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„Wer grün denkt, sollte grün bauen"

Der Kirchheimer Unternehmer Walter Feess gewinnt Rohstoffe mittels seiner Bodenwaschanlage

Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit sind elementare Grundpfeiler der modernen Industriegesellschaft. Umso wichtiger ist es, bei der Herstellung von Produkten die Ökobilanz einzubeziehen – gerade mit Blick auf Baustoffe. Denn Bau- und Abbruchabfälle stellen deutschlandweit den größten Abfallstrom dar.

Walter Feess hat sich dem Qualitäts-Recycling verschrieben und blickt zufrieden auf seine moderne Recyclinganlage im Kirchheimer
Walter Feess hat sich dem Qualitäts-Recycling verschrieben und blickt zufrieden auf seine moderne Recyclinganlage im Kirchheimer Kruichling.Fotos. Daniela Haussmann

Daniela Haussmann

Kirchheim. Von mehr als 380,5 Millionen Tonnen Abfällen die im Bundesgebiet 2012 produziert wurden, entfielen nach Angaben von Destatis ungefähr 199,3 Millionen Tonnen auf Bau- und Abbruchabfälle. In Baden-Württemberg wurden 2013 laut Statistischem Landesamt rund 45,5 Millionen Tonnen an Abfällen produziert, davon entfielen etwa 35,5 Millionen Tonnen auf Bau- und Abbruchabfälle. Mit über 23 Millionen Tonnen machte der Bodenaushub, der aus Erde und Steinen besteht, im Jahr 2012 fast zwei Drittel der Gesamtmenge an Bau- und Abbruchabfällen aus.

Der Bausektor gehört in Deutschland zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren. Der Gesamtbestand an Bauwerken ist mit rund 50 Milliarden Tonnen inzwischen ein bedeutendes, menschengemachtes Rohstofflager, das nach Nutzungsende wieder dem ­Recycling zugeführt werden kann und muss. Eine ­Ansicht, die Walter Feess teilt.

Der Inhaber von Feess Erdbau in Kirchheim betont, dass sich private Häuslebauer, Unternehmen, Architekten, aber auch die öffentliche Hand als größter Bauherr angesichts der Zahlen stärker Gedanken darüber machen sollten, ob bei Bauvorhaben tatsächlich immer Primärrohstoffe zum Einsatz kommen müssen, die in Abbaustätten quer durchs Land gewonnen werden. Seit Oktober steht auf seinem Recyclinghof der bundesweit einzige Prototyp einer Bodenwaschanlage, die Feess in Kooperation mit dem irischen Recycling-Anlagenbauer CDE Global sukzessive weiterentwickelt.

Mit der Waschanlage lassen sich aus steinigem Erdaushub, der bislang noch immer auf Deponien verfüllt wird, wertvolle Rohstoffe rückgewinnen und einer Wiederverwertung zuführen. „300 Kubikmeter Wasser die stündlich in einem Wasserkreislauf durch die Anlage fließen sorgen in einem aufwendigen Verfahren dafür, dass viele Tonnen Kies und Schotter aus dem Bodenmaterial herausgelöst werden“, erklärt Feess. „Mit dem Gestein lassen sich zum Beispiel erneut Straßen und Tunnel bauen, private Steingärten gestalten oder Recycling-Beton herstellen.“

Der überzeugte Botschafter des Qualitäts-Recyclings betont, dass jede Tonne Gesteinsmaterial, die nicht verfüllt wird, knappen Deponieraum spart und den Abbau von Primärrohstoffen in Steinbrüchen, Kies- und Sandgruben minimiert. „Ganz werden sich Primärrohstoffe nie durch Sekundärrohstoffe ersetzen lassen“, so Walter Feess. „Gerade deshalb ist es wichtig, Recycling-Baustoffe gezielt als Baustoff zu verwenden, damit sich der Landschaftsverbrauch verringern lässt und bestehende Abbauflächen länger ohne Erweiterung oder Neuauflassung auskommen.“ Schließlich seien auch im Gesteinsbereich alle Rohstoffe endlich.

