Lenninger Tal
Der Maientag schreibt Geschichte

Buchvorstellung Der Förderkreis „Alt Owen“ hat dem Kinderfest einen eigenen Band gewidmet – um die Tradition festzuhalten und um sie weiterzugeben. Von Andreas Volz

Wer den Owener Maientag nicht kennt, kann sich kein Bild davon machen: Der Festtag im Frühjahr hält das ganze Städtchen auf den Beinen - von morgens 5 Uhr bis spät in die Nacht. Im Idealfall, wenn das Wetter mitmacht, feiern die Owener ihr wichtigstes Fest im Jahreslauf auf dem Maienwasen, am Waldrand, in freier Natur und fernab jeglicher Bebauung. Die Tradition des Maientags hält seit mindes­tens 340 Jahren an, nahezu ununterbrochen. Umso erstaunlicher, dass das Kinderfest jetzt zwei Jahre in Folge ausfallen muss: Eine weltweite Pandemie macht eben auch vor Owen nicht Halt. So ganz lassen sich die Owener ihr Fest aber nicht nehmen: Am Dienstag findet es trotzdem statt - in abgespeckter, corona-gerechter Form. Und für alle, die erfahren wollen, wie ein „richtiger“ Maientag abläuft, gibt es ein druckfrisches Buch zu kaufen, mit dem schlichten Titel: „Der Maientag in Owen“.

Entstanden ist das Buch aus einem Manuskript des kürzlich verstorbenen Fritz Nuffer, der die Geschichte des Maientags bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs aufbereitet hat. Seine Mitstreiter vom „Alt Owen“-Förderkreis haben dem noch ein Kapitel über den Maientag seit 1950 hinzugefügt und das Buch mit vielen bunten Bildern und Grafiken versehen. Pünktlich zum Maientagstermin kann es nun erscheinen.

Zur Vorabvorstellung des Buchs sprach der Förderkreisvorsitzende Rainer Laskowski von einem „freudigen Ereignis“ und gebrauchte damit passende Worte, denn vielfach bezeichneten die Förderkreismitglieder dieses Buch als „unser Baby“. Aber auch weit über den Geschichtsverein hinaus scheinen sich die Owener für das Werk zu interessieren: „Die Herstellungskosten waren enorm“, berichtet Rainer Laskowski. Leisten konnte sich der Verein das Buch also nur, weil bei einer Spendensammlung über 10 000 Euro zusammengekommen waren - und weil die Stadt ebenfalls einen Zuschuss in Höhe von 10 000 Euro gewährt hat.

Für Bürgermeisterin Verena Grötzinger ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Stadt den Verein hier unterstützt: „Nur wer tiefe Wurzeln hat, kann auch gut wachsen. Dieses Buch soll vor allem den Kindern zeigen, wo wir herkommen, was Tradition ist und was Geschichte bedeutet.“ Trotzdem stellt sie die Tradition nicht über alles andere, schon gar nicht in einen verklärt-nostalgischen Zusammenhang: „Sich auf die Tradition zu besinnen, heißt ja nicht, dass man deswegen nicht zugleich auch fortschrittlich sein kann.“

Dennoch sehen die Verantwortlichen - ob bei der Stadt oder im Förderkreis - die Gefahr, dass ihr Fest kommerzialisiert werden könnte. Deswegen gelte es, an der tradierten Form festzuhalten. Verena Grötzinger hatte dafür den denkbar besten Mentor: „Vor meinem ersten Maientag kam Fritz Nuffer auf mich zu und hat mir erklärt, worauf es beim Maientag ankommt.“ Genau dieses Wissen soll das Buch nun an die Kinder weitergeben, und auch an deren Eltern. Das „Weitergeben“ nimmt die Stadt ganz wörtlich - und lässt das Buch als Maientagsgeschenk an alle Grundschüler verteilen.

Schulleiterin Susanne Niemeyer will das Buch auch in der Schule einsetzen: „Das dient der Qualitätssicherung, denn der Maientag muss erhalten bleiben. Die Tradition wird nicht in allen Familien vorgelebt. Kinder, deren Familien nicht seit Generationen in Owen leben, müssen das in der Schule lernen.“ Ähnliches gilt für die Lehrkräfte: Wer neu ist, hat noch keinen Maientag erlebt.

Ein Buch zum „Mitwachsen“

Für die Kinder ist das Buch übrigens etwas, das „mitwächst“: Sie haben die Möglichkeit, Erinnerungen an ihre vier Maientage als Grundschüler einzutragen, ein Wimmelbild auszumalen und Fotos in die Lasche hinten im Buch zu stecken. Letzteres ist für Förderkreis-Mitglied Christof Leuze besonders wichtig: „Das Buch muss leben.“ Was ihm persönlich am besten gefällt, ist das Fazit eines Viertklässlers, dessen Aufsatz von 2011 im Buch abgedruckt ist. Dort heißt es: „Schade, das war mein letzter Maientag als Schüler von der Sibylle-von-der-Teck-Schule. Aber dafür muss ich nie wieder einen Aufsatz darüber schreiben.“ Der Aufsatz ist also eine weitere Maientags-Tradition - aber weniger beliebt als Wurstwalze, Kletterbaum und Maientagsbrezel.