Lenningen. Viele Menschen in der Region und weit darüber hinaus kennen die Gutenberger Höhle und die Gußmannhöhle in Gutenberg. Dem Förderkreis Schlössle in Lenningen verdankt man nun die Möglichkeit, auch die Person von Karl Gußmann näher kennenzulernen, der maßgeblich für die Entdeckung und Erschließung dieser Tropfsteinhöhlen verantwortlich war und der zu den bedeutenden württembergischen Pfarrern des ausgehenden 19. Jahrhunderts zählt, die ihre Heimat erforscht haben.
Nachdem von November 2013 bis Februar 2014 im Oberlenninger Schlössle eine Ausstellung zu Leben und Wirken des bedeutenden Pfarrers gezeigt worden war, entschlossen sich die Verantwortlichen zu einer Publikation, die quasi als Dokumentation der Ausstellung nachgelegt worden ist. Neben den vielen Abbildungen von Exponaten der Ausstellung und einer Serie von exzellenten neuen Höhlenfotografien des bekannten Höhlenfotografen Andreas Schober, findet man zwei Vorträge, die das Begleitprogramm zur Ausstellung bildeten.
Günter Romberg, der ehemalige Rektor der Gutenberger Grundschule, hat sich als Gußmann-Kenner intensiv mit dem Leben und dem Werdegang Gußmanns beschäftigt und Erstaunliches zutage gefördert. So kann man lesen, dass sich Gußmann schon als Stadtpfarrer von Sindringen mit archäologischen Ausgrabungen beschäftigt hat und Ausgrabungen am römischen Limes bei Sindringen und Jagsthausen vornahm. Wenig bekannt ist, dass Gußmann 1875 als junger Student der Theologie der letzte Bewohner des Hölderlin-Turms in Tübingen war und sich beim Brand des Gebäudes nur mit Mühe und Not durchs Fenster retten konnte.
Der Leser erfährt zudem, dass Gußmann 38 Jahre lang, von 1887 bis 1925, als Seelsorger in Gutenberg gearbeitet hat. Seinen Dienstpflichten ist er dabei sicher ordnungsgemäß nachgekommen; vieles hat ihm seine Frau Emilie abgenommen. Für Pfarrer Gußmann standen sein seelsorgerischer Auftrag und seine wissenschaftliche Tätigkeit nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil, schreibt Romberg: „Das Verstehen der Vorgänge in Gottes Natur und das Erkennen ihrer Schönheit ließen seine Werke ja noch größer erscheinen“. So setzte er sich für die Förderung des heimischen Obstbaus ein, war lange Jahre Schriftführer der Zeitschrift „Der Obstbau“ und wurde im Alter von 37 Jahren zum Zweiten Präsidenten des Deutschen Pomologenvereins in Berlin gewählt – eine Anerkennung, die auch mit seinen Schriften zur Obstkultur zusammenhängen.
Die Gußmann-Publikation enthält eine für den Druck überarbeitete Fassung des Vortrags von Thomas Rathgeber vom Stuttgarter Löwentormuseum zu der enormen Bedeutung der Höhlenfunde in Gutenberg und in der Sibyllenhöhle. Genannt seien Mammutknochen, Schädel von Höhlenbären sowie Kieferfragmente des Schwäbischen Berberaffen und des Asiatischen Wildhundes, zwei Fundstücke der Heppenloch-Fauna, die lange Zeit die einzigen Nachweise vom Vorkommen dieser Tierarten in Baden-Württemberg waren, bis neuere Grabungen weitere Funde erbrachten. Auch geht Rathgeber intensiv auf die Geschichte des Schwäbischen Höhlenvereins ein, der von Gußmann mitbegründet worden war. Trotz der wissenschaftlichen Akribie von Thomas Rathgeber, wendet sich auch dieser Aufsatz an ein breites Publikum.
Den Abschluss des Buches bildet ein Bericht von Bernd Löffler über die Finissage der Ausstellung im Februar 2014. Damals machte sich eine große Zahl von Gußmann-Freunden zu einer Wanderung auf, vom Ort der Ausstellung in Oberlenningen nach Gutenberg, dem Wirkungsort Gußmanns. Unterwegs zitierte Löffler aus Gußmanns 1890 erschienenem „Führer durch das Lenninger Thal“, worin sich der Pfarrer als begeisterter Liebhaber der Landschaft um Gutenberg und als großartiger Schriftsteller zu erkennen gab. Dass dieser auch noch dichten und komponieren konnte, verwundert am Ende niemanden mehr. Natürlich darf ein Blatt mit Gußmanns „Alblied“ nicht fehlen, ebenso wenig wie eine Übersicht über die Werke Gußmanns.pm