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Willkommen in der Villa Berger

Die Familie Ballhaus teilt ihr Dettinger Traumhaus mit Reisenden aus aller Welt

Air BnB liegt im Trend. Der Internetdienst aus Amerika vermittelt Reisenden, die keine Lust auf anonyme Hotelzimmer haben, Zimmer und Apartments bei lokalen Gastgebern. Familie Ballhaus aus Dettingen teilt seit Mai Villa und Frühstückstisch mit Reisenden aus aller Welt.

Air BnB in Dettingen, Vermieterin ist Andrea Ballhaus
Air BnB in Dettingen, Vermieterin ist Andrea Ballhaus

Dettingen. Die Villa Berger atmet den Geist vergangener Zeiten, als am Lauter-Kanal die Wasserräder klapperten und sich mit Textilien Geld verdienen ließ. Jugendstilfenster, Terrazzo-Böden, knarrende Dielen, Stuck an der Decke. Familie Ballhaus hat die Villa der einstigen Fabrikantenfamilie vor dem Verfall gerettet und mit viel Liebe zum Detail renoviert. Ein Traumhaus, das für das Ehepaar Ballhaus allein viel zu groß war. „Unsere Neffen haben uns auf die Idee gebracht, einen Teil des Hauses über AirBnB zu vermieten“, sagt Andrea Ballhaus, die seit einer schweren Krankheit nicht mehr arbeitet. Weil der 55-Jährigen zwar nicht der Bürojob, aber der Kontakt mit Menschen fehlte, hatte sie große Lust auf eine neue Rolle: die der Gastgeberin.

„Übernachten in Jugendstilvilla“ – das bekommt seit Mai jeder angezeigt, der auf AirBnB eine Unterkunft in der Region Stuttgart sucht. Viele haben schon auf „anfragen“ geklickt. Andrea Ballhaus ist häufig ausgebucht, wochentags und am Wochenende. „Wir hatten schon aus elf Nationen und drei Erdteilen Gäste“, sagt sie stolz. Vermietet wird ein Zimmer mit Doppelbett, großem Bad und einem Balkon mit Teck-Blick. Das Frühstück serviert die Gastgeberin im Esszimmer der Familie. Meistens sitzt sie selbst mit am Tisch. Wegen des großen Erfolgs und der Größe der Villa will Andrea Ballhaus das Angebot ausbauen: Im oberen Stockwerk könnten noch zwei weitere Zimmer mit Bad vermietet werden.

Obwohl sie erst seit Kurzem Gastgeberin ist, kann Andrea Ballhaus schon viele Geschichten erzählen. Zum Beispiel von Randy aus Cleveland, der mit seiner Frau vier Wochen durch Deutschland reiste – zur Feier ihres Rentenbeginns. „Die beiden waren frisch verheiratet und verliebt wie Teenager“, erinnert sich Andrea Ballhaus, „mit Händchenhalten unterm Frühstückstisch und allem.“ Bei einer Flasche Wein am Abend kamen Deutsche und Amerikaner ins Gespräch. Besonders viel hatten sich Randy und Andrea Ballhaus‘ Sohn zu erzählen: Der Amerikaner ist „Firefighter“, der Deutsche engagiert sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. „Als die gegangen sind, hatten wir das Gefühl, wir kennen uns schon seit zehn Jahren“, sagt Ballhaus.

Auch ein französisches Pärchen mit zwei Kindern, das auf dem Weg von der Atlantikküste nach Slowenien in Dettingen Rast machen wollte, hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das Auto hatte die lange Fahrt nicht so gut verkraftet, weshalb es in Dettingen den Geist aufgab. Andrea Ballhaus lotste die Eltern zur nächsten Werkstatt. „Nicht vor Montag“, hieß es dort. Aus einer Nacht wurde zwangsläufig ein Wochenende, inklusive dem gemeinsamen Besuch des Straßenfestes, das die Nachbarschaft am Sonntag schmiss. Ein paar Wochen später flatterte Andrea Ballhaus eine Postkarte aus Slowenien ins Haus.

