Lenninger Tal

100 Jahre Liebenzeller Gemeinschaft

Mission 2017 feiert die Liebenzeller Gemeinschaft in Brucken Jubiläum. 1917 gilt als das Gründungsjahr der religiösen Vereinigung, dabei nahm ihre Geschichte schon einige Jahre früher ihren Lauf.

100 Jahre Liebenzeller Gemeinschaft
100 Jahre Liebenzeller Gemeinschaft

Bereits 1902, 15 Jahre vor der offiziellen Gründung, kommt Barbara Löw, genannt „s‘Bäbele“, zum ersten Mal auf den Missionsberg nach Bad Liebenzell. Hier lernt sie das Werk der Mission kennen und lieben. Wieder nach Hause zurückgekehrt, sammelt Löw die Kinder aus Brucken zur Sonntagsschule im Erdgeschoss ihres Hauses.

1916 stirbt Barbara Löw und vererbt ihr Haus an die Liebenzeller Mission - der Grundstein der Bruckener Liebenzeller Gemeinschaft. Rundherum tobt der Erste Weltkrieg, viele verlieren ihre Männer, Väter, Brüder und Söhne. Das Leid und die große Not wecken das Verlangen nach Trost und Hilfe. Auf die Frage: „Woher kommt mir die Hilfe?“ lautet die Antwort im Jahr 1917 damals oft: „von Gott“. Es wird als Gründungsjahr der Gemeinschaft Brucken festgehalten.

Ein Zeitzeuge berichtet, dass es anfangs für die Leute schwierig gewesen sei, die sich im Haus der verstorbenen Barbara Löw versammelt haben. Besonders die Menschen, die vergeblich auf ein Erbteil gewartet hatten, waren erbost, heißt es in der Chronik der Gemeinschaft. Im Laufe der Zeit ändert sich die Einstellung. Von 1918 bis 1920 wird der Stall zu einer Kleinkinderschule umgebaut. Aus der Scheune entsteht ein Versammlungssaal mit Küche und sanitären Einrichtungen. Die äußeren Voraussetzungen für den Bezirk Brucken werden damit geschaffen.

Von 1920 an unterhielten die Liebenzeller Schwestern den ers­­ten Kindergarten in Brucken. Er wird liebevoll „die Kleinkinderschule“ oder„s‘Schiale“ genannt - bis zu seinem Ende in den 70er-Jahren. Doch die beginnenden 30er-Jahre und das Dritte Reich bringen einige Einschränkungen mit sich. 1937 wird die Gemeinschaftsarbeit Brucken von der Lie-benzeller Mission an den 1933 gegründeten Liebenzeller Gemeinschaftsverband übergeben. 1938 kommen Karl und Lina Oehl in den Heimaturlaub nach Brucken. Er war Missionar in China, sie Krankenschwester. Die Familie wird die Gemeinschaftsarbeit in Brucken später als Missionarsfamilie unterstützen. Doch für die religiöse Vereinigung bringt das Dritte Reich manche Einschränkungen mit sich. Die äußere Not schweißt die Gemeinschaft zusammen. Als Lina Oehl 1939 schwanger wird, soll mit der Rückkehr nach China bis zur Geburt abgewartet werden. Ende 1939 ist es für die Ausreise zu spät, da das Regime alle Reisen ins Ausland untersagt. 1941 kommt es für die Familie schlimmer: Karl Oehl wird in den Kriegsdienst eingezogen, Lina wohnt mit ihrer Tochter weiter im Missionshaus.

Mit Ende des Krieges suchen 1945 deutsche Soldaten auf der Flucht Unterschlupf im Missionshaus. Als Amerikaner das Haus betreten, verstecken sie sich im Keller, hinter Waschmaschine, Mehltruhe und anderen Dingen. Auch Frauen, die Angst vor amerikanischen Soldaten haben, flüchten sich abends dorthin. Die Schwester Mathilde Attinger vermerkt in einer Festschrift zum 80-jährigen Jubiläum der Liebenzeller Gemeinschaft Brucken zu dieser Zeit: „Amerikanische Soldaten marschierten ein. Sie kamen von Owen her und haben im Unterdorf übel gehaust. Es kamen Vergewaltigungen vor.“ So wird das Missionshaus im Zweiten Weltkrieg zu einem Zufluchtsort von etwa 60 Männern und Frauen. Als der Kindergarten der Liebenzeller Gemeinschaft 1971 schließt, tritt ein kommunaler Kindergarten im Postweg an seine Stelle. pm

Info Zum Jubiläumswochenende findet heute Abend um 20 Uhr ein Dank- und Gebetsabend in der Gemeinschaft in Brucken statt. Am Samstag findet die Veranstaltung „Gott erlebt“ mit Berichten von Zeitzeugen statt. Am Sonntag folgt um 10 Uhr ein Festgottesdienst mit Pfarrer Detlef Krause, Missionsleiter der Liebenzeller Mission. Um 14 Uhr gibt es einen Festakt mit Pfarrer Dr. Hartmut Schmid.

Mit Barbara Löw und ihrem Haus fing Anfang des 20. Jahrhunderts alles an. 100 Jahre später gibt es die Liebenzeller Gemeinschaft
Mit Barbara Löw und ihrem Haus fing Anfang des 20. Jahrhunderts alles an. 100 Jahre später gibt es die Liebenzeller Gemeinschaft in Brucken noch immer. Fotos: privat