Lenninger Tal

Die Alb muss ohne Flüsse auskommen

Serie Von wegen „Schwäbisch Sibirien“! Die Alb ist nicht nur Geopark und Biosphärengebiet, sondern auch spannendes Entdeckerland mit Millionen Jahre alter Geschichte (3). Von Michael Hägele

Typische Kalksinterterrassen sind im Donntal bei Gutenberg zu sehen, das sich hier nahezu trocken zeigt.Foto: Dieter Ruoff
Typische Kalksinterterrassen sind im Donntal bei Gutenberg zu sehen, das sich hier nahezu trocken zeigt. Foto: Dieter Ruoff

Auf der Alb gibt es außergewöhnlich wenig Flüsse und Bäche, aber viele Täler. Und das, obwohl hier aufgrund der Höhenlage überdurchschnittlich viel Niederschlag zu verzeichnen ist. Die Ursache für diese Besonderheit findet sich im Untergrund.

Die Schwäbische Alb bildet zusammen mit der Fränkischen Alb das größte zusammenhängende Karstgebiet Deutschlands. Karstgebiete sind in der Regel Gebiete mit kalkhaltigem Gestein, auf der Alb ist das der sogenannte Weiße Jura. Kalkgesteine haben die Eigenschaft, durch die im Regen enthaltene Kohlensäure sowie die Säuren im Bodenwasser aufgelöst zu werden. Da die Lösung entlang von feinen Rissen und Fugen erfolgt, bildeten sich im Verlauf von Jahrmillionen charakteristische Landschaftsformen. Man nennt Gegenden wie die Albhochfläche nach einer Landschaft in Slowenien „Karstlandschaften“.

Täler ohne Wasser

Zu den auffälligen Karsterscheinungen der Schwäbischen Alb gehört das Netz aus unzähligen Trockentälern. Diese entstanden, wie alle Talformen auf der Erde - und beispielsweise dem Planeten Mars - durch die Kraft des fließenden Wassers. Die Hohlräume im Juragestein wurden seit dem Erdzeitalter des Tertiär, also vor mehr als 2,5 Millionen Jahren, immer größer. Gleichzeitig wurde das Gebirge angehoben. So fielen die oberirdischen Wasserläufe allmählich trocken, während das abfließende Wasser seinen Weg im Untergrund fand.

In den Kaltzeiten der vergangenen zwei Millionen Jahre konnte das Wasser nochmals an den Talformen schleifen, da das sommerliche Schmelzwasser aufgrund von Bodenfrost keine Chance hatte, zu versickern. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich alle paar Jahre für ein paar Tage im Frühjahr, dann nämlich, wenn der Untergrund noch gefroren ist.

Die Alb weist 2500 Höhlen auf

Unzählige Gesteinsholräume der Schwäbischen Alb sind ebenfalls durch kontinuierliche Gesteins- auflösung entlang von Rissen und Fugen entstanden. Unter den bislang 2500 bekannten Höhlen der Schwäbischen Alb befindet sich beispielsweise die mit 13 600 erforschten Metern zweitlängste Höhle Deutschlands, das sogenannte Blauhöhlensystem bei Blaubeuren. Die Wimsener Höhle in der Nähe von Zwiefalten ist die einzige mit dem Boot befahrbare Wasserhöhle Deutschlands. Der aus dem Gestein gelöste Kalk wird in Form von Stalaktiten und nach oben wachsenden Stalagmiten wieder ausgefällt, wenn beide Tropfsteinformen zusammenwachsen, spricht man von Travertinsäulen.

Auf der Schwäbischen Alb wird immer wieder von plötzlich einbrechenden Löchern berichtet. 2009 brach zwischen Merklingen und Nellingen das Hinterrad eines Mähdreschers ein. Im Jahr 1973 gab in der Nähe von Laichingen die Erde unter dem Anhänger eines Unimogs nach, das drei Meter große Loch war sieben Meter tief. Die Zugmaschine konnte den Hänger gerade noch halten. Bei Essingen war 2004 quasi über Nacht ein Loch mit einem Meter Durchmesser und vier Metern Tiefe auf einem Acker entstanden, in dem ein Bauer mit seinem Traktor stecken blieb.

Dolinen prägen die Landschaft

Bei allen diesen Vorfällen war die Ursache eine spontan entstandene Doline. In der Landschaft sind diese als trichterförmige Hohlformen erkennbar, falls sie nicht von den Landbesitzern zugeschüttet wurden.

Nicht sofort ins Auge springen die teils sehr ausgedehnten Formen aus abgelagertem Kalk. Dieser sogenannte Kalksinter entsteht beispielsweise im Bereich der zahlreichen Karstquellen und der Flusstäler, wo der durch Erwärmung und Turbulenz des Wassers ausgeschiedene Kalk Moos und Pflanzen ummantelt. Ein Beispiel dafür ist das Donntal bei Gutenberg. Die Albtäler besitzen oft mehrere Meter mächtige Sohlenfüllungen aus diesem porösen, landläufig als „Kalktuff“ bezeichneten Material. Wegen seiner leichten Verarbeitbarkeit wurde es früher als beliebtes Baumaterial abgebaut, beispielsweise in Seeburg bei Bad Urach.

Das Dorf Seeburg hat seinen Namen übrigens von einem inzwischen längst entwässerten Stausee mit einem aus Kalksinter auf natürliche Weise gewachsenen Damm.

Eine Karte des Gewässernetzes im Süden des Landes zeigt: Oberflächengewässer auf der Schwäbischen Alb sind rar. Quelle: Bundesam
Eine Karte des Gewässernetzes im Süden des Landes zeigt: Oberflächengewässer auf der Schwäbischen Alb sind rar. Quelle: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, Frankfurt am Main.

Die Alb für Fans und Kenner

Wenn man in Urlaub fährt, macht man sich Gedanken über Land und Leute, die Geschichte, die Landschaft und ihre Entstehung, das Klima und das Wetter. Aber wie ist das zu Hause? Michael Hägele stammt aus Esslingen und lebt seit fast 20 Jahren als Geografielehrer und Autor in Münsingen. Als Fan und Kenner der Alblandschaft fasst er geografische und landeskundliche Fakten allgemeinverständlich zusammen.