Die Gäste zieht es aus ganz unterschiedlichen Gründen nach Dettingen. Einige befinden sich auf der Durchreise und wollen eine Nacht Pause machen. Andere kommen wegen des Daimler- oder Porsche-Museums. Ein Ehepaar aus Bremen sei extra für die Franz-Frank-Ausstellung in Kirchheim angereist. Aber auch Naturliebhaber, die wandern gehen wollen, sind unter den Gästen. Andrea Ballhaus ist überzeugt, dass das Gebäude allein viele Reisende anzieht. „Gerade Australier und Amerikaner suchen sich gerne alte Häuser“, hat sie beobachtet.

Andrea Ballhaus hat Spaß an ihrer Rolle als AirBnB-Gastgeberin. „Man begegnet so vielen unterschiedlichen Menschen und lernt witzige Lebensentwürfe kennen“, sagt sie. Scherereien hat die Dettingerin bislang keine gehabt. „Es sind nicht die komplizierten Leute, die AirBnB machen“, sagt sie. Abschreckend wirkt ihrer Meinung nach das Bewertungssystem, weil nicht nur Gastgeber, sondern auch Gäste bewertet werden. „Wenn einer Handtücher klaut, nimmt ihn keiner mehr.“ Eine gewisse Offenheit sei notwendig, sagt Andrea Ballhaus. „Ich darf kein Problem damit haben, dass fremde Menschen in meinem Haus sind.“

Andrea Ballhaus versteht sich nicht als Konkurrenz zu Hotels. „Uns unterscheidet der Familienanschluss, der Austausch mit unseren Gästen“, sagt sie. Rechtlich ist alles wasserdicht. „Wir haben einen Gewerbeschein und zahlen Steuern wie andere auch.“ Den Vermittlungsservice, der AirBnB ihr als Gastgeberin bietet, findet sie gut – auch wenn die Provision relativ hoch sei. Das nimmt Andrea Ballhaus in Kauf. Die Gäste aus der ganzen Welt, die auf AirBnB begeistert über ihren Aufenthalt in der Villa Berger berichten, danken es ihr.

Die Familie Ballhaus hat die Villa Berger der einstigen Fabrikantenfamilie vor dem Verfall gerettet und mit viel Liebe zum Detai
Die Familie Ballhaus hat die Villa Berger der einstigen Fabrikantenfamilie vor dem Verfall gerettet und mit viel Liebe zum Detail renoviert. Seit Mai vermietet sie einen Teil des Traumhauses über Air BnB. Fotos: Deniz Calagan
Air BnB in Dettingen, Vermieterin ist Andrea Ballhaus
Air BnB in Dettingen, Vermieterin ist Andrea Ballhaus
Air BnB in Dettingen, Vermieterin ist Andrea Ballhaus
Air BnB in Dettingen, Vermieterin ist Andrea Ballhaus

Was ist AirBnB?

Infos. AirBnB (steht für airbedandbreakfast, übersetzt Luftmatratze und Frühstück) wurde 2008 in San Francisco gegründet. Wer über AirBnB eine Unterkunft sucht, wird in 190 Ländern fündig. Die Bandbreite reicht vom einfachen Zimmer bis zum Schloss. Das Unternehmen stellt als Online-Plattform den Kontakt zwischen Gast und Gastgeber her. Der Gast zahlt die Übernachtung per Kreditkarte. Kritik. AirBnB gerät immer wieder in die Kritik. Zum einen führen viele Vermieter keine Steuern ab, was ihnen gegenüber Hotels Wettbewerbsvorteile verschafft. In einigen Städten, beispielsweise in San Francisco, hat die Stadt mittlerweile Bestimmungen erlassen, um Ordnung in diese rechtliche Grauzone zu bringen. Großstädte. Kritik entzündet sich auch in deutschen Großstädten, vor allem dort, wo bezahlbarer Wohnraum knapp ist. Die Vermietung von Ferienwohnungen verschärfe dieses Problem noch, heißt es. In Frankfurt am Main beispielsweise sind Ferienwohnungen baurechtlich gar nicht zulässig. Zimmer, die nur „kurzfristig und vor­übergehend“ vermietet werden, ohne dass die „Hauptwohnnutzung aufgegeben“ wird, sind davon ausgenommen. Alle anderen müssen mit Bußgeldern rechnen.adö