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Wie „eine kalte Dusche“

Erklärung Die Dettinger Gemeinderätin Yvonne Thillmann brachte ihre Erschütterung über die Umgangsformen im Gremium zum Ausdruck. Sie wünscht sich, nicht in die Ecke gestellt zu werden. Von Iris Häfner

Bei den Sitzungen im Dettinger Gemeinderat geht es nicht immer so ruhig zu wie auf dem Rathausplatz. Foto: Carsten Riedl
Bei den Sitzungen im Dettinger Gemeinderat geht es nicht immer so ruhig zu wie auf dem Rathausplatz. Foto: Carsten Riedl

Es war die letzte Sitzung des Dettinger Gemeinderats in diesem Jahr. Es schien alles gesagt zu sein, beim Tagesordnungspunkt Verschiedenes wurde die Jahresabschlussrede von Andreas Hummel erwartet. Doch dann kam es anders. „Es ist meine fünfte Sitzung - und ich möchte hier und heute meine Erschütterung zum Ausdruck bringen“, sagte Yvonne Tillmann. Sie war im Sommer für Jonas Kenner in das Gremium nachgerückt. „In keiner Weise ging es mir um Provokation oder Diffamierung, ich hoffe, das ist mit der Art und Weise, wie ich es vorgetragen habe und mit der Wahl meiner Worte, deutlich geworden“, erklärte sie am Tag danach.

Ihre Worte in der Sitzung waren klar: „Ich nehme hier in den Sitzungen ein Klima wahr, wenn auch nicht unbedingt heute, dass, und ich zitiere an dieser Stelle aus der vergangenen Sitzung, sich Einzelne in ‚die Ecke gestellt‘ fühlen, mich eingeschlossen.“ In dieser Sitzung war es darum gegangen, eine große und schwerwiegende Entscheidung zu treffen - die Fortschreibung des Flächennutzungsplans und damit das 42 Hektar große Gewerbegebiet neben der Autobahn. „Ich konnte beobachten, wenn sich hier jemand für das Projekt ausgesprochen hatte und pro argumentierte, hatte diese Person keine Restriktionen zu erwarten. Im Gegensatz dazu, wenn sich hier jemand kritisch äußerte und diese Kritik vielleicht nicht ganz so professionell darstellte, wie Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, das für sich in Anspruch nehmen, dann konnte man sich, ich nenne es jetzt mal so, auf eine ‚kalte Dusche‘ gefasst machen. Für die Überleitung in die, wie ich sie hier nenne, ‚kalte Dusche‘ wurden verschiedene Redewendungen sehr eindringlich herangezogen.“

"Es gibt nicht nur eine Wahrheit"

Yvonne Thillmann zitierte: „Bleiben wir doch bei der Wahrheit.“ Auch wenn nicht ausgesprochen, so impliziere diese Wortwahl eindeutig, dass bisher wohl nicht bei der Wahrheit geblieben worden sei. „Wahrheit ist ein großes Wort. Was ist die Wahrheit?“, fragte sie in die Runde und zitierte den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: „Keiner darf für sich den Besitz der Wahrheit beanspruchen, sonst wäre er unfähig zu Kompromiss und überhaupt zu Zusammenleben.“ Es gebe nicht nur die eine Wahrheit und schon gar nicht eine, die mit dem Wort „Fakten“ allein abzugleichen oder festzulegen sei. „Jedes faktenbasierte Argument trägt von Natur aus ein Für und auch ein Wider in sich“, erklärte Yvonne Thillmann. Sie machte deutlich, dass die Gemeinderäte von den Bürgern Dettingens gewählt, ehrenamtlich tätig und nicht unbedingt vom Fach sind.

„Wenn hier nun jemand seine Meinung zur Sache äußerte, die sie oder er sich über die uns zur Verfügung gestellten Unterlagen erarbeitet hatte - dazu möchte ich anmerken, dass das in der letzten Sitzung mehr als 250 Seiten waren - dann ist es meiner Ansicht nach eine Unart, dass diese Meinung mit einer ideologischen Haltung gleichgesetzt wird, was ja so viel bedeutet, wie schwärmerisch weltfremden Theorien anzuhängen, um damit dieser Meinung den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das ist uns gegenüber nicht zumutbar“, fand sie deutliche Worte. Sie wünscht sich, dass es in den Sitzungen möglich wird, auch Dinge äußern zu können, wie: „Mir persönlich und vermutlich auch vielen Dettingern blutet das Herz, wenn ich vom Hohenbol aus auf Dettingen hinunterschaue und mir die ausgewiesenen, potenziellen Bauflächen bebaut vorstelle.“

Forciert werden sollte, andere Wege anzudenken, ohne zusätzlichen Flächenverbrauch. Aus Sicht von Yvonne Thillmann eine Herausforderung und gleichzeitig ein klarer Auftrag an die Wirtschaft. „Aber allein die Ausschreibung und die Genehmigung eines solchen Vorhaltestandortes, die ja 2009 bereits mit der Machbarkeitsstudie ausgewiesen wurde, allerdings zu einem Zeitpunkt als der Begriff des Klimawandels noch nicht so geläufig war, schafft erst den Raum dafür.“ Dies möchte sie äußern dürfen, ohne in eine ideologische oder auch andere Ecke gestellt zu werden.

„Eine Gesprächskultur, die in die Ecke stellt, die einen in die Ecke drängt, schüchtert ein, schafft Unbehagen bis hin zu Angst, die einer freien demokratischen Entscheidungsfindung im Wege steht. Was es braucht, ist eine Rhetorik, die wertschätzt, wohlwollend ausgerichtet ist und mit Respekt den Menschen und ihren Argumenten gegenübertritt, was im Übrigen auch im Vorwort des Verwaltungsleitbilds abgebildet ist. - Ich bitte, dies als Impuls mitzunehmen“, schloss Yvonne Thillmann ihre Erklärung.