Lenninger Tal

Der Job als Kaminfeger bringt ihm Glück

Ausbildung Nico Schwarz aus Owen ist landesbester Schornsteinfeger beim Leistungswettbewerb der Handwerkskammer Region Stuttgart. Doch als Autist hatte er es auf dem Weg dahin nicht immer leicht. Von Thomas Krytzner

Nico Schwarz mit seinem BetreuerPeter Kramer (links) und dem Regionalkoordinator von VerA, Hans-Dieter Mechler (rechts). Foto: T

Nico Schwarz mit seinem BetreuerPeter Kramer (links) und dem Regionalkoordinator von VerA, Hans-Dieter Mechler (rechts). Foto: Thomas Krytzner

Seine Ausbildung zum Kaminfeger verlief anders, wie es Lehrlinge sonst gewohnt sind. Begleitet hat ihn Peter Kramer von VerA („Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“). Oft drängt sich der Eindruck auf, Azubis seien für den Betrieb vor allem billige Arbeitskräfte. Nicht so bei Autist Nico Schwarz: „Mir wurde die Arbeit richtig beigebracht. Erst im dritten Lehrjahr begann ich, vollständig im Betrieb mitzuarbeiten.“ Zu seinem Lehrmeister, Heiko Hartmann aus Bissingen, hatte der frischgebackene Schornsteinfeger ein gutes Verhältnis. „Das besteht auch heute noch.“

Viel ist in der Ausbildung davon abhängig, wie man die Arbeit antritt und ob man den Lehrmeistern zuhören kann, sagt Nico Schwarz. Seine Entscheidung für diesen Beruf in luftiger Höhe fiel während zwei Schulpraktika. „Zuerst habe ich mir den Kochberuf angeschaut, weil ich einerseits gerne koche, aber auch gerne esse“, erklärt Schwarz. Nachdem er aber eine Woche bei einem Kaminkehrer verbrachte, schloss Nico Schwarz ein dreiwöchiges Praktikum an. „Die Arbeit hat mir so viel Spaß gemacht, und vor allem die Aussicht auf den Dächern war genial.“ Nico Schwarz liebt den Umgang mit Menschen, aber auch die Arbeit am Kamin und das ganze Drumherum. „Die Gesetze, die es zum Thema Heizung und Kamin gibt, sind eine Herausforderung. Es ist eben nicht damit getan, den Besen rauf- und runterzuschieben.“

Während seiner Ausbildung hat Schwarz kaum schlechte Erfahrungen gemacht. Er ist überzeugt: „Ich jage lieber die Freude, als dass ich von negativen Einflüssen gefangen werde.“ Es habe oft Momente gegeben, in denen er am liebsten die Ausbildung hingeschmissen hätte. Aber die Fürsorge aus dem Elternhaus und das freundschaftliche Verhältnis zu seinem Begleiter, Peter Kramer, haben den Kaminfeger immer wieder motiviert.

Da Schwarz wegen seiner Krankheit Probleme mit dem zielgerichteten Hören hat, meinten es die Pädagogen an der Ulmer Berufsschule gut und wollten ihm Kopfhörer für den Unterricht verpassen. „Die habe ich dankend abgelehnt“, erklärt Nico Schwarz. Er erinnert sich an Mobbing-Versuche: „Am Anfang probierten einige, auf mir rumzuhacken, aber sie bemerkten meine Intelligenz und ließen ab.“ Jetzt will Schwarz Erfahrungen im Beruf sammeln, bevor er sich für den Meistertitel engagiert. „Die Durchfallquoten liegen bei über 50 Prozent“, sagt er stöhnend - eine Herausforderung.

Mit seinem Beruf ist er glücklich. „Man muss das Beste draus machen und immer eine Schippe Humor dabeihaben“, verkündet er. „Die Kunden merken es sofort, ob ein Lächeln ehrlich oder gespielt ist.“ Und andererseits gilt er selbst als Glücksbringer: „Viele kommen, wenn sie Lotto spielen oder ein erstes Date haben, und drücken mich.“ Wenn er beruflich unterwegs ist, macht ihm das nichts, doch privat hat er lieber seine Ruhe.

Den Abschluss seiner Ausbildung bestand Nico Schwarz als Kammersieger der Handwerkskammer Region Stuttgart und als zweiter Landessieger von Baden-Württemberg.

Drei Fragen an Hans-Dieter Mehler

1. Was ist die „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“?

Die Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (VerA) gehört zum Aufgabenfeld des Senioren-Experten-Service in Bonn. Dieser Dienst wird vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Mehr als 80 Regionalkoordinatoren - zu denen ich auch gehöre - vertreten die Initiative auf lokaler Ebene. Die Betreuung hatte bisher einen guten Start.

2. Wer braucht diese Dienstleistung?

Vor allem junge Menschen, die in ihrer Ausbildung Probleme haben, phlegmatisch und unmotiviert sind. Zum Teil bekommen wir die Infos über die Betriebe oder von Sozialarbeitern, wenn unsere Unterstützung nötig wird. In der heutigen Zeit steigt der Bedarf durch die Flüchtlingszahlen. Viele Lehrlinge bitten aber auch selbst um Hilfe. Die Begleitung geschieht anonym.

3. Ist die VerA heute mehr denn je nötig?

Die Zahlen sprechen für sich. Jeder vierte Azubi bricht seine Ausbildung ab. Besonders verheerend sind die Quoten in der Gastronomie mit 50 Prozent Abbrüchen oder bei Friseuren. Dort beenden 40 Prozent der Lehrlinge ihre Ausbildung vor Abschluss. Aktuell helfen wir in 517 Einzelfällen. Meist fehlt es an der Fürsorge der Eltern. Wir suchen weitere Senioren als Begleiter für die Azubis. kry