Weilheim · Lenningen · Umland

Winzer erwarten volle Weine

Maßvoller Regen soll jetzt noch für ausgewogenen Säure- und Zuckergehalt sorgen

Die Weinlese steht kurz bevor. Jetzt hoffen die Winzer noch auf Regen. Der darf aber nicht zu üppig ausfallen. Sonst nehmen die Trauben an Volumen zu, quetschen sich gegenseitig, platzen auf und faulen. Die Spannung in der Region auf das Ergebnis der diesjährigen Ausbeute im Wengert ist groß.

Christiane Leibssle und Helmut Dolde wagen durchs Refraktometer einen Blick auf das Endprodukt der Weinlese 2015. Lediglich die
Christiane Leibssle und Helmut Dolde wagen durchs Refraktometer einen Blick auf das Endprodukt der Weinlese 2015. Lediglich die Rebstöcke, die jünger als fünf Jahre sind, mussten die Winzer an der Limburg bewässern. Wegen des geringen Wasserangebots sind die Trauben in diesem Jahr aber kleiner als üblich.Fotos: Daniela Haußmann

Kirchheim. Allen Unkenrufen zum Trotz gedeihen die Weintrauben an Limburg und Egelsberg prächtig. Starke Sonneneinstrahlung, Hitzewelle und geringer Niederschlag stellte laut Werner Kauderer für die Entwicklung der hiesigen Reben und ihrer Früchte kein Probleme dar. Dank des wasserspeichernden Lehmbodens, der unter einer Schicht aus Sandstein und Vulkanerde lagert, konnten die Pflanzen die südländischen Temperaturen sehr gut überstehen. „Nur bei den unter fünfjährigen Rebstöcken muss hin und wieder bewässert werden, weil deren Wurzeln noch nicht so tief in den Erdboden reichen“, berichtet der Vorsitzende des Weilheimer Vereins der Weinbergbesitzer.

Ein Vorteil der trockenen Witterung in diesem Jahr ist, dass die Winzer so gut wie keine Probleme mit Krankheiten haben, wie das Deutsche Weininstitut mitteilt. Auch die Mostgewichte entwickeln sich den Mainzer Experten zufolge gut. Die Oechsle-Grade geben Auskunft über die Inhaltsstoffe des Mostes und damit über seine Qualität.

Werner Kauderer ist mit den Reifegraden zufrieden. Der Müller-Thurgau weise derzeit 70 Grad Oechsle auf, der Kerner zwischen 55 und 65, bei Silvaner und Riesling seien es 50  Grad Oechsle. „Was wir jetzt noch brauchen sind zwischen 50 und 60 Liter Niederschlag pro Quadratmeter“, hofft Kauderer. „Im Vergleich zum Hitzesommer 2003, bei dem wir von Mai bis August eine Niederschlagsmenge von 286 Litern verzeichneten, stehen wir in diesem Jahr mit 325 Litern gut da.“ Der Durchschnitt in den vergangenen zehn Jahren hätte bei 433 Litern gelegen. „An diesen Wert sollten wir uns annähern“, so der Winzer.

In der Reifephase der Trauben wird Zucker und Säure eingelagert. Ist das Klima in dieser Zeit zu trocken, wird die Einlagerung der Säure gebremst. Hinzu kommt, dass die Rebe in warmen Nächten die während der Fotosynthese eingelagerte Säure zur Energiegewinnung veratmet. Bei Wärme läuft dieser Prozess schneller ab als bei niedrigen Temperaturen. So besteht die Gefahr, dass das Gleichgewicht durch einen Zuckerüberhang verloren geht. „Regen und kühle Nächte sind in der jetzigen Phase für einen ausbalancierten Säure- und Zuckergehalt nötig“, sagt Weinfachmann Helmut Dolde.

Die Kirchheimer Sommelière Christiane Leibssle erwartet, dass die schlanken und spritzigen Rieslinge 2015 rar gesät sein werden, weil die Temperatursumme ähnlich wie 2003 für diese Rebsorte zu hoch ausgefallen ist. Ein Trend, den sie mit Blick auf den Klimawandel auch künftig für die Rieslinge aus dem Südwesten erwartet. Allerdings lässt sich laut Helmut Dolde durch teilweises Entfernen des Blattwerks noch gegensteuern. Damit steige der Zuckergehalt langsamer an beziehungsweise falle geringer aus, da die Maßnahme die Fotosynthese-Leistung reduziere.

„Das ist natürlich ein Pokerspiel“, räumt Dolde ein. „Denn es gibt keine Garantie dafür, dass der Herbst noch mit spätsommerlichen Tagen aufwartet.“ Fakt ist für den Linsenhofener Winzer, der pro Jahr rund 10 000 Flaschen abfüllt, dass der Klimawandel Weingärtner immer stärker zwingt, Wettervorhersagen und Prognosen für den Pflanzenschutz zu berücksichtigen. Ein weiterer Faktor, der ins Gewicht fällt, ist der natürliche UV-Schutz der Pflanzen.

„Sie produzieren Tannine, die die Schädigung wertvoller Moleküle verhindern, die zum Beispiel für die Aroma- und Farbentwicklung wichtig sind“, erklärt Helmut Dolde. „Die weißen Trauben schützen ihren Inhalt hingegen überwiegend durch die Bildung von Phenolen.“

Für Christiane Leibssle lässt sich damit viel über den Weinjahrgang 2015 sagen. „Die Rotweine werden wahrscheinlich sehr farbkräftig und erhalten ein kräftiges Tanningerüst“, so die Sommelière. „In den letzten zwei Jahren waren die Weißweine von einer kräftigen Säure geprägt.“ Das sei für den Jahrgang 2015 nicht zu erwarten. „Geschmacklich werden die Weißweine voller, kräftiger und üppiger sein“, prognostiziert Leibssle. „Bei der Ernte müssen die Winzer in der Gegend die Säure im Auge behalten, um Weißweine mit genügend Spritzigkeit zu produzieren.“

Das bestätigt Helmut Dolde. „Früher haben die Winzer die Oechsle gejagt. Heute ist es wichtig, vor der Lese per Infrarotspektroskopie eine Hefe- und Säureanalyse zu machen“, erzählt er. „Der Klimawandel bringt es mit sich, dass professioneller agiert werden muss als früher.“

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