Lenninger Tal

Ein Hashtag soll die Kultur retten

Musik Gudrun Walther aus Oberlenningen hat die Aktion „#Ticket behalten“ ins Leben gerufen. Die Gelder kommen nicht nur den Künstlern zugute. Von Anke Kirsammer

Normalerweise wäre die Profigeigerin Gudrun Walther jetzt auf Tour. Wegen der Coronakrise sind sämtliche Duo-Konzerte mit ihrem
Normalerweise wäre die Profigeigerin Gudrun Walther jetzt auf Tour. Wegen der Coronakrise sind sämtliche Duo-Konzerte mit ihrem Mann Jürgen Treyz und der Band „Cara“ nun allerdings abgesagt. Foto: Klaus Ditté

Die Coronakrise bedeutet für viele Beschäftigte eine Ausnahmesituation. Unter dem Stillstand des öffentlichen Lebens haben besonders auch freischaffende Musiker zu leiden. Seit Mitte März sind sämtliche Konzerte abgesagt. Wie lange die Durststrecke dauern wird, weiß derzeit keiner. „Für uns ist das der „Super-GAU“, sagt Gudrun Walther aus Oberlenningen. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, hat die in der Folkszene bekannte Profigeigerin und Chefin der Agentur „artes Konzertbüro“ schnell reagiert und zusammen mit ihrer Kollegin Sabrina Palm aus Bonn die Aktion „#Ticket behalten“ ins Leben gerufen. Mit ihnen setzen zahlreiche Veranstalter und Künstler darauf, dass die Hashtag-Aktion die Kulturnische rettet.

In Solidarität üben sich Macher kleiner Konzerte aus den Bereichen Folk, Weltmusik, akustische Musik und Singer/Songwriter. „Anders als die dicken Fische der Musikbranche können sich bei uns viele keine großen Reserven zulegen“, so Gudrun Walther. Bei 150 bis 700 Besuchern pro Konzert bleibt bei jedem einzelnen Künstler und den Leuten hinter den Kulissen nicht viel hängen. Deshalb setzt sie alle Hebel in Bewegung, damit Kulturzentren durch die Coronakrise nicht bankrott gehen und Musiker weiterhin Songs schreiben können, statt um ihre nackte Existenz zu kämpfen.

Die Konzertabsagen begannen, als die Epidemie zur Pandemie erklärt wurde. „Das war am 11. März“, sagt die freischaffende Musikerin. Schon einen Tag später war die Idee geboren, Konzertbesucher, die es sich leisten können, darum zu bitten, bereits gekaufte Karten nicht zurückzugeben. Das Wirbeln hat sich gelohnt: Nach drei Tagen hatte die Aktion schon 50 000 Klicks. Inzwischen sind die zehn führenden Konzertagenturen in Deutschland auf den Zug aufgesprungen. „Dort sitzen Leute, die sich mit Pressearbeit, der Gestaltung von Internetseiten, Facebook und Instagram“ auskennen, sagt Gudrun Walther. Davon profitiere das Projekt enorm. Auf vielen Ticketportalen prangt nun das schwarz-orangefarbene Logo. Mit einem Klick gelangt man zu der Aktion. Partner ist auch die Deutsche Orchesterstiftung, die freischaffende Musiker aus dem klassischen Genre unterstützt.

„Der Terminkalender leert sich Monat für Monat. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir - wenn es gut läuft - erst im September wieder spielen können“, sagt Gudrun Walther. Vielleicht dauere es sogar so lange, bis ein Impfstoff gefunden sei. Doch bis dahin müssen die Raten fürs Haus genauso weiter bezahlt werden wie der übrige Lebensunterhalt. Das gleicht für die Künstlerin derzeit einer Achterbahn. Schuld daran sind nicht nur die Nachrichten, sondern auch ständig sich ändernde Spielregeln für die staatlichen Hilfen. Vielleicht sei die erste Zeit nicht so schlimm. „Was mit der Kultur passiert, wenn die Wirtschaft wieder brummt, steht auf einem anderen Blatt“, so ihre Befürchtung.

Insgesamt wurde bereits ein Viertel der 1400 Konzerte abgesagt, die die zehn Agenturen vermitteln. Das entspricht 125 000 Tickets. Einen Überblick darüber, wie viele Konzertbesucher kein Geld für ihre Karten erstattet haben wollen, hat Gudrun Walther bislang nicht. Die Resonanz, die sie von ihren Fans bekommt, ist aber durchweg positiv. „Sie sind extrem hilfsbereit.“ Spenden kann sie nicht annehmen, dafür verweisen sie und ihr Mann Jürgen Treyz, mit dem sie unter anderem als Duo und in der international bekannten Band „Cara“ auftritt, auf ihren Webshop, über den CDs gekauft werden können. Mit einem eindringlichen Appell im Internet unter der Adresse www.ticketbehalten.de ruft sie zur Unterstützung auf: „Bitte sorgt dafür, dass Musiker, Veranstalter und Agenturen noch da sind, wenn die Pandemie ausgestanden ist.“

Auch Künstler bekommen Soforthilfe des Landes

Die Soforthilfe des Landes Baden-Württemberg richtet sich gemäß dem CDU-Landtagsabgeordneten Karl Zimmermann an Soloselbstständige sowie Klein- und Kleinstunternehmen auch der Kultur- und Kreativwirtschaft. Eingeschlossen sind Angehörige der Freien, auch künstlerisch-publizistischen Berufe. Um deren wirtschaftliche Existenz zu sichern und Liquiditätsengpässe zu kompensieren, kann ein einmaliger, nicht rückzahlbarer Zuschuss für drei Monate gewährt werden.

Antragsberechtigt sind auch Soloselbstständige Im Bereich von Kunst und Kultur. Dazu gehören bildende oder darstellende Künstler, Musiker, Kreativschaffende, Designer und Architekten, die mit ihrer selbstständigen Tätigkeit das Haupteinkommen oder zumindest ein Drittel ihres Nettoeinkommens bestreiten.

Eine Voraussetzung ist, dass der Antragsteller unmittelbar durch die Corona-Pandemie in eine existenzbedrohliche wirtschaftliche Schieflage oder massive Liquiditätsengpässe geraten ist.ank