Lenninger Tal

Die Pfingstnelke ist hart im Nehmen

Natur Der rosa blühende Felsbewohner ist eine echte Seltenheit. Im Oberen Lenninger Tal gibt es vereinzelte Vorkommen. Der Erhalt dieser Pflanze wird mehr und mehr zur Herausforderung. Von Daniela Haußmann

Mit der passenden Ausrüstung und dem nötigen Feingefühl pflegen Tobias Pfefferkorn und seine Kollegin von der Bergwacht die Pfin
Mit der passenden Ausrüstung und dem nötigen Feingefühl pflegen Tobias Pfefferkorn und seine Kollegin von der Bergwacht die Pfingstnelken.Foto: Daniela Haußmann

Ein seltsames Büschel „Gras“ auf dem trockenen Felsboden - das kann, wenn es auf den Felsen der Schopflocher Alb wächst, durchaus eine Pfingstnelke sein. Eine vom Aussterben bedrohte Art, die auf Felsfluren und -köpfen des Schwäbischen Jura wächst. Dass „Dianthus gratianopolitanus“, so der botanische Name, in diesem Teil des Biosphärengebietes noch vorkommen kann, ist auch den Bergwachten Stuttgart und Lenninger Tal zu verdanken. Die Einsatzkräfte sind nämlich nicht nur bei Unfällen im unwegsamen Gelände stets zur Stelle, sondern auch dann, wenn es um Naturschutz geht.

Das gilt besonders für die Pfingstnelke, die an Standorten wächst, die selbst geübte Bergsteiger nur mit einer Kletterausrüstung erreichen. Tobias Pfefferkorn und seine Mitstreiter von der Bergwacht Stuttgart haben nicht nur das Equipment und die nötige Kletterexpertise. Pfefferkorn hat auch die Ausbildung zum Naturschutzreferenten durchlaufen. Worauf es bei der Biotoppflege ankommt, weiß er deshalb genau.

Damit das Felsennägele, wie die Pflanze auch genannt wird, optimal wachsen kann, braucht es Licht. „Deshalb schneiden wir in den betreffenden Felsbereichen regelmäßig Bäume und Sträucher zurück“, so Tobias Pfefferkorn. Solche Pflegemaßnahmen sind laut Sonja Berger vom Naturschutzzentrum Schopflocher Alb wichtiger denn je.

Grund: Der Nährstoffeintrag, etwa von Nitrat, Phosphat oder Schwefel, über Luft und Niederschlag hat zugenommen. „Dadurch wird auch im Ökosystem der Felsen das Gleichgewicht gestört“, klärt Berger auf. „Die Sukzession, also die zeitliche Abfolge, in der sich unter anderem auch Pflanzengesellschaften weiterentwickeln, wird beschleunigt.“ Dadurch verändert sich zunehmend der Lebensraum in den Felslandschaften. „Um den Artenreichtum in diesem Biotop zu erhalten, ist Pflege unabdingbar“, betont die Landschaftsplanerin. „Efeu oder Liguster beispielsweise überwuchert nicht nur andere Pflanzen, sondern sprengt die Felswand bei der Durchwurzelung auf.“ Dadurch sammelt sich Humus an, der sich mit Nährstoffen anreichert. „So breitet sich der Wald zwischenzeitlich selbst am Felsen aus“, sagt Sonja Berger. „Selbst in der Hochschullehre hat man das früher für unmöglich gehalten. Daran wird deutlich, wie sich die Umweltbedingungen verändert haben.“

Ein Problem stellt für Peter Banzhaf auch der Forst dar, der mittlerweile ziemlich dicht bewachsen und daher dunkel ist. Banzhaf ist Biologe und koordiniert im Auftrag des Regierungspräsidiums Stuttgart Schutzmaßnahmen, die dem Felsennägele zugute kommen. „Für die Fortpflanzung bildet die Pfingstnelke Samen, die in aller Regel nach unten fallen.“ Dort befinden sich dem Fachmann zufolge „oft Wälder, in denen die Samen nicht keimen können, weil die umliegende Vegetation kaum Licht durchlässt“. Dass ein Samen auf dem trockenen Felsen keimt, hält er für unwahrscheinlich. Außerdem sind sich Klimaexperten einig, dass die Zahl der Hitze- und Dürreperioden weiter steigt. Einen wachsenden Pfingstnelkenbestand hält Banzhaf „vor diesem Hintergrund für unwahrscheinlich“. Umso wichtiger sei es, bestehende Vorkommen zu erhalten.

Aber auch das ist nicht leicht, denn die gehen aus teils noch völlig unbekannten Gründen zurück. Das ist etwa bei Schlattstall der Fall. „Vermutlich sind die Exemplare überaltert und genetisch isoliert“, mutmaßt der Biologe. Erforscht wird das Phänomen derzeit von der Uni Heidelberg. Trotz allem sind die Nelkengewächse hart im Nehmen. Denn die Karstfelsen sind Extremstandorte. Sommerliche Hitze und Dürre, winterlich trockener Frost sowie scharfe Winde sind für die Pflanze kein Problem. Durch ihre kleinen Blätter, die genau wie die Sprossen und Leitbündel von Wachs überzogen sind, ist sie optimal vor intensiver Sonneneinstrahlung, Austrocknung und starken Temperaturschwankungen geschützt.

Von Ende Mai bis Ende Juni bildet das Felsennägele bis zu 30 Zentimeter lange, rosa-violette Blütentriebe aus. Danach kommt die Bergwacht zum Einsatz. Denn in dieser Vegetationsphase sind die übrigen Pflanzen, wie etwa Felsenbirne und Mehlbeere, gut von der Pfingstnelke zu unterscheiden. Tobias Pfefferkorn jedenfalls hofft, dass die Pflegemaßnahmen langfristig zur Stabilisierung der noch verbliebenen Vorkommen beitragen.