Lenninger Tal

Dieser Haflinger kann Bergziege

Freiheitsdressur Lena Schnizler aus Unterlenningen hat ihre Begeisterung für die Bodenarbeit mit Pferden entdeckt. Mit ihrem Aragon kam sie beim ersten Wettbewerbsstart gleich auf Platz zwei. Von Iris Häfner

Lena Schnizler und ihr Aragon sind ein eingespieltes Team. Mittlerweile hat sich die muntere Truppe um Tochter Zoey-Lynn und die Hündin Cora-Lilly erweitert.  Fotos: Markus Brändli

Ein leises Dröhnen ist zu hören, Aragon wiehert und schaut gebannt auf die große, etwa 50 Pferde zählende Herde, die mit purer Lebensfreude auf ihre Koppel galoppiert. Es ist seine Herde, die da der großen Freiheit entgegenprescht – und Aragon steht ruhig und gelassen, ohne jedweden Artgenossen, allein auf dem Reitplatz. Das heißt, so ganz allein ist er nicht. Lena Schnizler ist da, ihre Tochter Zoey-Lynn, der Australian-Shepherd-Mix Cora-Lilly und Jürgen Schweizer, der ruhende Pol in dieser Mensch-Tier-Lebensgemeinschaft. Es ist das unglaubliche Vertrauen, das zwischen Lena Schnizler und Aragon herrscht, das zu dieser entspannten, fühlbaren Ruhe auf dem Platz führt.

Diesem nahezu bedingungslosen Vertrauen ging geduldige und intensive gemeinsame Arbeit voraus. Gekrönt wurde sie in diesem Sommer bei der Equitana. Es ist eine große Messe für Reitsport und ein Breitensport-Festival mit einem vielseitigen und bunten Rahmenprogramm. Das Duo hat beim ersten Start bei der Freiheitsdressur auf Anhieb den zweiten Platz geschafft. Auch für Zoey-Lynn war es ein aufregender Tag, die Erlebnisse im Stallzelt unvergessen, erst recht der Auftritt auf dem Platz. Sie und ihr Schaukelpferd waren Teil der Vorführung.

„Dickerle, komm“, ruft Lena Schnizler Aragon aufmunternd zu. Über zwei Monate hat der Haflinger die Kür nicht mehr absolviert, legt sich aber ganz selbstverständlich für den Fotografen und vor allem für Lena Schnizler voll ins Zeug. Er dreht Pirouetten, läuft Slalom, stellt sich auf Kommando auf die Hinterbeine und legt sich sogar flach auf den Boden hin. Alles ohne Zwang. Aragon trägt weder Halfter noch Halsriemen, einzig die Bindung zu Lena Schnizler ist das imaginäre Seil, die Peitsche der verlängerte „Kommando-Arm“. Er hat Spaß an der Sache, das ist offensichtlich. „Die Übungen so lange am Stück zu machen, das verlangt ihm viel ab“, erklärt Lena Schnizler. Die Unterlenningerin lobt ihren Haflinger und entlässt ihn auf dem Reitplatz in die Freiheit. Doch Aragon will gar nicht weg von seiner Besitzerin, steht ganz ruhig bei ihr und ihrer Familie. „Die Pausen zwischen den Übungen sind extrem wichtig für das Pferd“, sagt sie. Das heißt: Viel Zeit haben, einfach mit dem Pferd dastehen und die Zweisamkeit genießen, ohne etwas vom Tier zu wollen. Deshalb bleibt er auch eine Stunde und länger tiefenentspannt einfach auf dem Platz, solange Lena Schnizler da ist. „Ich bin der Ruhepunkt“, sagt sie. Apropos Entspannung: Aragon kann auch die Übung Bergziege. „Eine wunderbare Dehnübung, sie stärkt den Rücken“, erklärt Lena Schnizler. Dabei schiebt das Pferd seine Hinterbeine so weit unter den Körper, dass die Hinterhufe möglichst nahe an die Vorder­hufe kommen.

„Genauso wichtig ist es bei der Arbeit, emotionslos während den Übungen zu bleiben und viel Geduld zu haben“, sagt die begeisterte Pferdefrau, die auch lange Ausritte genießt, von sich aber behauptet, dass sie ein Händchen für die Bodenarbeit mit dem Pferd hat. Geduld scheint das Schlüsselwort zu sein. Über neun Monate ging es bei einer Übung einmal keinen Millimeter weiter – und dann ist plötzlich der Knoten geplatzt. „Du kannst nichts erzwingen“, ist ihre Erfahrung. Eine einzige Methode, die zum Erfolg führt, gibt es nicht, jedes Tier ist individuell, der Mensch muss entsprechend reagieren und agieren. Aragon wollte sich einfach nicht flach hinlegen, er hat nicht verstanden, was seine Besitzerin von ihm wollte. „Ich habe dann einfach rumprobiert“, erzählt sie.

Mittlerweile steht sie vor einem ganz anderen Problem. „Ich weiß gar nicht mehr, was ich alles noch einbauen und Neues einüben soll. Ihm wird mit der Zeit langweilig, er will Neues lernen“, erzählt Lena Schnizler und fügt hinzu: „Er wird intelligenter, je mehr ich ihm beibringe.“ Energisch wedelt sie mit der Gerte, sodass ein ordentliches Pfeifgeräusch entsteht. Während der Andalusier auf der etwa 30 Meter entfernten Weide im Galopp das Weite sucht, läuft Aragon vertrauensvoll seiner Besitzerin hinterher. Das Geräusch bereitet ihm keine Angst mehr. 

Und dann gibt es da ja noch Cora-Lilly. „Die ist so arbeitswillig. Ich habe mir überlegt: Wenn ich in die Hundeschule gehe – wie finde ich dann noch Zeit fürs Pferd? Dann kam ich auf die Idee, beides miteinander zu vereinbaren, also Hund und Pferd sinnvoll zu beschäftigen“, erzählt Lena Schnizler, wie sie auf das neue Duo gekommen ist. Dabei war es am Anfang eine richtige Hassliebe zwischen den beiden, wie die Besitzerin verrät. Doch mittlerweile sind Hund und Pferd ein Team. Wie eine Rakete hüpft Cora-Lilly über die Aufstiegstreppe auf den Pferderücken. Steht Aragon, klappt es schon sehr gut mit dem Standing der Hündin auf dem weichen Filzsattel. Auch die ersten Gehversuche waren erfolgreich, der Hund balanciert die Schritte auf dem Pferderücken aus. „Es gibt zu wenig Trainer für die Freiheitsdressur. Ich habe vieles selbst ausprobiert“, sagt sie. Ein Kurs bei Kenzie Dysli brachte den endgültigen Durchbruch. Die Schweizerin wurde durch die Ostwind-Kinofilme bekannt, bei denen ihre Pferde die Hauptrolle spielen. Kenzie Dysli sucht sich ihre Teilnehmer aus, es ist also eine Auszeichnung, bei ihr einen Kurs belegen zu können. Es verlangt sämtlichen Beteiligten einiges ab, nicht allein deshalb, weil stets auch viele zahlende Zuschauer dabei sind. Mittlerweile trainiert Lena Schnizler auf Anfrage andere Pferdebesitzer. 

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