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Wenn Spenden zum Problem werden

Altkleider Im Zuge der Coronakrise platzen Sammelcontainer aus allen Nähten, was zu überfüllten Lagerhallen führt. Der Branche droht der Kollaps. Von Peter Eidemüller

Kein schöner Anblick und für die Sammler ein Problem: Weil die Container corona-bedingt überfüllt sind, lassen die Menschen ihre
Kein schöner Anblick und für die Sammler ein Problem: Weil die Container corona-bedingt überfüllt sind, lassen die Menschen ihre Altkleiderspenden in Säcken und Tüten vor Ort. Foto: Carsten Riedl

Die Coronakrise droht zur Altkleiderkrise zu werden: Seit Beginn der Pandemie quellen die Container über, die Sammler kommen mit dem Leeren nicht nach, und die Lager der Verwertungsfirmen platzen aus allen Nähten. Kein Wunder also, dass Experten Alarm schlagen: „Hier droht eine ganze Branche zusammenzubrechen“, sagt Thomas Ahlmann vom Dachverband „Fairwertung“, dem bundesweit mehr als 120 Organisationen und Gruppen angehören, die seit Anfang März allesamt die gleiche Erfahrung machen: „Die Menge der Kleiderspenden hat sich deutlich erhöht“, sagt Ahlmann.

Beispiel Kirchheim: Hier stehen insgesamt neun Container der „Aktion Hoffnung“, kirchliche Hilfsorganisation der Diözese Rottenburg-Stuttgart und örtlicher Partner von „Fairwertung“. Obwohl die Sammelrhythmen stellenweise erhöht wurden, sind die Container seit Beginn der Coronakrise regelmäßig überfüllt. Dass die Menschen ihre Kleider dann einfach in Säcke und Tüten verpackt abstellen, verschärft die Problematik. „Alles, was nass und dreckig wird, kann nicht weiterverwertet werden und muss vom jeweiligen Sammler auf eigene Kosten entsorgt werden“, sagt Jochen Mack, Sprecher der „Aktion Hoffnung“. Kaum zufällig appelliert seine Organisation, dass Kleiderspenden möglichst zu Hause gelagert und erst nach Ende der Krise eingeworfen werden sollen.

Aus gutem Grund: Die weiterverarbeitenden Firmen sind längst an der Kapazitätsgrenze angekommen. „Aktuell suchen wir nach neuen Lagermöglichkeiten“, bestätigt Martin Steck, Sprecher des Textilunternehmens Glaeser in Ulm, dem in Zeiten der Krise die Abnehmer auszugehen drohen: Exporte nach Osteuropa oder Afrika sind aktuell nicht möglich, was zu Rückstau in den Lagerhallen führt. „Der internationale Markt ist zwar immer Schwankungen unterworfen“, sagt Steck, „aber so schlimm war es noch nie.“

Sollte sich die Krise weiter zuspitzen, könnten die Folgen dramatisch sein. „Im allerschlimms­ten Fall müssten Kleiderspenden weggeschmissen werden“, unkt Thomas Ahlmann von „Fairverwertung“, der sich für den Worst Case Unterstützung der kommunalen Abfallbetriebe wünschen würde. „Wir sind der einzige Entsorgungsbereich, der für den Bürger kostenlos ist. Wenn es keine Container oder Sammlungen geben würde, müssten die Menschen Altkleider in der normalen Mülltonne entsorgen.“

Ein bisschen entspannter sieht es Textilverwerter Martin Steck: „Wir sehen in der Krise auch die Chance, dass unseriöse Anbieter vom Markt verschwinden.“ Die gibt es auch unabhängig von Corona in großer Zahl. Container stehen ohne Genehmigung häufig auf Grünstreifen, Parkplätzen oder unbebauten Grundstücken. In der Regel sind keine nachprüfbaren Kontaktdaten angegeben. Seriöse Sammler geben sich aber immer mit vollständigen Kontaktdaten zu erkennen und sind für Rückfragen zu erreichen.

Karitative Einrichtungen setzen auf Profis

Eine Million Tonnen Altkleider wird in Deutschland jedes Jahr in Container oder Sammlungen gegeben. Diese Menge füllt 62 000 Lkw, die eine Schlange von Flensburg bis Innsbruck ergeben würden.

Sammelfirmen sortieren die Altkleider von Hand nach bis zu 250 Kategorien. Fünf Prozent sind Schuhe, weitere 35 Prozent werden wieder zu Kleidern verschiedener Qualitätsstufen, 25 Prozent zu anderen Recyc­lingprodukten. Jeweils 15 Prozent werden zu Putzlappen oder wandern in den Abfall.

Erfassung, Aufbereitung, Sortierung und Vermarktung von Altkleidern ist personal- und kostenintensiv und erfordert ein Containernetz, Fuhrpark, Sortieranlagen und Lagerfläche. Deshalb setzen viele karitative Organisationen auf professionelle Unterstützung von Textilrecyclingbetrieben. Die Vermarktung der Textilien ermöglicht es ihnen, eine Sachspende in Geld umzuwandeln und für ihre jeweiligen gemeinnützigen Projekte zu verwenden. pet