Viele Geister in Flaschen gezwängt haben die Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg. Sagenhaft wie die Märchenfigur aus Tausendundeiner Nacht sind die Aromen, die sie ins Glas „gezwängt“ und damit ihr Können bei der Landesprämierung für Destillate und Liköre in der Owener Teckhalle unter Beweis gestellt haben. Drei Tage hat es gedauert, bis die 2 000 „Anstellungen“, wie die Prämierungsproben im Fachjargon heißen, verkostet waren.
Ein interessanter Duft lag im Herzog-Konrad-Saal in der Luft, der in zwei Räume aufgeteilt war. In einem standen in Reih und Glied die Flaschen nach Sorten geordnet: auf Williams-Brände folgten sortenreine Destillate von den Streuobstwiesen mit Rohstoffen wie Schweizer Wasserbirne, Stuttgarter Gaishirtle oder die Palmischbirne. Ein Brenner hat sich gleich für die ganze „Cleversulzbacher Streuobstwiese“ mit ihren Schätzen entschieden, wie das Etikett verriet. Gin und Whisky hatten ebenso ihr Plätzchen wie Quitten, Zwetschgen, Mirabellen und weitere Früchtchen. Ein eigenes Resort hatten die Liköre.
Jede Flasche zierte eine Nummer. Die ist der Code, der zum Erzeuger führt. Mehrere Helfer waren damit beschäftigt, die hochprozentigen Schätze aus der Flasche in Gläschen zu füllen, auf die die Flaschennummern geklebt waren. Damit sich die Aromen auf dem Weg zu den Prüfern im Raum nebenan nicht verflüchtigen konnten, schloss ein Deckel die Gläser ab.
An acht Tischen wurde hier die eigentliche Arbeit geleistet. Drei Prüfer und eine Aufsichtsperson waren um einen Tisch versammelt und testeten die Brände unter vier Gesichtspunkten: Reintönigkeit im Geruch, sowohl Charakter als auch Intensität von Frucht beziehungsweise Aroma und die Nachhaltigkeit im Abgang. Ist der Abgang sehr sauber, gibt es die Höchstpunktzahl fünf, eine leichte Schärfe liegt bei drei Punkten. Ist das Produkt jedoch grasig, erdig oder zusammenziehend, ist bei zwei Punkten eine Medaille in weiter Ferne, bei faulig oder schimmelig überhaupt nicht in Sicht. So kommt die maximale Punktzahl von 20 zusammen, wofür es eine Goldmedaille gibt. Damit keiner der Prüfer nach einigen Proben einen ordentlichen Schwips bekommt, stehen schwarze Eimerchen bereit, in die die hochprozentigen Köstlichkeiten gespuckt werden.
„Eine Goldmedaille ist wirklich eine Auszeichnung“, erklärte Dr. Daniel Einfalt von der Uni Hohenheim. „Wir als Hochschule wollen auch über Qualität sprechen. Deshalb arbeiten wir stark mit den Klein- und Obstbrennern zusammen“, sagte er. Die Sensorik der Tester wird in einem anspruchsvollen Seminar geschult. Weil sich die Anzahl in Grenzen hält, kann es durchaus vorkommen, dass ein Brenner sein eigenes Produkt verkostet, ohne es zu wissen.
Eine, die die Qualität der hochprozentigen Produkte bewertet, ist Destillatkönigin Vera Bullinger aus dem hohenlohischen Rudelsdorf, deren Regentschaft noch bis 2020 läuft. Sie will die Tradition ihrer Familien fortsetzen und als Brennerin arbeiten. Die Studentin wagt sich auch an Neues und hat Muskateller-Trester gebrannt. „Er schmeckt ganz besonders - rosig und lang anhaltend“, erklärte sie.
Jeder Tisch hat eine eigene Kategorie. So gibt es beispielsweise die Whisky-Kommission, die daneben befasst sich mit den Exoten - denn der Experimentierlust kann freier Lauf gelassen werden. Die kann vor allem bei den „Geisten“ ausgelebt werden. Hier finden sich beispielsweise: Kartoffeln und Karotten, Lauch und Lavendel und - passend zur Saison - Spargel. Der Fantasie und den eigenen Geschmacksvorlieben sind auch beim Gin kaum Grenzen gesetzt. Auf der Grundlage von Wacholder können weitere Aromen - sogenannte Botanicals - eingebrannt werden, die dann die eigene Note ausmachen. „Der Gin ist ein schwäbisches Produkt. Man denke nur an die Wacholderheiden“, sagte Karl Müller, Vorsitzender des Landesverbands der Klein- und Obstbrenner. „Seine“ Brenner wollen den Hype um den Gin mitnehmen. Allein in Deutschland gibt es rund 2 700 verschiedene Sorten. „Die Nachfrage ist da und wir haben tolle Gins dabei“, freut sich Karl Müller, dass die Brenner immer offener werden und nicht nur ihr Obst von den eigenen Wiesen brennen.