Die Covid-19-Pandemie belastet die Wirtschaft global massiv. Das hat auch Auswirkungen auf die Baubranche. Der Kirchheimer Bauschuttrecycler Feess erreicht das Gros seiner Wertschöpfung in der Aufbereitung von Bauschutt und Erdaushub, die als Wertstoffe begriffen und in rund 40 Fraktionen getrennt, gewaschen, gebrochen, gesiebt und vermarktet werden. So gehen tonnenweise alte Ziegel, Steine, Sand und Kies als Zuschlagstoffe an Betonwerke, die RC-Beton herstellen. Walter Feess skizziert das Szenario, das er für die kommenden zwei Jahre sieht.
Was erleben Sie in der Krise?
Walter Feess: Unser Auftragsvolumen ist im zweiten Halbjahr 2020 um zehn Prozent eingebrochen und parallel haben die Preise deutlich nachgegeben. Dieser Abwärtstrend setzt sich im laufenden Jahr fort und nimmt an Dynamik eher zu. Denn seit das Homeoffice boomt, werden Büroneubauten storniert und sämtliche Hotelplanungen, von denen ich wusste, wurden aufgegeben. Dabei hatten wir bereits 2020 in unserer Automobilregion beim Büro- und Hallenneubau einen Auftragsrückgang um drei Viertel.
Wie haben Sie gegengesteuert?
Feess: Wir haben uns von nahezu allen Subunternehmern trennen müssen, um unser Stammpersonal auslasten zu können. Das ist uns 2020 ganzjährig ohne Kurzarbeit, Personalabbau oder staatliche Hilfen auch gelungen. Darauf bin ich stolz. Um auch dieses Jahr die Löhne pünktlich zahlen zu können, habe ich vorbeugend eine staatliche Liquiditätshilfe in Millionenhöhe beantragt und bewilligt bekommen, für die ich mit meinem privaten Vermögen hafte.
Wofür brauchen Sie die?
Noch ist die Zahlungsmoral unserer Kunden ordentlich. Aber von Woche zu Woche steigt die Gefahr, dass Partner insolvent gehen, ehe sie unsere Leistung vergütet haben. Ausfälle will ich mit der Liquiditätshilfe puffern können. Denn ich will die Arbeitsplätze meiner Leute erhalten und die Kompetenz absichern, die wir über 25 Jahre hier aufgebaut haben.
Was erwarten Sie für die Zukunft?
Wir alle werden uns warm anziehen müssen. In den vergangenen zehn Jahren hat unsere Branche ihre Kapazitäten um 40 Prozent ausgeweitet. Schon 2020 sank die Nachfrage massiv. Allein der Wohnungsbau bringt uns allen noch Nachfrage. Parallel werden im Südwesten die Kapazitäten unserer Branche zunehmend frei, die von Stuttgart bis Ulm im Bahnprojekt Stuttgart 21 gebunden waren. Diese Überkapazität führt zu einem unerbittlichen Preiskampf.
Wie reagieren Sie darauf?
Im vierten Quartal 2020 haben uns rund 15 zusätzliche Abrisse „gerettet“, die bedingt durch die günstigere Mehrwertsteuer noch bis Jahresende vollzogen werden sollten. Auch wir haben bereits im Herbst erste Aufträge für 2021 hereingenommen, die teils nicht kostendeckend sind, aber unsere Kapazitäten auslasten. Dazu zählen eine Tunnelbaustelle und mehrere große Baugruben, die eine Grundauslastung fürs erste Halbjahr sichern. Durch konzentriertes und engagiertes Arbeiten - Stichwort Schnelligkeit und schonender Umgang mit Maschinen, Fahrzeugen und Geräten - können unsere Mitarbeiter ihren Beitrag leisten, damit diese Aufträge uns nicht zusätzlich schwächen. Die Situation kann sich bis 2023 hinziehen und überleben wird, wer seine Substanz am langsamsten verzehrt.
Sie gelten als Technologieführer im Baustoffrecycling, wurden 2016 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet und im November 2020 mit dem Umweltpreis des Landes.
Aber ausruhen dürfen wir uns darauf nicht. Jetzt gilt es, unsere Potenziale wie qualifizierte Mitarbeiter, modernster Maschinenpark und innovative Abbruch-, Sortier- und Recyclingverfahren auszuspielen. Parallel brauchen wir mehr Betonwerke, die unsere mineralischen RC-Zuschlagstoffe nachfragen und Bauherren, die endlich nachhaltig bauen. Da könnte die Politik viel mehr tun. Die 20 Euro Abgabe je Tonne CO2 seit Jahresbeginn sind ein richtiger Schritt. 50 oder 80 Euro je Tonne wären aber das Signal der Stunde gewesen angesichts des Klimawandels.
Druck kommt auch von der Politik und Fridays for future.
Zur Politik äußere ich mich nicht. Fakt ist, dass in der Regel jedes Gebäude je zur Hälfte aus Beton und aus Mauerwerk besteht. Die Betonhälfte wird bereits zu 90 Prozent recycelt, die Hälfte des Mauerwerks aber nahezu gar nicht. Die wird noch immer zumeist minderwertig im Untergrund verfüllt oder sogar auf die Deponie gefahren. Um das hochwertige Recycling dieser Hälfte geht es mir. Wenn man bedenkt, dass wir künftig fast nur noch im Bestand bauen werden, Stichwort Flächenfraß, geht jedem Bau ein Abriss voraus, und damit die Basis für neues RC-Material. Der grüne Umweltminister, Franz Untersteller, teilt meine Ansicht. Er hat immerhin jüngst eine Primärrohstoffabgabe vorgeschlagen, wie sie die Österreicher ansatzweise haben, aber auch andere EU-Staaten.
Der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg hat mitgeteilt, alles sei bestens. 99 Prozent des zu RC-Baustoff aufbereiteten Bauschutts gehe bereits in den Straßen- und Schienenbau. Ginge er in den Hochbau, würde er dort fehlen.
Es ist Ressourcenverschwendung, etwa Back- und Ziegelsteine aus Ton im Untergrund zu verfüllen statt dem Hochbau als Zuschlagstoff zu RC-Beton zuzuführen. Wir müssen Gebäude als Materiallager verstehen und in geschlossenen Kreisläufen denken. Metropolen sind ideal, weil genügend Abbruch vor Ort ist, der lokal aufbereitet und verbaut werden kann. Das entlastet die Straßen. Wir haben voriges Jahr in Stuttgart im Neckarhafen ein Areal erworben, auf dem wir Stuttgarter Schutt aufbereiten. Im Umkreis von 2000 Metern stehen dort drei Betonwerke. Was wir auf Deponien weit weg entsorgen müssen, kann auf der Wasserstraße sanft transportiert werden.