbungsmappe liegt schon auf dem Tisch von Bettina Schmauder, der Chefin des gleichnamigen Autohauses. Izra will Zahnmedizinische Fachangestellte werden. Doch Moment – Was hat das Autohaus mit Zahnmedizin zu tun? Eigentlich nichts, aber heute ist alles gespielt, zumindest fast. An der Raunerschule findet der Bewerbertag statt. Das heißt: Zehn Bildungspartner trainieren die Schüler der Kooperationsklassen in nachgestellten Bewerbungsgesprächen für ihre Traum-Ausbildung. Wer denkt, diese Gespräche sind doch nur Kindergarten, der täuscht sich. Sie entsprechen voll und ganz der Realität.

Izra weiß schon wie es geht, denn sie hatte schon einmal ein Bewerbungsgespräch an diesem Tag. Sie wartet bis Bettina Schmauder sie bittet, Platz zu nehmen. Nicht nur für Izra ist das eine ungewöhnliche Situation. Auch Bettina Schmauder musste zuvor erst einmal recherchieren: „Ich komme ja nicht aus der Zahnmedizin. Zum Glück haben wir zuvor Izras Bewerbungsunterlagen erhalten, so konnte ich mich informieren.“ Die Bewerbungsunterlagen haben die Schüler mit Christel Reichle zusammen erstellt. Die Lehrerin ist die treibende Kraft des Bewerbertages, denn sie hat ihn ins Leben gerufen.

Im Bewerbungsgespräch mit Bettina Schmauder wird klar: Izra kann punkten. Den ersten Platz beim Preis der Wirtschaft hat sie zusammen mit ihrer Klasse gewonnen, ihr Zeugnis ist gut und ein Praktikum in dem Betrieb, in dem sie sich bewirbt, kann sie auch vorweisen. „Wa­rum willst du diesen Beruf lernen?“, fragt Bettina Schmauder. Ohne groß zu überlegen sagt Izra: „Weil man immer in Bewegung ist, mit Menschen in Kontakt kommt und Hand in Hand arbeitet.“ Wäre das Autohaus Schmauder eine Zahnarztpraxis, würde Izra in den Herbstferien dort arbeiten. „Ich bespreche das noch mal mit meinem Chef, aber ich denke du könntest in den Ferien eine Woche bei uns arbeiten“, sagt Bettina Schmauder in ihrer Rolle als Mitarbeiterin einer Zahnarztpraxis.

Im Nebengebäude sitzt Karol auf dem heißen Stuhl. Ursula Schock von der BTS-Spedition hat seine Bewerbung bereits erhalten. Aber Karol bewirbt sich nicht als Speditionskaufmann, sondern als Kfz-Mechatroniker. Der Junge aus Polen hat auch schon ein Praktikum in diesem Beruf gemacht: „Ich habe gelernt, wie man Farbe mischt, den Lack abschleift oder die Materialien putzt.“ Wenn der Schüler von seiner Traum-Ausbildung spricht, ist seine Leidenschaft zu spüren. Nicht nur davon ist Ursula Schock begeistert, sondern auch von Karols guten Deutschkenntnissen: „Du bist ja erst seit 2012 in Deutschland und beherrschst unsere Sprache schon so gut. Respekt!“ Aber einen Minuspunkt muss sie dennoch vergeben: Karol weiß nicht wirklich viel über den Betrieb. „Du musst dich im Voraus im Internet informieren. Es kommt nicht gut an, wenn man nichts über den Betrieb weiß, in dem man arbeiten will“, klärt Ursula Schock Karol auf.

Christa Reichles Ziel, die Schüler von Bewerbungsgespräch zu Bewerbungsgespräch mit neuen Tipps und Tricks auszustatten, ist offensichtlich erreicht. Karol gesteht im anschließenden Feedback, dass sein erstes Gespräch gar nicht gut lief. „Ich habe aber versucht, es jetzt besser zu machen“, sagt der Schüler. Das hat auch Ursula Schock gemerkt: „Du hast Blickkontakt gehalten, warst freundlich, und hast ein super Erscheinungsbild.“ Auch Karol hätte den Ausbildungsplatz sicher, wäre die Spedition ein Autohaus.

Was an diesem Tag klar wird: Es geht nicht darum, den Job zu bekommen, sondern darum, aus den Gesprächen zu lernen. Christel Reichle erklärt: „Durch das Feedback lernen die Schüler, ob sie sich gut verhalten haben und was sie eventuell besser machen können.“ Nun ist wohl allen klar, dass bei einem Bewerbungsgespräch die kleinsten Kleinigkeiten wichtig sind.