Die Schwäbische Alb scheint für viele Menschen nichts anderes als ein großes Disneyland zu sein - freier Eintritt inklusive. Nichts wie raus und rauf auf die Alb. Diesem Drang geben viele nach, um der Enge in der Wohnung und dem Pandemiefrust zu entfliehen. Wer sich an die Regeln hält, ist willkommen. Schließlich wissen die „Älbler“ selbst am besten, wie schön es direkt vor ihrer Haustür ist.
Doch leider vergessen manche, auf pures egoistisches Vergnügen gepolte Zeitgenossen, dass jeder Quadratzentimeter Land einen Eigentümer hat, die Flächen der Nahrungsmittelproduktion dienen. „Das scheint viele nicht zu interessieren - oder sie wissen es einfach nicht. Die Landwirtschaft hat keinen Stellenwert mehr, das ist echt traurig. Für den Durchschnittsbürger kommen die Lebensmittel anscheinend aus dem Supermarkt, wo und wie sie hergestellt werden, interessiert nicht“, sagt Roman Weiß, Bürgermeister in Erkenbrechtsweiler. Er ist sichtlich gefrustet. Seit Wochen bevölkern Heerscharen von Tagestouristen die Albhochfläche, die Einwohner sind ebenfalls genervt ob der Rücksichtslosigkeit mancher Ausflügler. Der Schnee hat die Lage verschärft.
Dazu kommt ein neuer Trend, an dem vor allem junge, männliche SUV-Fahrer beteiligt sind: Mit hochmotorisierten Geländewagen heizen sie über Wiesen und Äcker. Vor allem aber driften sie, das heißt, sie ziehen Kreise und hinterlassen dabei tiefe Spuren. Bevorzugte Aktivitätszeit, gerne im „Rudel“: nachts. „Um nach 20 Uhr unterwegs sein zu dürfen, braucht es einen triftigen Grund. Das passt gut zum Driften“, kalauert Roman Weiß mit Galgenhumor und sagt weiter: „Ein Jäger hat während der Ausgangssperre fünf Fahrzeuge gesehen. Deren Fahrer haben sich getroffen, um über die Wiesen zu fräsen.“ Die Entfernung sei jedoch zu groß gewesen, um die Kennzeichen erkennen zu können.
Besonders ärgerlich für die Landwirte ist es, wenn sich die Möchtegern-Rallyefahrer auf Äckern austoben. Auf vielen Flächen reift dort schon Wintergetreide heran. Zarte Pflänzchen trotzen der Kälte, um bei den ersten warmen Sonnenstrahlen im Frühjahr mit dem Wachstum gleich richtig loslegen zu können. Beim Driften werden sie aus dem Boden gerissen oder die Wurzeln zerstört. Der Schaden ist dann irreparabel, denn eine Nachsaat ist im Frühjahr nicht mehr möglich, der Ertrag für den Landwirt futsch.
Das Drift-Problem betrifft die ganze Albhochfläche. Auch am Messelberg bei Donzdorf zogen Vandalen ihre unübersehbaren Spuren, sie machten weder vor Äckern noch vor der Piste der Fliegergruppe Halt. Bei Böhmenkirch richteten Motocross-Maschinen auf mehreren Hektar Ackerfläche ebenfalls Schäden an. Die Polizei ermittelt, ist aber zurückhaltend bei der Berichterstattung, denn sie befürchtet Trittbrettfahrer. „Viele finden es cool und toll, über die gefrorenen und schneebedeckten Flächen zu fahren“, sagt Michael Schaal, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Reutlingen, zu dem auch die Teck-Region gehört. Immerhin konnte am 6. Januar beim Parkplatz Reußenstein im Gewann Kohlhäusle jedoch ein 41-jähriger Porsche-Cayenne-Fahrer ausfindig gemacht werden, der um 16.30 Uhr über schneebedeckte Äcker und Wiesen gefahren ist. Für die Strafhöhe ist das Landratsamt zuständig, da es sich um eine Ordnungswidrigkeit entgegen naturschutzrechtlicher Vorschriften handelt. „In diesem Falle werden nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften im Landkreis Göppingen je nach Ausmaß und Ort des Verstoßes bei Ersttätern Geldbußen von 50 bis 400 Euro verhängt. Hierbei werden im Landschaftsschutzgebiet oder gar im Naturschutzgebiet begangene Verstöße regelmäßig mit empfindlicheren Geldbußen, also eher in Richtung der genannten Obergrenze gehend, verfolgt“, erklärt Clarissa Weber von der Pressestelle.
„Für Bissingen und Ochsenwang sind uns derzeit keine großen Fälle bekannt und es liegen auch keine Beschwerden durch Jäger oder Landwirte vor“, erklärt Sarah Neckernuß vom Ordnungsamt im Bissinger Rathaus. Einzelfälle wurden in Schopfloch registriert, weiß Günter Kern, Hauptamtsleiter in Lenningen.
...