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Wie geht’s den Echsen im neuen Heim?

Neubaustrecke Bei einem Besuch am neuen Wohnort der umgesiedelten Zauneidechsen in Kirchheim zeigten sich einige Tiere. Der Erfolg der Aktion ist allerdings frühestens in drei Jahren einschätzbar. Von Sylvia Gierlichs

Symbolbild

Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und die Zauneidechsen - ein leidiges Thema. Im Frühjahr begann die von der Projektgesellschaft beauftragte Firma mit der Absammlung der Tiere vor den Toren Wendlingens. Ein zweites Mal waren die Mitarbeiter mit ihren Fangruten ab Ende Juli unterwegs. Die spannende Frage: Sind im neuen Habitat in Kirchheim Tiere zu sehen?

Die Umsiedlung von Zauneidechsen ist eine heikle Angelegenheit. Eingefangen und in einem Plastikbehältnis in eine ihnen fremde Umgebung gebracht zu werden, setzt die Tiere enorm unter Stress. Keine günstigen Voraussetzungen für die Echsen, sich im neuen Zuhause gut einzuleben. Der Stress, schnell Futter finden zu müssen, führt zudem dazu, dass sich die Tiere länger als im Ursprungshabitat gut sichtbar auf dem neuen Gelände bewegen. Ein gefundenes Fressen also für die Feinde der Echsen, wie beispielsweise Marder, Greifvögel, Füchse und Katzen. Denn die Eidechsen kennen ja mögliche vorhandene Verstecke nicht, in die sie sich vor Beutegreifern flüchten könnten Dennoch, die Umsiedlung wurde genehmigt, das Eisenbahnbundesamt hat der notwendigen Planänderung nach etlichen Monaten der Prüfung seinen Segen gegeben. Ein neues Wohngebiet für die Tiere wurde in Kirchheim angelegt. Auf einer Wiese, die einst eine Pferdekoppel war und bei Beginn der Umsiedlungsaktion auch so aussah. Eine Fettwiese, dicht- und hochwüchsig. Mit leicht zu grabenden Erdwällen aus Lehm, die Kalksteinschüttungen und Sandlinsen umschließen, wurde das neue Habitat ausgestattet. In den Sandlinsen und Erdwällen vergraben die Tiere ihre Eier.

Was sofort auffiel: Mäusebussarde umkreisten die Wiesen. Ein klares Zeichen dafür, dass die Greifvögel sich ein Festessen erhofften, denn die Eidechsen stehen auf ihrem Speisezettel. Ein Biologe, der die Umsiedlung für die Projektgesellschaft begleitet, zuckte mit den Schultern: „Das gehört für die Tiere zum normalen Lebensrisiko“, sagte er. Indes fragt man sich, welchen Sinn es macht, Tiere an einem Ort einzusammeln und sie dann am neuen Wohnort den Beutegreifern zu überlassen - ohne Chance, sich auf dem neuen Gelände orientieren zu können. Die renommierte Reptilienexpertin Ina Blanke beispielsweise empfiehlt in solchen Fällen, die Wiese mit einem Maschendraht abzudecken.

Bei einem Besuch des Ersatzhabitats in Kirchheim Anfang Oktober, fielen dem Eidechsenexperten Guntram Deichsel sofort die Steinhaufen aus hellem Jurakalk auf. „Besser wäre dunkles Gestein, es heizt sich besser auf“, sagt er. Die Steinhaufen dienen den wechselwarmen Echsen im Frühjahr und Sommer als Plätze für Sonnenbäder.

Auch die Sandlinsen, die neben den Steinhaufen angelegt sind und nach Auskunft der Projektgesellschaft aus gewaschenem Flusssand bestehen, hält Deichsel für zu locker. Nicht nur die Eidechsen hätten es so leichter, Löcher für die Eiablage zu graben. Sondern auch Marder hätten es leichter, an das Gelege der Reptilien zu kommen.

Die Begehung in Kirchheim, die etwa eine Dreiviertelstunde dauerte, brachte dann ein etwas mageres Jungtier zutage. Zudem sind fünf weitere Jungtiere durch die gemähten Randstreifen gehuscht. Dass nur Jungtiere gesichtet wurden, liegt übrigens daran, dass die erwachsenen Zauneidechsen sich bereits in der Winterruhe befinden.

Sechs Jungtiere also wurden in Kirchheim gesichtet. Da sich auch bei längerem Aufenthalt nicht alle Tiere eines Habitats zeigen werden, wird die angenommene Anzahl der Tiere hochgerechnet. Dafür gibt es unterschiedliche Faktoren. Guntram Deichsel verwendet den Faktor sechs und geht daher davon aus, dass es in Kirchheim mindestens 36 Jungtiere gibt, die im Juli geschlüpft sind. Sehr wahrscheinlich gehören sie zu den im Juli und August abgefangenen Tieren, sind also wohl nicht in Kirchheim geschlüpft.

Von einer erfolgreichen Umsiedlungsaktion will Guntram Deichsel noch nicht sprechen. „Hoffnung hätte ich, wenn im nächsten Herbst Schlüpflinge nachgewiesen werden. Von Erfolg würde ich erst sprechen, wenn in drei Jahren in Kirchheim eine altersmäßig gut durchmischte Population lebt“, sagt er.