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WLAN zieht Flüchtlinge an

Kostenloses Internet in der Fußgängerzone wird überwiegend von Asylbewerbern genutzt

Seit Anfang Dezember ist Kirchheims Innenstadt um eine Attraktion reicher: Die Stadt versorgt Bürger und Besucher mit kostenlosem Internet. Augenscheinlich zieht dieses Angebot auch viele Flüchtlinge in die Innenstadt, die in ihren Unterkünften ohne Internet auskommen müssen. Seitdem häufen sich bei der Stadt Beschwerden.

Sind die Hauptnutzer des kostenlosen City-WLAN: Flüchtlinge, die in Kirchheim und Umgebung leben.Foto: Carsten Riedl
Sind die Hauptnutzer des kostenlosen City-WLAN: Flüchtlinge, die in Kirchheim und Umgebung leben.Foto: Carsten Riedl

Kirchheim. Seit rund zwei Monaten ist es ein alltägliches Bild: Zu jeder Tageszeit und bei nahezu jeder Witterung stehen Männer vor der Stadtbücherei, auf dem Kirchheimer Marktplatz oder vor dem Hintereingang des Rathauses. Dass sie Flüchtlinge sind, verraten die fremde Sprache, die Hautfarbe – und die alten Fahrräder, auf denen sie oft unterwegs sind. Sie sitzen auf Bänken, einzeln oder in Grüppchen, den Blick auf die Displays ihrer Smartphones gerichtet. Sie halten ihre Telefone in die Höhe, auf der Suche nach dem besten Empfang. Sie schlendern mit Kopfhörern in den Ohren durch die Fußgängerzone und scheinen in Selbstgespräche vertieft. In Wahrheit telefonieren oder skypen sie mit Freunden und Verwandten.

Normalerweise ist das ein teures Unterfangen. Telefonkarten für mobiles Internet kosten viel Geld. Dank der WLAN-Router, die die Stadt Anfang Dezember in der Innenstadt hat installieren lassen, ist das Telefonieren via Internet kostenlos – zumindest, bis das Datenvolumen aufgebraucht ist. Kein Wunder, dass das offene Netz vor allem Flüchtlinge in die Innenstadt zieht.

Dass die verstärkte Präsenz von Flüchtlingen viele Menschen stört, hört Angelika Matt-Heidecker zurzeit jeden Tag. Und es ärgert sie – bei allem Verständnis für die Ängste vieler Bürger. „In allen Teilen der Verwaltung kommen Beschwerden an, telefonisch, per Mail, per Brief“, sagt die Oberbürgermeisterin. Die Absender fühlten sich bedroht von Menschen, die in der Fußgängerzone „herumlungerten“. Kinder seien angeblich nicht mehr sicher. Eine Dame habe berichtet, sie sei gefilmt worden. Angelika Matt-Heidecker hat Verständnis dafür, dass sich nicht jeder mit den technischen Details des mobilen Surfens auskennt und auf diesem Wege Missverständnisse entstehen können. „Aber man muss doch nicht immer gleich vom Schlimmsten ausgehen“, sagt sie. Tatsächliche Vorfälle oder Übergriffe seien jedenfalls nicht bekannt.

Thomas Pitzinger, Leiter des Polizeireviers Kirchheim, bestätigt das. Zwar hätten sich auch bei der Polizei Menschen gemeldet, die berichtet hätten, dass Personen vor der Stadtbücherei sich „merkwürdig verhielten“. „Wir haben das überprüft, aber wir haben keinerlei Anhaltspunkte, dass es zu Übergriffen jeglicher Art gekommen ist. Es liegen auch keine Anzeigen vor“, sagt Pitzinger. Überall dort, wo es freies Internet gebe, würden sich Flüchtlinge zusammenfinden. Das sei nicht nur in Kirchheim so.

Dass das kostenfreie City-WLAN einmal von so vielen Flüchtlingen genutzt werden würde, hat Angelika Matt-Heidecker nicht vorausgesehen. „Als wir angefangen haben, darüber zu diskutieren, gab es noch keine Flüchtlingsströme“, sagt die Rathauschefin. Ursprünglich hätten Verwaltung und Gemeinderat an Touristen und andere Besucher der Stadt gedacht. Dass es nun augenscheinlich anders gekommen ist, stört die Oberbürgermeisterin nicht. „Das Handy ist die einzige Verbindung dieser Menschen in die Heimat“, wirbt sie um Verständnis. Sie findet, dass die Flüchtlinge mehr Leben in die Stadt bringen. „Wenn ich abends spät aus dem Rathaus gehe, ist am Hinterausgang des Rathauses immer was los. Ich finde das herrlich“, sagt sie.

Auch in der Stadtbücherei nutzen viele Flüchtlinge das offene WLAN oder die PC-Plätze – aber nicht nur. „Viele kommen hierher, um Deutsch zu lernen oder sich mit ihren Sprachpaten zu treffen“, sagt Ingrid Gaus, Leiterin der Bibliothek. Es sei schön, dass die Bücherei von den Flüchtlingen als Lernort angenommen werde. Man habe für diesen Zweck extra zusätzliche Wörter- und Bildwörterbücher sowie Lehrbücher für „Deutsch als Fremdsprache“ angeschafft. „Wir haben bisher keinerlei Probleme gehabt“, sagt Ingrid Gaus. Wenn es mal lauter werde, müsse man halt einschreiten. Insgesamt sei es momentan sehr voll in der Stadtbücherei, vor allem nachmittags seien zusätzlich zu den Flüchtlingen viele Schüler da. Beschwerden liegen Gaus aber keine vor. „Klar verändert sich das Stadtbild durch die Flüchtlinge. Auch das Publikum bei uns im Haus hat sich verändert. Aber es funktioniert gut“, sagt sie.