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Wohnprojekt für Behinderte: Einig beim Bedarf, uneins beim Zuschuss

Kreistag Wie geht es wei­ter nach dem Aus­stieg der Dia­ko­nie Stet­ten aus der drin­gend be­nö­tig­ten Wohnanlage für Be­hin­der­te? Von Mar­tin Mez­ger

Dar­in sind sich al­le ei­nig: Der Be­darf ist dring­lich, die Si­tua­ti­on der be­trof­fe­nen Fa­mi­li­en dul­det ei­gent­lich kei­nen Auf­schub. Ge­nau den wird es nun aber ge­ben: Mit dem Aus­stieg der Dia­ko­nie Stet­ten
 

So bin ich in meinem ganzen Berufsleben noch nicht am Seil runtergelassen worden.
Landrat Heinz Eininger ärgert sich über die Diakonie Stetten.

 
aus dem in Balt­manns­wei­ler ge­plan­ten Wohn- und Kurz­zeit-Be­treu­ungs­pro­jekt für schwerst- und mehr­fach­be­hin­der­te Men­schen sind die Hoff­nun­gen der Fa­mi­li­en auf Ent­las­tung bei der Pfle­ge ih­rer be­hin­der­ten An­ge­hö­ri­gen – Kin­der, Ju­gend­li­che, jun­ge Er­wach­se­ne – ge­platzt.

Der So­zi­al­aus­schuss des Kreis­tags dis­ku­tier­te nun, wie es wei­ter­ge­hen könn­te. We­ni­ger ei­nig als bei der Fra­ge nach dem Be­darf wa­ren sich die Frak­tio­nen beim The­ma Bau­kos­ten­zu­schuss, hat­te doch die Dia­ko­nie Stet­ten die un­kal­ku­lier­ba­re Stei­ge­rung der Bau­kos­ten – zu­letzt ge­schätzt auf sechs Mil­lio­nen Eu­ro – als Grund für ih­re Not­brem­se ge­nannt. Mar­ga­re­te Schick-Hä­ber­le von den Grü­nen plä­dier­te da­für, „noch ein­mal das Ge­spräch mit der Dia­ko­nie Stet­ten zu su­chen“ – und da­bei das strik­te Nein des Land­krei­ses zum Bau­kos­ten­zu­schuss zu über­den­ken. Dies sei nach zehn Jah­ren Pla­nung im­mer noch bes­ser, als mit ei­nem ­neuen Trä­ger von vor­ne an­zu­fan­gen.

Auch An­ge­li­ka Matt-Hei­de­cker (SPD) setz­te sich an­ge­sichts des aku­ten Be­darfs da­für ein, „ge­wis­se Hür­den zäh­ne­knir­schend zu über­sprin­gen“ und mit dem Vor­schlag ei­ner Zwi­schen­fi­nan­zie­rung durch den Land­kreis auf die Dia­ko­nie zu­zu­ge­hen. Mar­tin Au­er­bach (Lin­ke) sprach sich da­für aus, das Pro­jekt gleich in Ei­gen­re­gie durch den Land­kreis zu rea­li­sie­ren. Wenn kei­ne ge­eig­ne­ten Pro­jekt­part­ner mehr zur Ver­fü­gung stün­den, sei dies kein Ver­stoß ge­gen das Sub­si­dia­ri­täts­prin­zip (staat­li­che Leis­tun­gen nur, wenn es kei­ne an­de­ren Leis­tungs­er­brin­ger gibt). Land­rat Heinz Ei­nin­ger hat­te es zu­vor als ge­setz­li­che Be­gren­zung der Mög­lich­kei­ten des Land­krei­ses an­ge­führt. Er kön­ne nicht selbst als Trä­ger ei­ner sol­chen Ein­rich­tung auf­tre­ten, da­für ge­be es spe­zia­li­sier­te Or­ga­ni­sa­tio­nen.

Diakonie hat bereits 400000 Euro investiert

Man ha­be Ver­hand­lun­gen mit an­de­ren Ver­trags­part­nern so­fort nach der Ab­sa­ge der Dia­ko­nie auf­ge­nom­men, wol­le aber nicht „ga­ckern über un­ge­leg­te Ei­er“, sag­te Ei­nin­ger. Kon­kre­tes stell­te er für die nächs­te Sit­zung im April in Aus­sicht. Die Dia­ko­nie sei be­reit, das Grund­stück in Balt­manns­wei­ler an ei­nen neu­en Trä­ger zu ver­kau­fen. Auch die weit ge­die­he­nen Plä­ne könn­ten ge­gen Kos­ten­be­tei­li­gung von der Dia­ko­nie über­nom­men wer­den. Laut ei­ge­nen An­ga­ben hat die Dia­ko­nie be­reits 400 000 Eu­ro in­ves­tiert. In­des er­teilt der Land­rat wei­ter­hin ei­nem Bau­kos­ten­zu­schuss oder ei­ner Zwi­schen­fi­nan­zie­rung („Dann wä­ren wir ei­ne Bank“) ei­ne kla­re Ab­sa­ge. Da­mit liegt er auf der Li­nie von FDP-Kreis­rat Rai­ner Ste­phan und von CDU-Rat Thad­dä­us Kunz­mann („Wir kön­nen uns nicht vor­stel­len, dass ein Bau­kos­ten­zu­schuss die Sa­che hei­len könn­te“). Ul­rich De­usch­le (Re­pu­bli­ka­ner) und Hei­ko Ki­ßhau­er (AfD) se­hen das Land in der fi­nan­zi­el­len Pflicht, da die Bun­des­re­gie­rung für In­fla­ti­on und Kos­ten­stei­ge­rung ver­ant­wort­lich sei. Dass sich Kreis und Kreis­ver­wal­tung den Schuh der Schuld an dem De­sas­ter nicht an­zie­hen müss­ten, be­ton­ten Frank Buß (Freie Wäh­ler) und Spre­cher an­de­rer Frak­tio­nen.

Finanzargument nur vorgeschoben?

Har­te Kri­tik setz­te es an der Dia­ko­nie und ih­rem ra­di­ka­len Schnitt: „So bin ich in mei­nem gan­zen Be­rufs­le­ben noch nicht am Seil run­ter­ge­las­sen wor­den“, drück­te es Ei­nin­ger bild­lich aus. Chris­ti­ne Fi­scher, Lei­te­rin des Am­tes für be­son­de­re Hil­fen, sag­te, in den Ge­sprä­chen mit der Dia­ko­nie sei es nie um Bau­kos­ten­zu­schüs­se ge­gan­gen. Ihr Kol­le­ge Chris­ti­an Gre­ber vom Amt für all­ge­mei­ne Kreis­an­ge­le­gen­hei­ten hält das Fi­nanz­ar­gu­ment für „mög­li­cher­wei­se vor­ge­scho­ben: Es geht auch um die Not­la­ge bei der Per­so­nal­si­tua­ti­on“ – den Man­gel an Pfle­ge­kräf­ten.