Die Everest-Prüfung, 8848 Höhenmeter an einem Tag, gilt aktuell als die ultimative Herausforderung für sportliche Radfahrer. Sich mit dem Rad auf das Dach der Welt zu schwingen, war vor 25 Jahren einem Sportler aus dem Lenninger Teilort Hochwang noch zu wenig. Rainer Klaus ist am 5. Juli 1996 innerhalb von 24 Stunden nicht weniger als 59 Mal die Hochwanger Steige hoch und runter gefahren. Die dabei gesammelten 15 458 Höhenmeter haben dem damals 32 Jahre alten Sportler einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde beschert. Sein Höhenrekord hatte beinahe zehn Jahre Bestand.
Den technischen Fortschritt herausgerechnet, würde sich die Radsportgemeinde wohl heute noch die Zähne daran ausbeißen. „Mein Rad war 11,3 Kilogramm schwer. Auf das heutige Material übertragen, wäre ich bald 60 Mal mit einer Fünf-Kilogramm-Waschmittelpackung auf dem Rücken den Berg hochgeradelt“, sagt Rainer Klaus. Sein Pech: Höhenweltrekorde mit Waschmittelpackungen im Gepäck werden nicht erfasst.
An den Samstag vor 25 Jahren erinnert sich Rainer Klaus noch gut. „Es hot g’soicht wia d’Sau“, sagt er. Deshalb habe der Start von acht auf neun Uhr verschoben werden müssen. In den vordigitalen Zeiten mussten vier vertrauenswürdige Helfer die Durchgangszeiten notieren. So ist dokumentiert, dass Rainer Klaus während seiner 24-Stunden-Fahrt insgesamt 530 Kilometer zurückgelegt hat, mit einem Bergauf-Durchschnitt von rund 19 Stundenkilometern. Die Protokolle, samt der vom Landesmessungsamt beglaubigten 262 Höhenmetern pro Runde, wurden dann an die Guinness-Redaktion nach Hamburg gesandt. Im Jahrbuch 1998 hat Rainer Klaus dann seinen Rekord schwarz auf weiß nachlesen können.
Ob er sich auf die Tortur speziell vorbereitet hat? „ Ja, ich bin am Tag vorher nicht Rad gefahren“, schmunzelt der Ausdauerradler. Das will etwas heißen für einen Mann, der im vergangenen Jahr 47 000 Kilometer im Sattel saß. Für Rainer Klaus ist der Höhenrekord nur eine Fußnote in einem bewegten Leben. Fünf Jahre später hat er das Race Across America, die 5000 Kilometer lange Wettfahrt von der West- an die Ostküste der USA, auf Platz fünf beendet. Seine Zeit damals, zehn Tage und 14 Stunden, war bis zum Jahr 2016 die beste Zeit, die je ein deutscher Starter erreicht hatte. Die Great Divide, die Solofahrt von Kanada entlang der Wasserscheide nach Mexiko, die von einem Dingo jäh gestoppte Rekordfahrt durch Australien und die 29 Tage, die er die 7000 Kilometer zum Nordkap und zurück geradelt ist, zählen zu den herausragenden Leistungen des Sportlers. Eine Profikarriere hatte der bodenständige Älbler nie im Sinn. „Ich bin nie Rad gefahren, um Rennen zu gewinnen, sondern weil ich kein Auto fahren wollte. Und als ich richtig gut war, war ich zu alt“, sagt er.
Jetzt ist er zwar bald 58 Jahre alt, aber noch nicht zu alt, um sich nicht noch einen Traum zu erfüllen. Rainer Klaus ist auf dem Weg zum Million Miles Man. Gerade mal zwei Menschen weltweit, ein 82 Jahre alter Engländer und ein Amerikaner, haben bisher die 1,609 Millionen Kilometer als Lebensleistung auf dem Fahrradtacho stehen. Dem diplomierten Meteorologen, der sein Hobby mittlerweile als Testfahrer und Entwickler für namhafte Fahrrad- und Komponentenhersteller finanziert, fehlen noch 220 000 Kilometer. Eine Wiederholung der Guinness-Fahrt ins Rekordbuch kann er sich indes nicht vorstellen. Nicht, weil er es nicht könnte, sondern aus Selbstschutz. „Die Aggressivität der Autofahrer gegenüber den Radfahrern hat zugenommen“, sagt er.