Lenninger Tal

Eine hochprozentige Veranstaltung

Landesprämierung Drei Tage dreht sich in Owen alles um Destillate und Liköre. Klein- und Obstbrenner stellen ihre Schätze einer 24-köpfigen Jury vor. Von Iris Häfner

Destillate, so weit das Auge reicht – und die Nase riechen kann. Foto: Carsten Riedl
Foto: Carsten Riedl

Der Duft ist unverkennbar, auch in der dezenten Note fast umwerfend: 2 091 Destillate und Liköre in Flaschen nahezu jedweder Form verbreiten ihr Bouquet in einem bunten Gemisch im gekühlten Raum des Herzog-Konrad-Saals der Teckhalle in Owen. Im Laufe des Tages wurden fast 700 Geister aus der Flasche gelassen und in jeweils zwölf Gläser gefüllt – da breitet sich zwangsläufig ein Aroma aus. Zum ersten Mal findet die Landesprämierung für eben jene Destillate und Liköre des Landesverbands der Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg in Owen statt, davor im Zwei-Jahres-Turnus in Aichwald. Brigitte Steinwender und Klaus Fissler aus Owen betreuen die Geschäftsstelle und haben sie unter die Teck verlegt. So ist es nachvollziehbar, dass auch der Prämierungsort hierher verlegt wurde. Knapp 40 Helfer sind nötig, damit die dreitägige Prämierung reibungslos verlaufen kann. Allein acht Personen sind ausschließlich mit dem Einschenken der Gläser beschäftigt.

Die 24 Prüfer haben ein ordentliches Pensum zu absolvieren. Sie sitzen zu viert an einem Tisch. Eine Kommission besteht aus drei Prüfern und einer Aufsicht. Die Verkoster müssen in ihrer Einschätzung möglichst nah beieinander liegen. Damit dies gelingt, haben sie ihm Frühjahr ein Sensorikseminar unter dem Dach der Universität Hohenheim besucht. Hauptverantwortlich dafür ist Privat-Dozent Dr. Thomas Senn, der auch der Leiter der Prüfungskommission in Owen ist. Bei der Schulung wird der Geruchs- und Geschmacksinn geschärft. Die Teilnehmer können dann bitter von sauer, süß von salzig und fruchtig von würzig unterscheiden. Am Tag darauf findet eine Prüfung statt, und nur derjenige, der sie besteht, wird als Prüfer zugelassen. Eine Garantie, an der nächsten Prämierung teilnehmen zu können, ist das jedoch nicht. Alle zwei Jahre müssen die Prüfer ihr Können erneut unter Beweis stellen. „Unsere Prämierung hat deshalb einen hohen Stellenwert“, erklärt Karl Müller, Erster Vorsitzender des Landesverbands der Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg. In der Bedeutung liegt die Prämierung seines Verbands noch vor der der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft). Deshalb verwundert es nicht, dass auch die Mitglieder des Landesverbands Südwürttemberg-Hohenzollern ihre Produkte nach Owen schicken, um sie auf ihre Qualität prüfen zu lassen.

Foto: Carsten Riedl

Jeder Prüfer kommt auf 96 Proben am Tag. Auf einem Tablett wird ihnen das Hochprozentige kredenzt. Die Gläser haben ein Hütchen, damit das Aroma nicht entweichen kann. Andächtig halten sich Akteure die Gläser unter die Nase, manche tauchen regelrecht ein. Kein Sterbenswörtchen ist zu hören, alle sind hoch konzentriert, es herrscht fast eine sakrale Stimmung. Ist die Nase befriedigt, sind die Geschmackssensoren im Mund gefragt. Sind auch die zu einem Ergebnis gekommen, wird das leckere Tröpfchen allerdings in einem Eimer ausgespuckt. „Die letzten beiden genehmige ich mir dann aber“, verrät einer der Teilnehmer.

Hektisch wird es hin und wieder dann doch. In solchen Fällen konnte sich die Kommission nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen und Klaus Fissler ist gefragt. Er nimmt die Charge entgegen und reicht sie einer anderen Gruppe weiter. Manchmal ist er richtig fies: Die gleiche Kommission bekommt die fragliche Probe wieder untergeschoben.

90 Minuten dauert ein Prüfvorgang, der erste beginnt um 9 Uhr. Ein Frühstück sorgt dann wieder für Neutralität, ehe es in die zweite Runde geht. Zum Mittagessen gibt keine stark gewürzten Speisen, die Geschmacksnerven sollen schließlich nicht über Gebühr beansprucht werden. Der dritte Rundgang geht dann in Kaffee und Kuchen über – und dann ist Feierabend.

Anhand der eingereichten Proben lassen sich Trends erkennen. Whisky gewinnt immer mehr an Bedeutung. Vor zwei Jahren wurden die ersten 25 Flaschen eingereicht, heuer waren es 59. „Für viele Brenner ist das Neuland. Sie reichen ihre Proben ein, damit sie wissen, wo sie stehen“, sagt Brigitte Steinwender. Eine ähnliche Karriere könnte auch der Gin hinlegen. Der Landesverband hat für dessen Herstellung ein Seminar angeboten. Der Andrang war so groß, dass es zweimal mit 40 Teilnehmern voll belegt war. „Die Gin-Produktion ist sehr offen. Der Wacholder muss zwar erkennbar sein, dann ist der Fantasie aber freien Lauf gelassen. Von Limette oder Tonkabohne bis zur regionalen Zutaten ist alles erlaubt“, erläutert Brigitte Steinwender.