Das Technikum Laubholz kommt nach aktuellem Stand nicht nach Lenningen. Das hat der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, am Montag mitgeteilt. Die Technikum Laubholz GmbH konnte sich mit dem Verkäufer, der Scheufelen Grundstücksgesellschaft, nach langen und zähen Verhandlungen nicht auf einen Kaufpreis einigen. Bis zum Schluss hätten die Erwartungen der Eigentümer weit über dem Angebot der Kaufinteressenten gelegen. Die Preisvorstellung des Technikums und damit des Landes Baden-Württemberg beruhte auf zwei Gutachten.
„Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der baden-württembergischen Haushaltsordnung erlauben keinen Kauf über Wert“, so Peter Hauk in einer Pressemitteilung. „Ich bedauere, dass der Standort Lenningen wohl nicht zum Zug kommt.“ Das Land steht nicht ohne Alternative da. Die Planungen für einen Interimsstandort kämen sehr gut voran. Im Gespräch ist nun ein Standort bei Centrotherm in Blaubeuren.
der beste Standort für diese
innovative Einrichtung.
„Lenningen ist weiterhin der beste Standort für diese innovative Einrichtung“, sagt der Kirchheimer Grünen-Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende, Andreas Schwarz. Bei den Kaufverhandlungen sei man zuletzt nicht mehr so weit auseinander gelegen wie noch im Sommer. Dass der andere Standort nur eine Zwischenlösung sei, erkenne man daran, dass es dort nun lediglich einen Mietvertrag gebe. Umsetzbar sei das Vorhaben in Lenningen aber nur, wenn sich der Verkäufer bewege.
Der Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann hätte das Laubholzinstitut ebenfalls gerne in Lenningen gesehen. „Das wäre ein schöner Abschluss meiner Abgeordneten-Tätigkeit gewesen.“ Noch begräbt er nicht alle Hoffnungen, will sich aber zu den Verhandlungen nicht äußern. Nur so viel: Mit dem verlangten Kaufpreis sei das Ende der Fahnenstange erreicht. Das Land habe darauf nicht einsteigen können: „Der Ball liegt nun im anderen Spielfeld.“
Auch für Dr. Ulrich Scheufelen liegt das Projekt nur auf Eis. Er macht deutlich, dass nicht nur das Technikum Laubholz Interesse hatte, sondern die Grundstücksgesellschaft etliche andere Angebote ausgeschlagen habe. Die Verkäufer hatten sich daran gestoßen, dass sie einen erheblichen Teil der Finanzierung hätten übernehmen sollen. Sprich, das Technikum Laubholz wollte laut Scheufelen nur einen geringen Teil des Kaufpreises sofort bezahlen, den überwiegenden Teil jedoch erst nach und nach. Die Pressestelle des Ministeriums erklärt dazu, das Technikum Laubholz habe angeboten, im Rahmen der Verkaufsvereinbarung auch eine Kreditfinanzierung durch den jetzigen Eigentümer zu erwägen. Man habe sich jedoch nicht einigen können, da der jetzige Eigentümer Renditevorstellungen habe, die nicht wirtschaftlich seien.
„Wie die Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl sind und wer später im Landwirtschaftsministerium sitzt, weiß im Moment niemand“, so Ulrich Scheufelen. Die Verkaufsverhandlungen seien deshalb zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt geplatzt. Jedoch setzt er darauf, dass auch die kommende Landesregierung am Standort Lenningen weiterhin interessiert ist.
„Es gibt andere Ideen“
„Wir haben von Anfang an mit hoher Transparenz und Verlässlichkeit verhandelt“, sagt der Geschäftsführer der Scheufelen Grundstücksgesellschaft Ulrich Radlmayr. Außerdem seien zahlreiche Vorschläge unterbreitet worden. Dazu habe auch das Angebot einer Anmietung gehört. Darüber hinaus hätten die Gutachten nicht die gesamte Kauffläche abgedeckt. Das Technikum hätte Lenningen gut gestanden, so Ulrich Radlmayr. Falls es nun tatsächlich vom Tisch ist, gibt er sich zuversichtlich, dass sich eine andere Lösung für das Areal auftut. „Es gibt andere Ideen“, so Ulrich Radlmayr.
Minister Peter Hauk betont indes: „Für die bereits vereinbarten Projekte ändert sich am neuen Standort nichts. Die Zusagen sind an das Technikum, nicht an den Standort gebunden. Wir bleiben in unserem Zeitplan.“ Das Technikum Laubholz starte nun konkret mit seinen Forschungsfeldern. Eine erste Kooperationsvereinbarung mit den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung in Denkendorf (DITF) wurde gestern unterzeichnet. Das Land schaffe mit dem Technikum Laubholz die Voraussetzung zur Etablierung von Spitzentechnologie und Spitzenforschung zu Laubholz im Land.
