Lenninger Tal

Beim Einsatz fährt das Risiko mit

Stress, Hektik, Aufregung und das unkalkulierbare Verhalten anderer sind bei jeder Alarmierung im Spiel

Wenn Michael Eberle und seine Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr Lenningen ausrücken, geht es meist um Leib und Leben. Doch die Einsatzfahrten mit Blaulicht und Sirene bergen ein Risiko.

So sicher wie bei dieser Übung in Lenningen geht es im Ernstfall nicht unbedingt zu.Foto: Daniela Haußmann
So sicher wie bei dieser Übung in Lenningen geht es im Ernstfall nicht unbedingt zu.Foto: Daniela Haußmann

Lenningen. Drei Beispiele: Im Juli 2012 kippte in Winnenden ein Löschfahrzeug um, im März 2014 fiel ein Tanklöschfahrzeug in Laupheim zur Seite, und in Nürtingen kippte im Juni desselben Jahres die Feuerwehr mit ihrer Drehleiter auf einen Pkw. – Einsatzfahrten sind Ausnahmesituationen im Straßenverkehr. „Sie werfen einerseits das Problem auf, schnell anzukommen um lebensrettende Hilfe zu leisten“, erklärt Michael Eberle. „Andererseits muss aber eine Sicherheitsreserve gewährleistet sein, mit der sich Unfälle verhindern lassen.“

Stress, Hektik, Aufregung und das unkalkulierbare Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer sind Faktoren, die dem Kommandanten der Lenninger Feuerwehr zufolge bei jeder Alarmierung im Spiel sind. „Alle Feuerwehrleute sind schon bei Einsätzen dabei gewesen, bevor sie sich zum Maschinisten weiterbilden“, sagt Eberle. „Auf die Art lernen sie, mit den Einflüssen und Belastungen, die bei der Fahrt zum Gerätehaus und von dort zum Einsatzort auftreten können, umzugehen.“

Das Lenken des Fahrzeugs ist laut Michael Löw nur ein Aspekt unter vielen, den ein Maschinist erfüllt. „Er ist für die Bedienung des Fahrzeugs und seiner Aggregate an der Einsatzstelle zuständig“, berichtet der Feuerwehrmann. „Je nach einsatztaktischem Wert seines Fahrzeugs übernimmt der Maschinist die Atemschutzüberwachung oder fungiert als Führungsgehilfe des Einsatzleiters.“ Den Funkverkehr während der Fahrt übernehme da zwar der Beifahrer – trotzdem müsse der Maschinist immer mit einem Ohr zuhören, damit wichtige Instruktionen nicht an ihm vorbeigehen. Abgesehen von technischen, fahrphysikalischen und gesetzlichen Hintergründen spielen damit laut Michael Eberle bei Fahrten mit Sondersignal auch psychologische Faktoren eine Rolle.

„Eine gute Ausbildung und regelmäßige Übungen sind deshalb wichtig“, betont Oliver Mayer. „Angehende Maschinisten bekommen so ein Gefühl für die Fahrzeuge.“ Auf einem abgeschlossenen Gelände trainieren sie bei höheren Geschwindigkeiten Kurvenfahrten, Vollbremsungen oder Ausweichen. Zwischenzeitlich gibt es die Möglichkeit, in einem 4D-Fahrsimulator Verkehrssituationen wirklichkeitsgetreu durchzuspielen.

„Eine Fahrt bei Schnee, Regen, Tag oder Nacht, in der Stadt oder auf dem Land lässt sich nicht nur simulieren, sondern auch aufzeichnen und auswerten“, so Oliver Mayer. „Das erhöht den Lernerfolg.“ Nicht jeder Maschinist fährt berufsbedingt Lkw. „Gerade deshalb sind regelmäßige Trainings wichtig“, betont Michael Eberle. „Mit dem Simulator ist das kostengünstig möglich.“

Die Unfallkasse des Bundes gibt an, dass im Vergleich zu Fahrten ohne Sondersignal, bei solchen mit Blaulicht und Sirene, ein vierfaches Risiko für Unfälle mit tödlichem Ausgang bestehe, ein achtfaches Risiko für Unfälle mit Schwerverletzten und ein sechzehnfaches Risiko für Unfälle mit hohem Sachschaden. Ein hohes Gefahrenpotenzial besteht Michael Eberle zufolge auf Kreuzungen. „Wenn ein Autofahrer das Martinshorn nicht hört, kann es zum Zusammenstoß kommen“, sagt der Kommandant. „Eine Kreuzung gilt es daher mit äußerster Vorsicht zu überqueren.“ Tückisch seien auch aufgeweichte Fahrbahnränder. Wenn ein Einsatzfahrzeug auf sie gerät, kann es durchaus passieren, dass es ins Rutschen gerät, wie Eberle erklärt.

Michael Löw berichtet, dass die Kameraden darauf achten, nicht zu schnell zu fahren. „Die Geschwindigkeit darf bei Einsatzfahrten nur mäßig höher sein als normal. Darauf machen einen die Kameraden aufmerksam, dass man langsamer fahren soll oder an welchen Stellen man besonders achtgeben muss.“ Ein Unterschied besteht aus Sicht von Oliver Mayer darin, ob das Einsatzgebiet in der Stadt oder im ländlichen Raum liegt. Der Faktor Verkehr, enge Straßen und Fahrfehler anderer Verkehrsteilnehmer wiege in Ballungsräumen schwerer.

„Unabhängig davon muss immer der Vorsatz gelten, Menschen in Notlagen zu helfen und nicht durch einen Unfall eine weitere Notsituation zu erzeugen, betont Michael Eberle. „Auch wenn das bedeutet, dass eine oder zwei Minuten auf dem Weg zum Einsatzort verloren gehen.“