Lenningen. „Kletterin, weiblich, 16 Jahre, ist infolge eines Steinausbruchs aus etwa 15 Metern abgestürzt und liegt schwer verletzt am Fuße des Stellfelsens im Gebiet der Lenninger Alb. Ihre gleich alte Kletterpartnerin wurde beim Sichern durch herabstürzende Felsbrocken getroffen und rutschte den steilen, dicht bewaldeten Abhang hinunter.“ Diese Meldung geht per Handy an die Rettungsleitstelle. Von dort werden umgehend Notarzt, Rettungsdienst sowie die Bergwacht alarmiert – ein gestelltes Szenario, wie es die Bergwacht jedoch immer häufiger in der Realität erlebt.
Unwegsames alpines Gelände, nicht befahrbarer Wanderpfad, Fluss- oder Bachbett – im Rettungsdienst ist die Bergwacht die einzige Organisation, die sich als Helfer in der Not abseits jeglicher Straßen spezialisiert hat. „Präklinische Erstversorgung, Herstellung der Transportfähigkeit, Abtransport bis zur Übernahme durch den Rettungsdienst. Wir fangen da an, wo andere aufhören, bei jedem Wetter, in jedem Gelände, 24 Stunden an 365 Tagen“, betont Günter Wöllhaf, Landesleiter der Bergwacht Württemberg, und ergänzt: „Nicht zu vergessen die Durchführung von Naturschutz-Streifen und Projekten, wie zum Beispiel die Landschaftspflege.“ So ist die Teckmauer zu sehen, weil sie die Bergwacht vom Efeu befreite.
Die Bergwacht Württemberg absolviert unter der Einsatzleitung von Tobias Magenau und Bereitschaftsleitung von Edgar Balzer eine aufwendige Großübung mit Sicherungsaufbau im schwer zugänglichen Steilgelände der Schwäbischen Alb zum Wandfuß, Erstversorgung, Rettung sowie Abtransport der Schwerverletzten. Die erfahrenen und intensiv ausgebildeten Helfer unterscheiden in ihrem Tun nicht zwischen Übung, Training oder Ernstfall. Wie bei jedem Unglück kommt es auf die Minute an. Jasmin Kuch und Michelle Clauß werden vor Ort notärztlich versorgt und gut fixiert liegend in einer Gebirgstrage sowie in einem Bergesack routiniert und dennoch vorsichtig hochgetragen oder mittels Zweibein entlang der steilen, überhängenden Felswand nach oben gezogen. Die beiden unverletzten Mädchen von der Jugendfeuerwehr Schopfloch haben sich mutig zur Verfügung gestellt.
Nach einem vierjährigen Umstrukturierungsprozess geht das Einsatzleitgebiet Esslingen der Bergwacht Württemberg fortan mit diesem neuen Einsatzleitermodell an den Start. Kongenial und Hand in Hand agierten die beiden Bergwacht-Bereitschaften Lenninger Tal und Stuttgart, vermittelten den außenstehenden Zaungästen Sicherheit und Vertrauen. Zuweilen mit im Team ist die Feuerwehr Schopfloch. Ganz klar signalisiert die Bergwacht: Die Anforderungen an die rund 1 500 freiwilligen Helfer steigen kontinuierlich. „Allein im vergangenen Jahr waren es bei 375 Einsätzen circa 112 330 Stunden“, rechnet Günter Wöllhaf vor und sein Stellvertreter, Armin Guttenberger, fügt hinzu: „Die einzelnen Abteilungen finanzieren sich ausschließlich anhand von Spenden, bescheidenen Gewinnen aus Festen sowie aus eigener Tasche und gewährleisten dadurch den Fortbestand des Rettungsdienstes.“ Viele Gerätschaften, wie zum Beispiel das Zweibein, wurden von der Bergwacht Lenninger Tal selbst bezahlt. Winfried Mess, Geschäftsführer der DRK-Bergwacht Stuttgart: „Vom Land bekommen wir für Fahrzeuge und Rettungsmittel-Equipment 50 000 Euro pro Jahr. Diese Summe wird im Vorfeld von der Gerätekommission so festgeschrieben. Dazu fließen gleichfalls jährlich 62 000 Euro Sportfördermittel sowie 13 000 Euro Ausbildungsförderung.“ Anvisiert werden von der Bergwacht Württemberg, insgesamt sind es 19 Bereitschaften, und Bergwacht Schwarzwald, dort sind es 25 Bereitschaften, insgesamt 1,6 Millionen Euro. Die Verhandlungen laufen derzeit, doch der Referatsleiter befürchtet, dass sich die Budgetverhandlungen vom Land sowie den Vertretern der Krankenkassen hinziehen. Der längst fällige Umbruch, „so behandelt zu werden wie der gängige Rettungsdienst“, wird seiner Ansicht nach wohl erst 2017 zum Tragen kommen.