Die Geschäftsführung des Technikums übernehmen drei Vorstände. Der Aufsichtsrat mit sieben Mitgliedern ist ebenfalls konstituiert. Die Zusammenarbeit mit ersten Kooperationspartnern laufe im ersten Quartal des Jahres plangerecht an. „Damit bringen wir den Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung zu einem Technikum Laubholz bestens vorbereitet auf den Weg“, betont Minister Hauk.
Das Technikum Laubholz starte jetzt mit voller Kraft. „Wir ergreifen die Chance zu einer beschleunigten Entwicklung innovativer Produkte und Verfahren.“ Damit solle der Wirtschaft zum Sprung in die Zukunft verholfen werden. „Ich erwarte, dass wir in relativ kurzer Zeit Produkte und Verfahren entwickeln, von denen sich bisher nur wenige Experten vorstellen konnten, dass sie aus Holz gemacht werden können“, so der Minister. „Innovative Fertigung aus Holz und nachwachsenden Rohstoffen wird das Leben und Wirtschaften künftiger Generationen im Land prägen“, prognostiziert Ludwig Lehner, Vorstandsvorsitzender und Sprecher der Technikum Laubholz GmbH.“
Carbonfasern aus Laubholz schonen die Umwelt und den Geldbeutel
Vorgesehen sind in dem Technikum Laubholz acht Forschungsfelder mit zahlreichen innovativen Teilprojekten. Beim ersten Teilprojekt handelt es sich um die Errichtung einer Anlage zur Herstellung von multifunktionellen Carbonfasern auf Holzbasis. Am Technikum Laubholz wird die von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung in Denkendorf (DITF) erfundene Technologie so weiterentwickelt, dass sie direkt in den Markt der baden-württembergischen Technologieführer und Unternehmen einziehen kann.
Carbonfasern werden vor allem im Fahrzeugbau eingesetzt, gewinnen aber auch im Bauwesen an Bedeutung. Sie sind sehr leicht, äußerst hitzebeständig und belastbar. Herkömmliche, auf Erdöl basierende Carbonfasern sind allerdings sehr teuer. Ihre Herstellung belastet die Umwelt. Die Carbonfaserherstellung auf der Basis von Cellulose aus nachwachsendem Laubholz aus der Region dagegen schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel.
Neben der Entwicklung neuer Verfahren für faserbasierte Biopolymerwerkstoffe werden gemäß Peter Hauk in der Aufbauphase des Technikums Laubholz neue Verfahren zur Herstellung von Biotensiden und Lebensmittelproteinen auf Basis von Holz entwickelt. Entwickelt werden Verfahren und Produkte, die erdölbasierte Verpackungen ersetzen oder deren Verbrauch reduzieren.pm
Weitere Infos gibt es im Internet unter www.technikumlaubholz.de.
Kommentar: Schlicht verspekuliert
Mit großem Pomp war das Technikum Laubholz im November 2019 angekündigt worden. Dazu kam Landwirtschaftsminister Peter Hauk eigens ins Oberlenninger Rathaus. Damals zauberte der CDU-Minister eine Lösung für das in weiten Teilen brachliegende Scheufelen-Areal aus dem Hut. Schon ein Vierteljahr später sollte das Hightech-Institut an den Start gehen. Doch es tat sich – erst einmal – nichts.
Hinter vorgehaltener Hand wurde früh geraunt, dass sich die Grundstücksverhandlungen wohl nicht ganz so einfach gestalten, wie sich das Land das anfangs vorgestellt hatte. Nachfragen vonseiten der Presse dazu wurden eher dürftig beantwortet. Wie ist es möglich, dass die öffentliche Hand stillschweigend davon ausgeht, dass sie selbstverständlich mit dem Verkäufer handelseinig wird? Jeder Privatmensch würde ein Vorhaben doch erst an die große Glocke hängen, wenn ihm das dafür benötigte Objekt gehört. Falls durch die frühe Herstellung von Öffentlichkeit der Druck auf den Eigentümer erhöht werden sollte, haben sich die verantwortlichen Politiker gründlich verspekuliert.
Noch Mitte Januar war die Rede davon, Spitzentechnologie im Lenninger Tal zu etablieren. Nicht einmal vier Wochen später nun die Bruchlandung. Der Schaden, der dadurch angerichtet worden ist, ist immens. Denn durch die Versprechungen sind im Lenninger Tal vielerlei Hoffnungen geweckt worden. Hoffnung auf Arbeitsplätze und Hoffnung auf eine Zukunft für eine riesige Industriebrache.
Geschadet hat sich damit aber auch die Politik selbst. Denn wenn vollmundigen Versprechen keine Taten folgen, muss man sich nicht wundern, wenn sich die Menschen von ihr abwenden. Zu hoffen ist, dass die Eigentümer der Grundstücke sich ihrerseits nicht verspekuliert haben und tatsächlich Interessenten anklopfen, die das Gelände wieder zum Leben erwecken. Anke Kirsammer