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„Wir wollen gefragt werden!“

Zwei potenzielle Standorte zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen sorgen für Zündstoff – Bürgerentscheid gefordert

Die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen im Stadtteil Jesingen war das Thema einer Informationsveranstaltung in der Jesinger Gemeindehalle. Zahlreiche Bürger waren gekommen, um sich die Pläne der Stadtverwaltung anzuhören. Für großen Unmut sorgte dabei besonders die geplante Unterbringung auf dem Gelände des alten Sportplatzes neben der Gemeindehalle.

„Wir wollen gefragt werden!“
„Wir wollen gefragt werden!“

Kirchheim. Die Stadt ist im Zugzwang: Immer mehr Menschen müssen untergebracht werden, doch es fehlt an Raum dafür. Neun potenzielle Standorte hat die Verwaltung für das gesamte Stadtgebiet nun ausgearbeitet, über die Vorschläge gilt es nun im Gemeinderat sowie den Ortschaftsräten zu diskutieren.

Für Jesingen bedeutet das nach aktuellem Stand konkret: „Es geht hier ausschließlich um eine Anschlussunterbringung, betonte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker, „das bedeutet, das sind Menschen, die schon längere Zeit im Land leben und nicht eben erst hier angekommen sind.“

Zwei Standorte stehen derzeit für Jesingen im Raum: Neben dem bald frei werdenden Gebäude der Ortsverwaltung in der Neuen Weilheimer Straße 15 rückt dafür vor allem der alte Bolzplatz neben der Gemeindehalle in der Alten Weilheimer Straße in den Fokus. Die Rede ist aktuell von vier dreigeschossigen Gebäuden für rund 150 Personen, die dort auf einer Teilfläche errichtet werden könnten.

Dieses Vorhaben, dessen Umsetzung nach aktuellem Stand für 2017 vorgesehen ist, sorgte im Publikum besonders bei den zahlreich anwesenden Anwohnern des Geländes für Zündstoff. „Ehrlich gesagt überfordert mich das Thema und ich fühle mich angesichts dieser Pläne komplett übergangen“, erklärte eine Anwohnerin, „wir leben in einer Demokratie, entsprechend wäre es mir wichtig, dass wir über so ein Vorhaben in der Bürgerschaft abstimmen dürfen, wir wollen gefragt werden!“

Diese Meinung, die ein Teil des Publikums mit Applaus quittierte, teilten weitere Redner, ebenso wie die Sorge um die eigene Sicherheit – diese Ängste dürften nicht zuletzt die aktuellen Vorkommnisse in der Silvesternacht in Köln weiter verstärkt haben. Matt-Heidecker betonte, man nehme die Befürchtungen sehr ernst, warnte aber gleichzeitig vor einem „Generalverdacht“. „Auch eine Bürgerwehr wäre der falsche Ansatz. Die Polizei versicherte mir, dass sie gut aufgestellt ist und derzeit ausschließlich ein leichter Anstieg von Straftaten zu verzeichnen sei, was allein schon dem geschuldet sei, dass mehr Menschen vor Ort leben. Bislang wurde nur ein sexueller Übergriff seitens der Polizei in Kirchheim aufgenommen“, informierte Matt-Heidecker weiter. „Ich kann Ihre Ängste und Sorgen nachvollziehen, nicht aber eine grundsätzliche Ablehnung, ohne zu wissen, um wen es überhaupt geht“, so die Oberbürgermeisterin. Sicherlich versuche man bei der Unterbringung auch, Familien und alleinstehende Personen zu kombinieren, „ich weiß heute aber noch nicht, wer kommen wird.“

Ja, die Stadt stehe vor einer großen Herausforderung: „Wir sind aber verpflichtet, diese Menschen aufzunehmen, ob wir wollen oder nicht.“ Die Stadt setze daher in Kooperation mit diversen Fachstellen sowie zahlreichen Ehrenamtlichen alles daran, die notwendige Schaffung von Wohnraum als auch die Integration der in Kirchheim unterzubringenden Flüchtlinge umfassend voranzutreiben.

Auch Herbert Müller, bei der Stadt Kirchheim stellvertretender Leiter der Abteilung Soziales, betonte: „Integration kann nur gelingen, wenn die Bevölkerung bereit ist, sich zu öffnen.“ So lag nach der Veranstaltung zudem eine Liste aus, in die sich interessierte ehrenamtliche Helfer eintragen konnten.

Eines stellte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker trotz aller Verpflichtungen ebenfalls klar: „Wenn in diesem Jahr nochmals eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen, dann schaffen wir das irgendwann nicht mehr. Es muss eine europäische Lösung geben und zudem eine finanzielle Unterstützung seitens des Bundes für die Kommunen.“

Das Interesse der Bevölkerung war groß bei der Infoveranstaltung zur Flüchtlingsunterbringung in der Jesinger Gemeindehalle.Foto
Das Interesse der Bevölkerung war groß bei der Infoveranstaltung zur Flüchtlingsunterbringung in der Jesinger Gemeindehalle.Foto: Katja Eisenhardt