Gleichzeitig lassen sich durch die Rückgewinnung von Kies und Schotter aus Bodenmaterial durch kürzere Entfernungen zur Recyclinganlage Kraftstoffe einsparen und der CO2-Ausstoß reduzieren. „Der Mülltourismus wird deutlich verringert", sagt Feess. Konkret bedeutet dies, dass sein Unternehmen jährlich eine Transportstrecke von 736 000 Kilometern spart. Durch die Verwertung der Stoffe vor Ort werden damit 972 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. „Das entspricht circa 324 Kubikmeter Diesel", so Feess. „Anders ausgedrückt: Jährlich lässt sich über die Bodenwaschanlage der Heizölverbrauch von 1 080 Einfamilienhäusern in der Passivbauweise einsparen.“

Wer heute ein Bauvorhaben realisiert sollte sich Walter Feess zufolge bewusst machen, dass jedes Bauwerk einen ökologischen Rucksack trägt. Bei der Gewinnung, Herstellung, dem Transport, der Weiterverarbeitung und der Entsorgung von Baustoffen werden fossile Brennstoffe und Energie verbraucht sowie Emissionen erzeugt, die einen nachhaltigen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. „Dieser lässt sich durch den Einsatz von Recycling-Material bei Bauvorhaben deutlich minimieren", so Feess weiter. „Wer grün denkt, sollte daher auch grün bauen."

Die Einsparpotenziale vergrößern sich weiter, da Bebauungen auf der grünen Wiese kaum noch genehmigt werden. Deshalb und bedingt durch die verstärkte Instandsetzung der Infrastruktur nimmt, laut Walter Feess, der Anteil der Bau- und Abbruchabfälle weiter zu.

Walter Feess hat sich dem Qualitäts-Recycling verschrieben und blickt zufrieden auf seine moderne Recyclinganlage im Kirchheimer
Walter Feess hat sich dem Qualitäts-Recycling verschrieben und blickt zufrieden auf seine moderne Recyclinganlage im Kirchheimer Kruichling.Fotos. Daniela Haussmann

Nachhaltig bauenKommentar

Ob Obst, Gemüse oder Fleisch – Regionalität und Nachhaltigkeit liegen bei Lebensmitteln im Fokus der Verbraucher. Doch was bei Gütern des täglichen Bedarfs gilt, scheint noch lange nicht für Recyclingbaustoffe zu gelten. Trotz hohem Bewusstsein für Umwelt-, Klima- und Landschaftsschutz fehlt es in punkto Recyclingbaustoffe an Akzeptanz und Nachfrage. Und das obwohl Tag für Tag mit Themen wie Müllvermeidung, Elektroautos oder alternativen Energien das hohe Lied auf den schonenden Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen angestimmt wird.

Gerade deshalb wäre es logisch, Nachhaltigkeit bei Bauvorhaben zu praktizieren – vor allem mit Blick auf die Tatsache, dass Erdaushub und Bauschutt mengenmäßig den größten Abfallstrom darstellen. Obwohl das baden-württembergische Umweltministerium, die Landesanstalt für Umweltschutz und Prüfinstitute gemeinsam mit Vertretern das Qualitätssicherungssystem Recyclingbaustoffe Baden-Württemberg ins Leben gerufen haben, fehlt es an Vertrauen in den neuen Wertstoff. Dabei müssen QRB-Mitgliedsbetriebe, die Käufer auf der Homepage des Vereins finden, Auflagen erfüllen und Produkteigenschaften garantieren, die Prüfinstitute in der Fremdüberwachung umfassend kontrollieren.

Ganz werden sich Primärrohstoffe nie durch Sekundärrohstoffe ersetzen lassen. Rund 80 Prozent der Baustoffe werden auch künftig aus Steinbrüchen, Kies- und Sandgruben kommen. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Potenziale zu nutzen und sich zu fragen, welchen ökologischen Rucksack das Haus, in dem man wohnt, trägt und ob sich dieser nicht durch den Einsatz von Recyclingmaterial als Bau- und Zuschlagsstoff verkleinern lässt.

Daniela Haußmann