Lenninger Tal

Aus Owen in die Formel 1

Auf dem alten Novibra-Areal werden jetzt Möbel, Dächer und Hydraulikzylinder gebaut

Achtzehn Jahre lang stand das ehemalige Novibra-Gelände am Owener Ortsrand mehr oder weniger leer. Aus zwei verkommenen Hallen hat der Maschinenbauer Ewo einen neuen Gewerbestandort gemacht. Von dort aus liefert er europaweit Hydrauliksysteme – bis in die Formel 1.

Achim Rebmann ist ein Owener Zimmereimeister. Fotos: Jean-Luc Jacques
Achim Rebmann ist ein Owener Zimmereimeister. Fotos: Jean-Luc Jacques

Owen. Wer durch die Innenräume der großen Hallen des alten Novibra-Geländes in Owen geht, riecht ständig etwas anderes. Gerüche von Holz, Lack, Metall und Rauch wechseln sich im Minutentakt ab. Einzig das Tönen großer Maschinen ist ein ständiger Begleiter. Den Staub des jahrelangen Leerstands haben sich die Gebäude längst abgeschüttelt, Böden, Wände und Decken wurden in den vergangenen Jahren frisch gemacht. Es ist wieder etwas los auf dem alten Fabrikgelände – nach einer langen Pause. Trotzdem wüsste auch drei Jahre nach dem Neustart kaum jemand, was dort eigentlich jetzt passiert, beklagt sich der jetzige Eigentümer Markus Wolf. Dabei ist das Gelände, heute wie früher, kaum zu übersehen.

Wolfs Firma Ewo hatte das Gelände 2013 gekauft. Die Zeit hatte zu dem Zeitpunkt schon deutliche Spuren hinterlassen. „Das alles hier war sehr sanierungsbedürftig als wir eingezogen sind“, erklärt der Geschäftsführer. Doch für sie war die Sanierung eine lohnende Investition. Die Lösung sei laut Wolf „optimal“. Ursprünglich war Ewo in Bissingen ansässig, wo die Firma allmählich aus ihren Räumlichkeiten herauswuchs, Ausbaumöglichkeiten gab es dort keine.

Jetzt sitzt Ewo seit fast drei Jahren in Owen. Die Firma stellt Hydraulikzylinder und -systeme her: Ein Geschäft, das weit weniger exotisch ist, als es erstmal klingt. Vom Alltag sind viele der Ewo-Produkte gar nicht weit weg. Die Zylinder werden zum Beispiel als Stützen an Lkws verwendet, die Systeme kommen in Schwimmbädern zum Einsatz. Wolfs Lieblingsbeispiel für eines der Owener Produkte hat es sogar in die Formel 1 geschafft. Auch für McLaren und Ferrari werkelt Ewo an Hydrauliksystemen, die in Sonderfahrzeugen zum Einsatz kommen. Solche Systeme machen bei Ewo rund ein Viertel des Umsatzes aus.

Dass ein 20-Mann-Betrieb kaum den Platz einer ehemaligen Spindelfabrik mit ehemals rund 280 Mitarbeitern einnimmt, liegt auf der Hand. Die überschüssige Fläche vermieten Wolf und sein Geschäftspartner Christian Evesque an die Zimmerei Rebmann und die Schreinerei Krowo. Außerdem haben noch einige andere Firmen ein kleines Büro dort.

Nur eine Tür weiter haben Alexander Kromer und Michael Wolf ihren Arbeitsplatz. Und obwohl Michael Wolf sowohl Nachnamen als auch Geschäftsadresse mit seinem Vermieter teilt, haben die beiden sonst kaum etwas miteinander zu tun. „Wir arbeiten ja in ganz unterschiedlichen Bereichen“, sagt Vermieter Wolf. „Hier laufen wir uns höchstens mal auf dem Hof über den Weg.“ Alexander Kromer und Michael Wolf betreiben eine kleine Schreinerei. Sie bauen Möbel, Küchen, richten ganze Wohnungen ein und legen auch das Parkett. Die beiden sind zwei Kirchheimer Tüftler, die ihre Vollzeitstelle irgendwann aufgegeben haben und sich zusammen selbstständig machten. „Als Angestellte konnten wir die Dinge nicht so umsetzen wie wir wollten. Wir sind Schaffer“, sagt Alexander Kromer. Für ihre neue Freiheit nehmen sie auch in Kauf, den Kopf abends nicht mehr einfach abstellen zu können.

Die Zimmerei Rebmann ist der dritte Betrieb im Bunde. In den Räumen ist es auffällig still. Außer Chef Achim Rebmann sind im Moment alle ausgeflogen. „Meistens fahren wir morgens auf die Baustelle und kommen abends irgendwann wieder“, erklärt der Zimmerermeister. Die Leere ist kein seltener Zustand. Rebmann und seine zwei Gesellen sind derweil im Lenninger Tal und in der Region unterwegs, um Dächer, Terrassen oder Fenster zu bauen. Nur seine Frau Bettina Rebmann verwaltet die Firma im hölzernen Büro der Zimmerei. Die Familie wohnt schon immer in Owen, lange bevor Ewo und Krowo gekommen sind. Und auch auf dem Gelände der ehemaligen Novibra GmbH waren sie schon fünf Jahre vor der Übernahme durch Ewo.

