Lenninger Tal

Affen verwandeln sich in Krokodile

Owener Kinder können sich auf Evopäd-Parcours ausprobieren – Grundschullehrer bilden sich fort

Zwei Wochen lang konnten Sprösslinge, die in Owen einen Kindergarten besuchen, täglich über Baumstämme krabbeln, sich durch Schlupflöcher schieben oder schaukeln wie ein Fisch im Wasser. Der Evopäd-Parcours soll helfen, ins Gleichgewicht zu kommen.

Viel Spaß haben die Kinder auf den Geräten des Evopäd-Parcours. Jeweils zwei Wochen lang waren die Stationen in den beiden Owene
Viel Spaß haben die Kinder auf den Geräten des Evopäd-Parcours. Jeweils zwei Wochen lang waren die Stationen in den beiden Owener Kindergärten Rinnenweg und Bahnhofstraße aufgebaut.Foto: Rainer Hoffelner

Owen. „Wer kann denn schon hochklettern?“, fragt die Erzieherin die Kinder, die zuvor auf dem Karussell unermüdlich im Kreis he­rumgewirbelt sind. „Ich, ich, ich!!“, schallt es ihr entgegen. Im Handumdrehen sind in den mittig he­rausragenden Pflock waagerechte Stangen gesteckt, die die Kinder als Griffe oder als Hilfe benutzen, um darauf nach oben zu kraxeln.

Ermöglicht durch eine Spende, war der Indoor-Parcours der Evolutionspädagogin Gabriele Sorwat jeweils 14 Tage im Kindergarten Rinnenweg sowie im Kindergarten Bahnhofstraße in Owen aufgebaut. Regelmäßig kam die Weilheimer Expertin in die Einrichtungen, um den Erzieherinnen Tipps für die Arbeit mit dem Parcours zu geben. „Jetzt sind alle Affen wieder Krokodile“, lautete so ein verblüffend gut wirkender Satz von Gabriele Sorwat, mit dem die tobenden Kinder im Nu zur Ruhe gebracht wurden, so die Leiterin des Kindergartens Bahnhofstraße Wiltraud Bandle. Von der Arbeit mit dem Evopäd-Parcours werden sie und ihre Kolleginnen nun profitieren.

Auch Dagmar Erb, Vertreterin der Leiterin des Kindergartens Rinnenweg, verspricht sich positive Effekte: „Wir haben einfache Dinge gelernt, die man im Alltag vergisst“, sagt sie. Sie denkt an ein von Gabriele Sorwat angeleitetes Spiel, bei dem sich alle Kinder ganz klein und dann wieder groß machen sollten. „Sie lernen dadurch, sich zurückzunehmen, aber auch Position zu beziehen“, erklärt Gabriele Sorwat dazu. Der Kindergarten hatte zudem das Glück, in der Teckhalle ein Evopäd-Turnen anbieten zu können, bei dem die eigenen Stationen durch Geräte der Evolutionspädagogin ergänzt wurden.

Ein Kuscheltier unter den Arm geklemmt, folgt Luana singend den Linien des Labyrinths. „Ah, so muss ich laufen“, sagt Jacob fröhlich, als auch er den Weg zur Mitte gefunden hat. „Das Labyrinth dient der Sprachsicherheit“, erklärt Wiltraud Bandle. Meist nutzen es Kinder gerne, die bald in die Schule kommen. Doch auch kleinere Jungen und Mädchen profitierten von den Angeboten. Die Erzieherin erzählt von einem dreijährigen Jungen, der kaum sprechen konnte. Auf den Rat von Gabriele Sorwat wurde er animiert, auf der Karussellscheibe zu laufen, zu klettern und Treppen zu steigen. „Jetzt spricht er Zwei-Wort-Sätze“, sagt Wiltraud Bandle erfreut.

Zwei Kinder, die neu im Kindergarten Bahnhofstraße waren, seien während der 14 Tage viel auf dem Fisch gewesen, um während der Eingewöhnung durch das Wippen Sicherheit zu erlangen.

Wiltraud Bandle sieht die Evolutionspädagogik als optimale Ergänzung zum Infans-Konzept, das der Kindergarten Bahnhofstraße bereits praktiziert. „Wir beobachten die Kinder und sehen, wo ihre individuellen Interessen und Themen liegen“, erklärt die Erzieherin. „Über ihre Stärken versuchen wir sie abzuholen. Dadurch entwickelt sich auch das, was sie nicht so gut können.“

Obwohl der Evopäd-Parcours längst wieder abgebaut ist, bleibt einiges davon in den Owener Kindergärten: Beide Häuser dürfen ein Labyrinth behalten. Im Kindergarten Bahnhofstraße soll zudem ein Kickboard für die Stufe des Reptils angeschafft werden, in dem die Kraft steckt. Geräte wie der Kriechtunnel, ein Klettergerüst und eine Langbank, mit denen der Turnraum ohnehin ausgestattet ist, dienen künftig ebenfalls dazu, ins Gleichgewicht zu kommen.

Auch die Owener Grundschullehrer befassen sich mit der Evolutionspädagogik. Zum Auftakt bekommen sie Ende November eine Fortbildung von Gabriele Sorwat. Ihnen soll diese Form der Pädagogik dazu dienen, Lern- und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern besser zu verstehen.

Evolutionspädagogik

Die eng mit der Hirnforschung zusammenarbeitende Evolutionspädagogik geht davon aus, dass jeder Mensch Entwicklungsstufen vom Fisch über die Amphibie, das Säugetier bis zum Affen, Urmenschen und Menschen durchläuft. Konzentrationsstörungen, auffälliges Verhalten oder auch Depressionen können demnach Zeichen dafür sein, dass einzelne Stufen zu wenig ausgeprägt sind. Geräte eines Evopäd-Parcours wie das Wippbrett, Sprossenleitern, Tunnel und Matten dienen dazu, die Stufen zu trainieren. ank