Kreis Esslingen. Bernd Sieber, Geschäftsführer des Klinikums Esslingen, beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem geplanten Krankenhausstrukturgesetz und lässt kaum ein gutes Haar an der geplanten Reform: „Niemand kann etwas gegen eine hohe Qualität im Krankenhaus haben. Das erwarten die Patienten, darauf müssen sie sich verlassen können, und das sind wir ihnen schuldig.“ Der Ansatz, über einen Qualitätswettbewerb zu einer Steigerung zu kommen, sei im Prinzip richtig. „Qualität muss aber bezahlt werden, und genau daran scheitert es. Das Ganze ist eine Mogelpackung, weil Qualität eben nicht belohnt wird“, findet er klare Worte. Sieber steht mit seiner Kritik nicht allein. In den vergangenen Monaten hat sich eine breite Front von Kritikern der Krankenhausreform gebildet. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland mit rund 2 000 Kliniken, lehnt den Gesetzentwurf ebenso ab wie die Gewerkschaft Verdi und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände.
Alle eint die grundsätzliche Befürchtung, dass die geplante Reform zwar als Qualitätsoffensive bezeichnet wird, sich dahinter jedoch ein Sparkurs verbirgt, der letztlich zulasten der finanziellen Substanz der Krankenhäuser, des Personals, der medizinischen Versorgung der Patienten und damit der Qualität geht. Wie die DKG vorrechnet, klemmt es schon jetzt bei der Finanzierung der Kliniken, ihrer technologischen Ausstattung und beim Personal ganz erheblich. Pro Jahr seien etwa sechs Milliarden Euro für Investitionen nötig, bereitgestellt würden aber lediglich 2,7 Milliarden Euro. Die Personalkosten für die etwa 1,2 Millionen Beschäftigten an den Kliniken könnten bereits derzeit nicht mehr aus den gesetzlichen Budgets bezahlt werden. Die Finanzierungslücke betrage aktuell rund fünf Milliarden Euro.
Die Reform bringe durch ein kompliziertes System an Berechnungsgrundlagen, Zuschlägen und Abzügen weitere Verschlechterungen, beklagen die Kritiker. Allein der geplante Wegfall der Versorgungspauschale koste die Kliniken rund 500 Millionen Euro jährlich, was etwa 10 000 Personalstellen in der Pflege koste. Demgegenüber steht zwar im Gesetzesentwurf ein Förderprogramm in Höhe von 660 Millionen Euro, das 6 350 neue Stellen bringen soll – allerdings verteilt auf drei Jahre. „Eigentlich ist die Qualitätsoffensive nicht mehr als ein Feigenblatt“, kommentiert Thomas Kräh, Geschäftsführer der Kreiskliniken Esslingen.
Bernd Sieber konkretisiert für Esslingen: „Wir haben einen Umsatz von etwa 130 Millionen Euro und sind damit gut aufgestellt. Aber die Personal- und Sachkosten steigen und damit auch die Finanzierungslücke.“ Das aufzulösen gelinge nur durch eine Steigerung der Erlöse, also die Behandlung von noch mehr Patienten. Das geplante Gesetz sehe aber vor, sogenannte Mehrmengenabschläge einzuführen: Für jeden Patienten, der über eine zuvor vereinbarte Anzahl hinaus behandelt wird, bekommt die Klinik einen Abzug bei der Vergütungspauschale aufgebrummt. „Wenn Häuser also Qualität liefern und die Patienten deshalb dort hin kommen, werden sie letztlich bestraft“, moniert Sieber. Verlässliche Qualität in der Versorgung hänge vom Personal ab. Das jedoch verlange eine solide Finanzierung, die Sieber durch die Reform gefährdet sieht: „Den Versorgungszuschlag zu streichen, bedeutet für Esslingen ein Minus von 800 000 Euro jährlich. Das verkraften wir nicht.“
Auch für Thomas Kräh ist das einer der Hauptkritikpunkte. Das Gesetz könne die hohe Versorgungsqualität gefährden: „Die Tariflohn-Erlös-Schere öffnet sich immer weiter.“ Bei den Kreiskliniken klaffe eine Finanzierungslücke von mehr als 14 Millionen Euro. Für Kräh sind jedoch „nach Jahren des Kostensenkungsdrucks“ die Sparmöglichkeiten ausgereizt: „Die Streichung des Versorgungszuschlags würde den Krankenhäusern Kirchheim, Nürtingen und Ostfildern schlagartig rund 1,2 Millionen Euro entziehen. Dies entspricht umgerechnet mehr als 21 Stellen für Pflegekräfte.“
Thomas Kräh befürchtet, dass mit dem Gesetz „die Konsolidierungsbemühungen und die positiven Auswirkungen der Strukturentscheidungen der Kreiskliniken“ unterlaufen würden – mit erheblichen Folgen für die Mitarbeiter und die Patienten. Das sieht auch Sieber so: „Insgesamt kritisieren wir die Reform massiv. Sie geht zulasten der Kliniken, des Personals und damit der Patienten.“