Lenninger Tal

Ein Gottesdienst dauert locker drei Stunden

Der Owener Pfarrer Ekkehard Graf ist mit zwölf Tübinger Studenten nach Indien gereist

Wie oft er schon in Indien war? Ekkehard Graf, seit 1999 Pfarrer in Owen, hat nicht mitgezählt. Die Reise im Frühling müsste die neunte sein, schätzt er. Insgesamt 16 Tage hat er bei der Nethanja-Kirche im Südosten Indiens verbracht, mit zwölf Studenten aus Tübingen.

Bischof Dr. Singh (links) und Ekkehard Graf.Foto: pr
Bischof Dr. Singh (links) und Ekkehard Graf.Foto: pr

Owen. Kaum war die Reisegruppe aus dem dunklen Flughafen von Visakhapatnam in die helle Sonne getreten, hatte jeder Besucher einen riesigen Blumenkranz um den Hals. Außerdem hatte jeder mindestens zwei Kinder an der Hand, die einen zum Bus führten. Zur Gruppe gehörten acht werdende Pfarrer, zwei angehende Lehrerinnen und eine Kunsthistorikerin, die alle Theologie studieren. Dazu kamen eine Psychologiestudentin, eine Ärztin, eine Krankenschwester und zwei Pfarrer – einer davon war Graf.

Wie kam es, dass er zum Leiter einer solchen Gruppe wurde? Im Jahr 2004 hatte ihn Heiko Krimmer, damals Pfarrer in Dettingen, eingeladen. So machte Ekkehard Graf mit seiner Frau die erste Reise zur Nethanja-Kirche. „Da ist der Funke übergesprungen“, sagt er. Noch im selben Jahr stieg er ehrenamtlich in den deutschen Unterstützerverein „Kinderheim Nethanja Narsapur / Christliche Mission Indien“ ein. Er übernahm die Öffentlichkeitsarbeit, inzwischen gehört er zum Vorstand und hält immer wieder Vorträge. 2012 veröffentlichte er seine Doktorarbeit über die Nethanja-Kirche, die er in fünf Jahren verfasste.

Die Hälfte der deutschen Spenden geht in die Kinderheime, sagt Graf. Davon gibt es heute zehn für etwa 800 Kinder – Waisen, Halbwaisen oder Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Angefangen hatte die Sozialarbeit Anfang der 1970er-Jahre mit einem einzigen Heim für 25 Jungs. Die Kirche unterhält zwei Mädchendörfer, drei High-Schools für 1 500 Kinder, 20 kleine Dorfschulen, neun Berufsausbildungsstätten, ein angesehenes Krankenhaus für die Armen mit Entbindungsstation für AIDS-erkrankte Schwangere und vieles mehr. Die evangelische Kirchengemeinde Dettingen ist Partner der Nethanja-Witwenversorgung.

„Die waren ganz begeistert“, sagt Graf über die zwölf Studenten. „Der Besuch hat uns geholfen, unseren Blick für die Kirche in Deutschland zu schärfen“, sagt die Studentin Caroline Quiring. Sie berichtet von Schlangen, die nur durch Gebet aus Häusern vertrieben werden können, von Menschen, die geheilt, Terroristen, die Christen werden, Dschungelpastoren, die alles aufgeben, um das Evangelium in jedes kleine Dorf zu bringen. Besonders beeindruckend ist für Graf die Fröhlichkeit: „Ein Gottesdienst dauert locker drei Stunden, mit vielen Hallelujah-Liedern. Wir erlebten eine Taufe von 35 Erwachsenen und eine Kircheneinweihung.“ Die Gruppe besuchte einen Slum, der vor einem halben Jahr durch einen Zyklon verwüstet wurde. Sie sah, was die Nethanja-Kirche mit deutscher Hilfe an Wiederaufbau leisten konnte. Ehemaligen Aussätzigen, geheilt, aber dennoch entstellt, bleibt oft nur die Bettelei. In einer Siedlung für solche Menschen hat die Gruppe Bananenstauden gepflanzt. Sie ergänzen die Mangobäume und sorgen künftig für ein Einkommen.

Die Nethanja-Kirche ist eine einheimische Kirche, die deutschen Pfarrer haben zur Unterstützung unterrichtet und gepredigt. Wie eng die Verbindung ist, zeigt das große Transparent, das Graf zum Geburtstag bekam und das nun im Owener Pfarrhaus hängt. „Erst war die Sozialarbeit, dann kam die Kirche“, sagt Graf. In rund 40 Jahren ließen sich fast 200 000 Menschen taufen. Sie haben sich das gut überlegt. „Wer Christ wird, hat Nachteile“, betont Graf.

Wie klappt die Verständigung? Die drei indischen Kirchenleiter haben in Deutschland studiert, sprechen fließend Deutsch und können in Telugu übersetzen. Mit den Pastoren sprach Graf englisch. Das kann er nun in den kommenden Monaten auch in den USA, im Studiensemester, das die Landeskirche ihren Pfarrern einmal im Leben gewährt. „Ich möchte unter anderem mein theologisches Englisch verbessern, das brauche ich für Indien.“

Ekkehard Graf beim Pflanzen einer Bananenstaude. Foto: pr
Ekkehard Graf beim Pflanzen einer Bananenstaude. Foto: pr