Bis 2013 hatte das Areal noch einer Firma gehört, die die Novibra GmbH in den Neunzigerjahren übernommen hatte. Bevor Ewo kam, wurde das Gelände lediglich an einen Schnäppchenmarkt und andere kleine Geschäfte vermietet.

Zur Owener Leistungsschau öffnen lokale Betriebe aus Handwerk, Handel und Dienstleistung morgen von 12 bis 17 Uhr ihre Türen für Besucher – unter anderem auch Ewo, Schreinerei Krowo und Zimmerei Rebmann. Unter dem Motto „Kauf ein daheim“ ist der Tag mit einem verkaufsoffenen Sonntag verbunden.

Schreinerei KroWo (Foto)  in Owen:  Zusammen mit  Firma Ewo und Zimmerei Rebmann sind sie auf dem alten Gelände der Novibra GmbH
Schreinerei KroWo (Foto) in Owen: Zusammen mit Firma Ewo und Zimmerei Rebmann sind sie auf dem alten Gelände der Novibra GmbH ansässig
Firma Ewo (Foto) in Owen:  Zusammen mit  Schreinerei KroWo und Zimmerei Rebmann sind sie auf dem alten Gelände der Novibra GmbH
Firma Ewo (Foto) in Owen: Zusammen mit Schreinerei KroWo und Zimmerei Rebmann sind sie auf dem alten Gelände der Novibra GmbH ansässig
Zimmerei Rebmann (Foto) in Owen: Zusammen mit einer Schreinerei und Ewo sind sie auf dem alten Gelände der Novibra GmbH ansässig
Zimmerei Rebmann (Foto) in Owen: Zusammen mit einer Schreinerei und Ewo sind sie auf dem alten Gelände der Novibra GmbH ansässig

Die alte Spindelfabrik Novibra: Von Bombenschlägen nach Owen gelotst

Adlersaal wird zur Fabrik: Eigentlich stammt die Novibra GmbH aus Stuttgart. Doch 1944 wurde das Betriebsgelände von Novibra in Bad Cannstatt durch Bomben vollständig zerstört – für den Gründer, Carl Staufert, ein großer Rückschlag. Um zumindest einen Teil der Produktion fortführen zu können, brachte er die Novibra in seine Heimatstadt Owen. Vorübergehend wurde der Betrieb in den Saal der Owener Gaststätte Adler verlagert. Dort konnte man immerhin ein paar Maschinen unterbringen. Nach dem Krieg entstanden die Fabrikhallen in der Neuen Straße: Aus der Übergangslösung wurde schließlich eine feste Zweigstelle an der Teck.

Erfolgsgeschichte: Rund 280 Mitarbeiter, darunter auch viele Owener, beschäftigte die Firma unter dem Sohn des Gründers und späterem Chef Helmut Staufert in ihren besten Zeiten. Die hergestellten Textilspindeln und elektronischen Messtechniken wurden zu großen Teilen ins Ausland exportiert, erinnert sich der damalige Leiter der Materialwirtschaft Kurt Stümpflen. Ihre Besonderheit steckt schon im Namen: Novibra-Spindeln vibrierten nicht. Auch der „Nachbar“ Leuze Textil sponn teilweise mit Novibra-Erzeugnissen. Fast 50 Jahre lang war die Spindelfabrik so eine große Nummer in Owens Gewerbelandschaft.

Soziale Siebziger: Helmut Staufert galt als äußerst sozial. Für seine Mitarbeiter förderte er den Wohnungsbau in Owen. In den Siebzigerjahren gab es in den Betriebsräumen sogar einen kleinen „Kindergarten“ für den Nachwuchs beschäftigter Frauen. Dort wurden bis zu zehn Kinder betreut. Die leitenden Angestellten wohnten in einem großen Haus direkt auf dem Betriebsgelände.

Anfang vom Ende: Als einer der Hauptkunden zur Konkurrenz wechselte, wurde der Anfang vom Ende der Novibra GmbH eingeläutet. Damit brachen plötzlich etwa 70 Prozent des Umsatzes weg. 1985 starb Helmut Staufert bei einem Betriebsunfall: Bei einem Experimentier-Versuch explodierte eine Spindel und verletzte ihn tödlich.

Zweites Leben in Tschechien: Ende der Achtzigerjahre wurde der Elektronikzweig der Firma verkauft. Ein Konzern in Süßen übernahm das Spindelgeschäft, und auch die Verwaltung wanderte aus Owen ab. Einzelne Maschinen wurden nach Tschechien, China und Indien verlagert. 1994 war dann endgültig Schluss in Owen: Die letzten Mitarbeiter mussten ihre Sachen packen. Doch der Name der Firma lebt in Tschechien weiter: Noch heute werden in Boskovice Novibra-Spindeln produziert. mona