Lenninger Tal

Atempause nach der Schule

Ein freiwilliges ökologisches Jahr hilft Potenziale und Talente zu entdecken

Nico Staiger (rechts) und Tamara Seidl (Mitte) haben ihr FÖJ im Naturschutzzentrum in Schopfloch erfolgreich zur Berufsorientier
Nico Staiger (rechts) und Tamara Seidl (Mitte) haben ihr FÖJ im Naturschutzzentrum in Schopfloch erfolgreich zur Berufsorientierung genutzt. Ein Jahr haben sie Kindern und Erwachsenen den Naturraum auf der Schwäbischen Alb nahegebracht.Fotos: Daniela Haußmann

Die 110 Plätze im Land für ein FÖJ sind begehrt. Aus gutem Grund, wie die beiden Freiwilligen des Naturschutzzentrums Schopflocher bestätigen.

Daniela Haussmann

Lenningen. Tamara Seidl und Nico Staiger greifen zum Akkuschrauber. Heute bauen die beiden FÖJ-Teilnehmer des Naturschutzzentrums Schopflocher Alb mit einer vierten Klassen aus Erkenbrechtsweiler Nistkästen für Fledermäuse. Der 10-jährige Patrice ist begeistert. Heute hat er erfahren, wo die Tiere vorkommen, wie sie leben, jagen und sich fortbewegen. Zusammen mit Nico Staiger zieht er die letzten Schrauben fest. Stolz präsentiert der Schüler das Ergebnis seiner Mutter.

In den vergangenen elf Monaten haben Tamara Seidl und Nico Staiger Schulklassen durchs Schopflocher Moor geführt und ihnen dessen Entstehung und seine Bedeutung als Lebensraum für Pflanzen und Tiere erklärt. Sie betreuten Kindergeburtstage in der Natur, tauchten mit Besuchergruppen in die Geogeschichte der Schwäbischen Alb ein, bauten Wohnungen für Wildbienen und gestalteten einen Survival-Nachmittag, an dem sie mit den kleinen Besuchern des Naturschutzzentrums Pfeil und Bogen bauten und ein Lagerfeuer entfachten. Die beiden Engagierten blicken gerne auf diese Zeit zurück. „Ich habe viel im Bereich Pädagogik gelernt“, berichtet Tamara Seidl. „Schließlich ist keine Kinder- und Schülergruppe wie die andere. Jedes Mal musste ich mir von Neuem überlegen, wie ich die Gruppen anspreche, motiviere, ihre Aufmerksamkeit steuere oder ihnen ein Thema altersgerecht vermittle.“

Bevor die 19-Jährige ihr FÖJ antrat, war sie bei Referaten ziemlich aufgeregt. Durch die Arbeit im Naturschutzzentrum hat sich das gelegt. „Ich kann heute freier vor Gruppen sprechen und habe gelernt, auf Menschen zuzugehen. Ich bin viel kommunikativer geworden“, lächelt sie. „Und ich habe festgestellt, dass ich mit Kindern super zurechtkomme. Das hat mich selbst überrascht.“

Auch Nico Staiger hat seine Stärken und Neigungen während des FÖJ besser kennengelernt. Zusammen mit den Rangern, die für die Landschaftspflege zuständig sind, kontrollierte er Grillstellen, baute Bänke, schnitt Büsche zurück, pflegte Hecken und häckselte Schnittgut. „Das war cool“, berichtet der 18-Jährige. „Da konnte ich richtig anpacken und arbeiten.“ Das hat ihn in seinem Wunsch, eine Ausbildung zum Forstwirt zu machen, bestärkt. Für beide war die Zeit im Naturschutzzentrum eine Hilfe bei der Berufsorientierung.

Für Tamara Seidl steht fest, dass sie einen grünen Beruf ergreifen will. „Ich kann mir vorstellen, Ressourcenmanagement Wasser in Rottenburg zu studieren oder Landschaftsarchitektur“, erzählt sie. „Direkt nach dem Abitur hätte ich nicht gewusst, was ich beruflich machen will.“

Die Biologin Ulrike Walter ist überzeugt, dass das FÖJ die sozialen Kompetenzen der jungen Leute fördert: „Sie lernen also nicht nur, überall mit anzupacken und flexibel zu sein, sondern auch, was Teamfähigkeit bedeutet oder selbstständig zu arbeiten.“

Im Naturschutzzentrum ist kein Tag wie der andere. Und gerade das macht für Tamara Seidl und Nico Staiger den Reiz aus. „Man häuft nicht nur Wissen über die Pflanzen- und Tierwelt auf der Alb an“, weiß Staiger. „Man lernt hier fürs Leben.“

Ein FÖJ kann laut Dr. Wolfgang Wohnhas auch in der ökologischen Land- und Forstwirtschaft, in Natur- und Umweltschutzgruppen oder in Umweltabteilungen von Kommunen und Wirtschaftsunternehmen durchlaufen werden. Aber die Vielfalt und Abwechslung, die das Naturschutzzentrum biete, sei etwas Besonderes, wie der Biologe und Zentrumsleiter betont. „Darüber hinaus können die Praktikanten ein eigenes Projekt realisieren, das sie entsprechend ihrer Interessen akzentuieren können.“

Für Wohnhas sind FÖJ-Teilnehmer eine wichtige Stütze des Naturschutzzentrums. „Ohne sie könnten wir die Kinder- und Schulklassenangebote nicht stemmen“, erzählt er. „Rund eine Million Euro stellt das Land für die 110 FÖJ-Plätze bereit, gleichzeitig müssen die Stellen, die es durchführen, finanziell immer mehr zuschießen. Da würde ich mir vom Land mehr Unterstützung erhoffen.“ Auch weil die FÖJler eine Bereicherung seien. Sie würden sich mit Ideen, Anregungen und neuen Sichtweisen einbringen. Tamara Seidl und Nico Staiger jedenfalls werden ihr Jahr auf der Schopflocher Alb immer in guter Erinnerung behalten und sich vielleicht, genau wie einige ihrer Vorgänger, künftig ehrenamtlich im Naturschutzzentrum engagieren.

Atempause nach der Schule
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