Lenninger Tal

Auf dem Jusi trifft sich die Prominenz

Jubiläum Das Bergfest der Pietisten besteht seit hundert Jahren. Zum Jusi-Fest spricht unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Von Christina Hölz

Der Jusi bei Kohlberg ist ein ausgesprochen markanter Berg am Rand der Alb. Seit hundert Jahren zieht er einmal im Jahr Hunderte
Der Jusi bei Kohlberg ist ein ausgesprochen markanter Berg am Rand der Alb. Seit hundert Jahren zieht er einmal im Jahr Hunderte von Gästen an: zum Jusi-Fest der Apis. Foto: Regierungspräsidium Stuttgart

Einmal im Jahr ist der Jusi-Gipfel so bevölkert wie die Seiser Alm in den Südtiroler Dolomiten: Familien mit Kleinkindern erklimmen den Berg, vergnügen sich bei Freiluftspielen und brutzeln ihre Rote. Daneben sitzen ältere Leute, schwätzen und singen. Es sind Senioren, die das Wandern mittlerweile anderen überlassen - aber zum Bergfest schnüren sie nochmals die Turnschuhe, packen ein Vesper ein und mühen sich auf den oft schmalen Wegen hoch auf den einstigen Vulkanschlot über Kohlberg. Auch, weil sie dort auf renommierte Theologen treffen, die sonst nicht in jeder Kirche predigen. Aus der Ferne betrachtet wirkt das Jusi-Treffen der Evangelischen Gemeinschaften (Apis) wie eine Mischung aus Volkswandertag, Familienfest, Pilgerhochburg und Kirchentagstrubel. Dabei finden die Veranstalter selbst einen ganz schlichten Begriff für ihre Traditionsveranstaltung: Das Jusi-Fest sei ganz einfach die „älteste Kirche im Grünen“ sagen sie. Nicht ganz zu Unrecht - gefeiert wird am Sonntag, 28. Juli, nämlich zum 100. Mal.

1919 hat alles angefangen. Deutschland am Boden, die hungernde Bevölkerung jeglicher Illusion beraubt. Wer es in diesen Zeiten wagt, kirchliches Leben und Rituale des Glaubens neu zu denken, darf als Pionier bezeichnet werden. Ein Pfarrer aus Dettingen an der Erms leitete die dort bis heute stark vertretenen pietistischen Gemeinschaften. Und seine Perspektive reichte hinaus über die engen Grenzen des dörflichen Lebens. Mindestens den Jusi-Gipfel mit seiner unendlichen Weite und Sicht bis fast in den Schwarzwald hatte der Seelsorger im Blick. Und dort oben siedelte er vor 100 Jahren den ersten Freiluft-Gottesdienst in der Region an.

Ein großer Schritt war das, aber auch ein prompter Erfolg, schildert Anke Pflugfelder vom Evangelischen Gemeinschaftsverband der Apis in Stuttgart: „Das Kirchenvolk folgte in großer Zahl auf den Berg. Fortan wurde jedes Jahr Kirche auf dem Jusi gefeiert.“ Nicht umsonst bezeichnet der Vorsitzende der Apis, Pfarrer Steffen Kern, das Jusi-Treffen als den „Gottesdienst mit der schönsten Aussicht im Land“. Wer mit der Jusi-Gemeinde feiere, sei dem Himmel ein Stück näher.

Die 100. Auflage des Bergfestes ist auch deswegen etwas Besonderes, weil sich auf dem Kohlberger Hausberg reichlich Prominenz aus Kirche und Politik die Ehre gibt. Sogar Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sein Kommen angekündigt. Der Regierungschef ist bekennender Katholik und gilt als Mann des Glaubens. Und der Jusi liegt bekanntlich mitten im Wahlkreis Nürtingen, den Kretschmann im Landtag vertritt. Er hält beim Jubiläum die Festrede.

Neuerlicher Gast beim Bergfest, das die Apis in Kooperation mit dem Evangelischen Jugendwerk im Bezirk Nürtingen ausrichten, ist Landesbischof Frank Otfried July. Er hält die Predigt. Vielleicht klappt‘s diesmal ohne Regengüsse - beim Besuch des Landesbischofs vor einigen Jahren schüttete es. Weiter spricht am Nachmittag der Leiter des Evangelischen Jugendwerkes, Pfarrer Cornelius Kuttler.

Prominente Redner gehören zur Geschichte des Jusi-Treffens wie die Rote Wurst zum offenen Feuer. Besonders in den Nachkriegsjahren wurde das Fest zur Massenveranstaltung. Damals strömten regelmäßig bis zu 3 000 Besucher auf den Jusi, um eine „Bergpredigt“ bekannter Pfarrer aus ganz Deutschland zu hören.

Erst 1974 wurde offiziell nach dem Vorbild des Jusi-Treffens die „Kirche im Grünen“ gegründet, die seither ein fester Bestandteil der landeskirchlichen Arbeit ist. Am Konzept des Jusi-Treffens wollen die Veranstalter auch weiterhin festhalten. Durch die Zeiten hindurch sei der Gottesdienst „immer im besten Sinne missionarisch ausgerichtet gewesen“, sagt Sprecherin Anke Pflugfelder. Eine lebensnahe Predigt, Begegnung, Zeit zum Grillen und für Gespräche kennzeichnen die Treffen.

„Wir geben nicht einfach ein Programm vor, sondern wir teilen ein Erlebnis. Wahrscheinlich ist das das Geheimnis der Jusi-Treffen“, urteilt der Vorsitzende der Gemeinschaft, Pfarrer Kern.

100 Jahre Jusi-Treffen mit Landesbischof JulyDas Jubiläums-Treffen am Sonntag, 28. Juli