Lenninger Tal

„Die Hütte war immer voll“

Austausch Vor zehn Jahren hat in Lenningen der „Männerstammtisch 50plus“ begonnen. Daraus wurde ein Senkrechtstarter, dessen Erfolg mit bis zu 100 Männern pro Veranstaltung bis heute anhält. Von Peter Dietrich

Beim Männerstammtisch in Lenningen darf ein zünftiges Vesper nicht fehlen.Fotos: Peter Dietrich
Beim Männerstammtisch in Lenningen darf ein zünftiges Vesper nicht fehlen.Fotos: Peter Dietrich

Vor zehn Jahren haben im Lenninger Tal 1 700 Männer ab 50 Jahren eine Einladung bekommen: Beim ersten „Männerstammtisch 50plus“ sprach Professor Dr. Eckhart Hammer zum Thema „Das Beste kommt noch“. Es kamen 64 Teilnehmer, ein guter Erfolg. Heute kommen im Durchschnitt 80 bis 100 Männer zum Männerstammtisch. Zur 41. Ausgabe mit Jubiläumsfeier waren exakt 99 Männer angemeldet.

Der Männerstammtisch gehört zu „Unser Netz“. Bei der Gründung war Owen noch nicht dabei und es hieß noch „Lenninger Netz“. Einer der Gründerväter des Männerstammtischs war der damalige Lenninger Pfarrer Karlheinz Graf. „Das war ein ganz starker Start“, sagt er und verrät, dass es ein Start mit Hintergedanken war: Gesucht waren rüstige Rentner für einen Kleinreparaturservice. Doch wie kommt man an diese ran? Etwas flapsig ausgedrückt: Biete ihnen ein Vesper und einen interessanten Vortrag und sage ihnen, dass es „a Gschäfd“ gibt. So fand sich tatsächlich ein schlagkräftiges Team für „Rat und Tat“. Zudem zeigten Senioren Schülern handwerkliche Fähigkeiten und lernten wiederum von den Schülern den Umgang mit dem PC.

Die Auswahl der Vortragsthemen, sagt Günter Bublinski vom Kernteam, sei gar nicht so einfach, denn die Altersspanne sei groß - ein 50-Jähriger hat andere Fragen als ein Mann mit 80. „Man kann nicht nur immer über Gesundheitsthemen reden.“ Das tat der Männerstammtisch bisher laut Statistik zu 18 Prozent. Genauso oft waren Reiseberichte geboten, bei 21 Prozent der Vorträge ging es um gesellschaftliche Fragen und bei acht Prozent um Zukunftsthemen. Die Politik war mit 16 Prozent, und Beruf und Bildung waren mit 13 Prozent vertreten. Eine breite Vielfalt also, die vom Konfliktherd Naher Osten bis zum heimatlichen Heidegraben reichte, von Afrika bis zur Mobilität. Nur die Unterhaltung war mit fünf Prozent der Themen schwach vertreten. Weil er keinen Eintritt verlangt, kann der Männerstammtisch keine teuren Referenten einladen, doch das ist auch nicht nötig. Zusätzlich zu den vier regulären Vorträgen im Jahr im Julius-von-Jan-Gemeindehaus gibt es besondere Abende in größerem Rahmen, ganz ohne Alters- und Männerbeschränkung. So waren 2014 alle zum „Sonnenpapst“ Franz Alt eingeladen.

Das Vesper, geliefert von lokalen Metzgern, darf deftig sein - wann gab es woanders beim kalten Büfett einmal Zungenwurst? Das Jubiläumsvesper war bestens kalkuliert, alle wurden satt, und übrig blieb nur ein ganz kleiner Teller.

Neue Erkenntnisse hatten die Teilnehmer immer, wenn sie sich viermal im Jahr zu Ausflügen und Werksbesichtigungen aufmachten. Sie haben Daimler, BASF und den SWR besucht, ließen sich den behindertengerechten Umbau von Autos erläutern und sind durch den Steinbruch getourt. Sie waren im Kraftwerk und beim Fertighausbauer. Die beiden weitesten Reisen führten zur Meyer-Werft in Papenburg und auf den Säntis, kombiniert mit einem Besuch des Dornier-Museums. Es ging zu Ritter Sport, zu Trigema und auf Einladung von CDU und SPD nach Berlin. Hinzu kommen vier Wanderungen pro Jahr, bevorzugt auf der Schwäbischen Alb und für vier bis sechs Kochabende pro Jahr stellt die Werkrealschule Lenningen ihre Küche zur Verfügung.

Bei seinen Glückwünschen war Bürgermeister Michael Schlecht ehrlich. Als Professor Hammer damals einen Männerstammtisch vorgeschlagen habe, habe er zuerst gedacht: „Spinnt der?“ Er habe massive Beschwerden der Frauen befürchtet. „Meine Aufgabe damals war, nicht zu sehr im Weg zu stehen.“ Als neuestes Kind des Männerstammtischs lobte er das Bürgerbusle. „Die Hütte war immer voll“, beschrieb Michael Schlecht den Erfolg des Männerprojekts.

Dankbar nennt ein Besucher Werner Schulmeyer „die Seele des Clubs“. Er und einige andere haben stets gekurbelt, doch nun hat das Männerprojekt ein Problem: Die Akteure werden älter, es fehlt an Nachwuchs. Dabei ist es nett beim Stammtisch.

Und wie ist das mit Pfarrer Graf, vermisst er den Männerstammtisch? Nein, denn in Zizishausen gibt es ebenfalls einen. Den hat er aber nicht selbst mitgegründet.

Thaddäus Kunzmann mit neuesten demografischen Trends

Thaddäus Kunzmann
Thaddäus Kunzmann

Im Vortrag von Thaddäus Kunzmann in Lenningen ging es um aktuelle Zahlen und Prognosen zum demografischen Wandel. Mit 1,57 Kindern pro Frau liege die Geburtenrate in Baden-Württemberg aktuell so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Aber auch mit dieser Geburtenrate „hätte sich die Bevölkerung in 80 Jahren halbiert“, da diese 1,57 Kinder pro Frau von äußerst geburtenschwachen Jahrgängen geboren werden. „Ohne Zuzug lässt sich der Fachkräftemangel nicht bewältigen“, betonte Kunzmann. Mit Zuzug habe Baden-Württemberg nach aktueller Prognose 2045 leicht mehr Einwohner als 2016 - anders als etwa Sachsen-Anhalt, das ein Minus von mehr als 20 Prozent erwarte. „In Baden-Württemberg reden wir nicht über einen Rückbau, sondern einen Ausbau der Infrastruktur.“ Doch Zuwanderer seien nicht mehr aus Osteuropa zu erwarten: „Die Länder Osteuropas haben niemanden mehr herzugeben.“ Daher müsse der Blick über Europa hinaus reichen. Die Schere zwischen Pflegepotenzial und Pflegebedürftigkeit gehe mit den Jahren immer weiter auseinander, sagte Thaddäus Kunzmann und mahnte, möglichst oft die Bedürftigkeit zu verhindern, durch Bewegung, weniger Rauchen, geringeren Alkoholkonsum und gesunde Ernährung. pd